Warum Hollywood nach Twilight auf Märchen setzt

22.04.2011 - 08:49 Uhr
Amanda Seyfried in Red Riding Hood
Warner Bros.
Amanda Seyfried in Red Riding Hood
10
2
Beastly und Red Riding Hood waren nur der Anfang. In den nächsten zwei Jahren können wir uns auf eine ganze Welle von Märchenfilmen made in Hollywood gefasst machen. Aber warum ausgerechnet Märchen? Und wieso jetzt?

Hollywood liebt Superheldenfilme. Hollywood liebt Vampire und seit ein paar Monaten hat sich Hollywood Hals über Kopf in Märchenfilme verliebt. Nicht die hübsch altbackenen aus DEFA-Tagen, sondern düstere Modernisierungen. In den nächsten zwei Jahren werden laut Produktionsplan unzählige Neuauflagen der Grimm’schen und anderer Märchen auf unsere Kinosäle einprasseln. Dieser Trend ist nicht zufällig am Überschwappen, besitzt allerdings abseits der offensichtlichen kommerziellen Beweggründe ein paar interessante Facetten. Den Anfang haben vor kurzem Beastly, eine Variation von Die Schöne und das Biest, und Red Riding Hood – Unter dem Wolfsmond, ein Rotkäppchen-Film, gemacht.

Übernatürliche Dreiecksgeschichten
Ein Mädel, das zwischen zwei Männern steht und ein Werwolf, der die ganze Sache verkompliziert. Das ist eine kurze Umschreibung des Inhalts des Rotkäppchen-Abenteuers Red Riding Hood – Unter dem Wolfsmond, das heute in den deutschen Kinos anläuft. Wer in den letzten Jahren nicht in einer Höhle abgeschnitten von der Zivilisation gelebt hat, könnte jetzt eine offensichtliche Parallele ziehen und zwar zum Twilight-Franchise. Die ist voll und ganz berechtigt. Regie hat bei Red Riding Hood Catherine Hardwicke geführt, die auch für Twilight – Bis(s) zum Morgengrauen verantwortlich war. Dazu gibt’s ein übernatürliches Abenteuer, das aus Sicht einer weiblichen Hauptfigur erzählt wird, ein Liebeschaos und vielleicht das Versprechen “Sie lebten glücklich…”. Gäbe es den Twilight-Hype nicht, würden wir in den nächsten 24 Monaten nicht lauter Schneewittchen-, Dornröschen- und andere Verfilmungen zu sehen bekommen.

Zum einen suchen die Produzenten und Studios schon seit einer Weile nach einem potenziell erfolgreichen Twilight-Ersatz. Deswegen wird derzeit fleißig für Die Tribute von Panem – The Hunger Games gecastet und jeder Vampir-Stoff, der nicht niet- und nagelfest ist, in die Kartei “in production” geschoben. Die Märchenfilme haben ihren Ursprung in dieser Logik. Dahinter steckt aber auch ein größeres Problem. Am 22. November 2012 beginnt der Anfang vom Ende der Twilight-Saga. Dann startet Twilight 4: Breaking Dawn – Biss zum Ende der Nacht – Teil 2 in den Kinos und auch die Zweiteilung des letzten Buches kann nicht verhindern, dass diese Filmreihe ihren Schlusspunkt findet. Dasselbe gilt für das dieses Jahre beendete Filmkapitel namens Harry Potter. Die beiden überaus erfolgreichen Franchises haben jedoch eines bewerkstelligt: Sie lockten und locken Mädchen im Teenager-Alter in Scharen in die Kinos. Doch während die Superheldenfilme auf männliche Zuschauer zugeschnitten sind, bleibt nach Ende der beiden Franchises eine wertvolle Zielgruppenlücke, die durch Romantic Comedies allein nicht zu füllen ist.

Märchen mal düster, mal romantisch, mal düster-romantisch
Ausschlaggebend für die Entscheidung, sich ausgerechnet auf Märchen als the nex big thing zu versteifen, war unter anderem das immense Einspielergebnis von Alice im Wunderland, welches das Vertrauen in das Box Office-Potenzial der klassischen Geschichten enorm gesteigert haben dürfte. Doch Märchen ist nicht gleich Märchen. Red Riding Hood und Beastly gehören zur offensichtlich romantischen Variante. Snow White and the Huntsman mit Twilight-Star Kristen Stewart in der Hauptrolle dürfte auf einer ähnlichen Schiene fahren, ebenso wie der nach einem Alice im Wunderland-Verschnitt klingende Dornröschen-Film mit Hailee Steinfeld.

Schon die Wahl des Personals hinter der Kamera könnte das ein oder andere Projekt in düstere Gefilde führen. Regie bei Hänsel & Gretel: Hexenjäger führt Tommy Wirkola, der Mann, der in Dead Snow Nazi-Zombies auf die Kinoleinwände losließ. Gemma Arterton und Jeremy Renner in den Hauptrollen versprechen ein Abenteuer, das eher in Richtung The Brothers Grimm geht. Weit weniger vorhersehbar ist Spieglein Spieglein – Die wirklich wahre Geschichte von Schneewittchen, in dem Julia Roberts die böse Königin für Regisseur Tarsem Singh (The Fall) gibt. In Richtung eines klassischen Abenteuers dürfte sich hingegen der 3D-Film Jack and The Giants von Bryan Singer bewegen. Weitere Märchenstreifen in der Pipeline sind Neverland und Die fantastische Welt von Oz.

Die Zuschauer entscheiden
Ein Artikel des Guardian zum Phänomen der Märchenfilme verweist auf die thematischen Ähnlichkeiten zur Twilight-Reihe. Unterschwellig sind Märchen mehr als nur Geschichten, die eine alltagstaugliche Moral anbieten. Sie drehen sich um die erwachende Sexualität sowie die Unterdrückung derselben gerade bei weiblichen Figuren. Mit anderen Worten: Die Märchen der Gebrüder Grimm und anderer setzen sich oftmals mit jenen Problemen auseinander, die während der Pubertät lauern. Wie schon die Twilight-Filme und -Bücher liefern sie in ihrer klassischen Gestalt oftmals eine konservative Deutung dieser.

Die Frage, die sich an den Startwochenenden der nächsten Monate stellen wird, ist, ob der bekannte “Markenname” eines Märchens und die Thematik genügen, um die gewünschte Zielgruppe ins Kino zu locken. Die ersten beiden Exponenten der Welle, Red Riding Hood – Unter dem Wolfsmond und Beastly, haben bisher jeweils moderate und sogar fatale Einspielergebnisse präsentiert. Die romantische Märchenvariation ist also alles andere als ein Selbstläufer. Einige Produzenten in Hollywood dürften die harten Zahlen Schweißflecken an den Armani-Hemden verursacht haben. Die nächsten 24 Monate werden zeigen, ob sich die düsteren Filme durchsetzen, die mit männlichen und/oder weiblichen Protagonisten an den Start gehen, oder die romantischen. Wenn der Märchenhype allerdings weitere Flops zu Stande bringt, muss sich Hollywood eine neue Flamme suchen.

Was haltet ihr von dem Märchen-Boom?

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News