Wir schauen Homeland - 4. Staffel, 10. Folge

09.12.2014 - 08:50 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
HomelandShowtime
16
4
Freunde von Schießereien und lockhartschen Fuck-Tiraden kommen in Homelands 10. Folge der 4. Staffel auf ihre Kosten.

Für eine Episode, in der Carrie und Saul im Kreuzfeuer eines Scharfschützen landen, Quinn ein halbes Dutzend Terroristen erschießt und der Chef der CIA die US-Botschafterin zu Boden stößt, wird in 13 Hours in Islamabad erstaunlich viel geredet. Die 10. Folge der 4. Staffel von Homeland bringt den Angriff auf die amerikanische Botschaft überraschend schnell zu Ende, um in einer gewaltigen Niederlage sowohl der CIA als auch der US-Diplomatie zu gipfeln. So stellt das Buch von Alex Gansa und Howard Gordon alle Weichen für ein Finale mit Carrie und Quinn auf der Jagd nach Haqqani. An die in sich sinnvoll geschlossenen vergangenen Episoden kommt dieser Übergangs-Thrill jedoch nicht heran.

Homeland - S04E10 (13 Hours in Islamabad)

Auf Wiedersehen, John Redmond (Michael O'Keefe), du warst ein gern gesehener, nüchterner Einrichtungsgegenstand. Mit einem Glassplitter in der Kehle wird der CIA-Agent nach einem undankbaren Einsatz durch die Drehbuchautoren entsorgt. Im Gegensatz zu Fara (Nazanin Boniadi) bestand bei Redmond recht schnell wenig Hoffnung, dass die Autoren ihm einen integralen Handlungsstrang oder auch nur befriedigenden character arc angedeihen lassen. Die iranisch-amerikanische CIA-Analystin, die von Haqqani per Messerstich in den Rücken aus der Serie entfernt wird, barg hypothetisch gesehen das Potenzial einer vielfältigeren Gestaltung der Homeland-Welt. Als zweite wichtige Frauenfigur der Serien-CIA entwickelte sich ihr Innenleben jedoch kaum über das eines Befehlsempfängers des Spitzentrios (Carrie, Saul, ......... Quinn) hinaus.

Schlussendlich, und das unterstreicht insbesondere der Ablauf ihrer Ermordung, wussten die Homeland-Autoren selten etwas mit Fara anzufangen, das sich nicht auf ihren dramaturgischen Status als positiv belegte Repräsentantin einer überwiegend negativ dargestellten Religion und Region zurückführen ließ. So diente Fara, und das vermögen auch die verkümmerten Story-Ansätze der 4. Staffel kaum zu vertuschen, primär als Gegenbild zu in der Serie vielfach auf Terroristen oder Mobs reduzierten islamisch geprägten Gesellschaften, ob nun in Beirut, Teheran oder nun Islamabad. Als Gegenbild auch zur quasi kaum vorhandenen individualisierten Darstellung muslimischer Frauen, die das Poster zur 4. Staffel  unfreiwillig selbst offenlegte, blieb Fara bis zu ihrem Abgang eben nur das: ein Körper, der nun dazu dient, Quinns Alleingang zu motivieren; ein visuelles Kennzeichen, Oberfläche.

Für seine ausgefeilten Nebenfiguren wurde Homeland selten gelobt, insofern schockiert der Umgang mit Fara wenig. Trotzdem fällt etwa die Funktionalisierung von CIA-Chef Lockhart und Botschafterin Boyd als Vertreter zweier Strategien US-amerikanischer Außenpolitik deutlich gewinnbringender für die Ausarbeitung der fiktionalen Welt von Homeland aus. Zum einen natürlich weil der forsche Lockhart (Tracy Letts) mit seinen Ausrastern im Mindesten ein Quell großen Amüsements bietet. Für die Serien-Relevanz jenseits der Explosionen und zitternden Lippen verankern die beiden Figuren Homelands 4. Staffel zudem in realpolitischen Konflikten (siehe TIL). Damit sind auch Lockhart und Boyd letztlich Stellvertreter, aber solche mit charakterlichen Eigenheiten und Handlungssträngen, neben denen der "junge Agentin will sich beweisen und bekommt keine Anerkennung"-Plot von Fara kaum bestehen kann.

So geschieht es - in typischer Homeland-Figuren-Doofheit - dass Aktionist Lockhart die Botschafterin durch pure Körperkraft überstimmt und Haqqani die "Kronjuwelen" der CIA in Islamabad übergibt, um Faras Leben zu retten: die Daten des Kontaktnetzwerks der Agency in Pakistan. Doofheit, weil es schon in der letzten Folge keinerlei Hinweis gab, dass Haqqanis Versprechen zu trauen ist. Sehr menschliche Doofheit aber auch, weil Lockhart wie schon bei Sauls Entführung die Agency zum Schutze eines Lebens in eine unvorteilhafte Situation bringt. Fara stirbt trotzdem, Quinn rettet den Tag und am Ende lümmeln Lockhart und Boyd geschlagen auf der Couch. Letztere vermag nicht einmal ihre Karriere zu retten, bleibt der in der herausragenden Szene der Folge "versprochene" Selbstmord ihres Ehemanns per Gürtel doch aus. Die perfide Überredungskunst Dennis Boyds, der Zwiespalt seiner Ehefrau, sind da einerseits doch noch die Wurzeln früherer Zuneigung zu erkennen, leuchtet andererseits der Plan nur allzu gut ein - hier zeigt sich Homeland, das psychologische DramaTM in Bestform. Dennis Boyds überwältigender Selbsterhaltungstrieb wird jedoch nur durch das Vermögen der Homeland-Autoren übertroffen, Suizid als plot device anzudrohen.

Damit bekommt Homeland in 13 Hours in Islamabad sein eigenes Benghazi . Ein außenpolitisches Desaster, ein Traum von Fox-News  sozusagen, nach dem die USA in der Serie, wie von ISI-Mitarbeiterin Tasneem (Nimrat Kaur) gewünscht, Reißaus nehmen. Ihre Logik scheint klar: Ohne die US-Intervention in innerpakistanische Angelegenheiten würden sich Terroristen wie Haqqani ganz auf die Stellvertreterkriege Pakistans konzentrieren. Kollege Khan (Raza Jaffrey) fügt sich ihrer Linie, was für die nächsten beiden Folgen entweder einen frühen Tod, eine späte Gewissenskrise oder beides bedeuten könnte.

Für Carrie deutet Homeland hingegen eine ungewöhnliche Wandlung an. Schon seit längerem desillusioniert von der Sinnlosigkeit ihres Jobs in Pakistan, gibt sie bereitwillig auf. So verkehrt sich eine altbekannte Situation der Serie: Statt ihr missachtet Quinn diesmal alle Befehle und stürzt sich in den Kampf. Quinn, der zu Beginn der Staffel des Tötens überdrüssig war und aussteigen wollte. Carrie, die endlich mal Menschenleben retten, nicht auslöschen wollte, muss ihm nach und wir dürfen nicht zuletzt hinsichtlich der Politik der Serie gespannt sein, ob sich der "Interventionismus", also die Jagd nach dem Terroristen auf feindlichem Gebiet, für beide auszahlt.

TIL: Sie wollen keinen weiteren "Ray Davis, der durch Islamabad läuft", heißt es gegen Ende der 10. Homeland-Folge in Bezug auf den verschwundenen Quinn. Gemeint ist damit allerdings kein sonniger Nachmittag  in der pakistanischen Hauptstadt, sondern ein weiterer Verweis in Homelands 4. Staffel auf zeitnahe reale Ereignisse. Glauben wir der New York Times , belastete kaum ein Ereignis die amerikanisch-pakistanischen Beziehungen so wie der Vorfall um Raymond Allen Davis am 16. März 2011 - und das auch unter der Berücksichtung der wenig später auf pakistanischem Boden stattfindenden Ermordung Osama bin Ladens. Davis, ein ehemaliger Soldat und Kontraktor der CIA in Pakistan, erschoss an diesem Tag in Lahore zwei Pakistaner mit der Begründung, sie hätten ihn bedroht. Hinzu kam, dass durch einen von Davis herbeigerufenen Wagen der US-Botschaft ein pakistanischer Motorradfahrer überfahren wurde. Widersprüchliche Aussagen Davis' sowie Gerüchte, dass die beiden Männer ISI-Agenten waren, milderten die Brisanz der diplomatischen Situation nicht. Verschärft wurde sie hingegen durch das Drängen der USA auf Davis diplomatische Immunität, um ihn vor einer Strafe zu bewahren und zügig aus Pakistan herauszuholen.

Dabei kehrte der Fall die Konflikte zwischen CIA und Außenministerium hervor, insbesondere in Gestalt des damaligen US-Botschafters Cameron Munter, der der Drohnenpolitik der CIA gegenüber "skeptisch eingestellt war" (NYTimes) und im Fall Davis auf eine Kommunikation mit dem ISI drängte. Was uns wiederum verdächtig an die Storyline der 4. Homeland-Staffel erinnert. Die CIA setzte sich mit der Obama-Administration im Rücken durch. Landesweite Proteste in Pakistan begleiteten die Freilassung und Ausreise von Raymond Allen Davis, die angeblich durch "Blutgeld" an die Familien der Opfer gedeichselt wurde.

Der Eklat um Davis warf aber auch ein Schlaglicht auf einen Aspekt der CIA-Arbeit in Pakistan, welcher in Homeland nur beiläufig Beachtung findet. Denn Virgil und Max, die treuen Helferlein Carries in den vergangenen Staffeln, nehmen eine ähnliche, wohl hierarchisch weniger bedeutsame Stellung ein wie Raymond Allen Davis es tat. Sie sind Mitarbeiter, die durch Unternehmen wie Blackwater gestellt werden und die CIA personell unterstützen. Der US-Auslandsgeheimdienst ist bei der Vielzahl der Einsatzorte nicht mehr in der Lage, die nötigen Arbeitskräfte zu stellen. Deswegen greift er auch in hochgefährlichen politischen Konfliktzonen wie jener in Pakistan auf Diener zweier Herren zurück: des Geheimdienstes und der Privatwirtschaft.

Zitat der Folge: "Will this ever fucking end?"

Recap: Wir schauen Homeland - 4. Staffel, Folge 9
Recap: Wir schauen Homeland - 4. Staffel, Folge 8
Recap: Wir schauen Homeland - 4. Staffel, Folge 7
Recap: Wir schauen Homeland - 4. Staffel, Folge 6
Recap: Wir schauen Homeland - 4. Staffel, Folge 5
Recap: Wir schauen Homeland - 4. Staffel, Folge 4
Recap: Wir schauen Homeland - 4. Staffel, Folge 3
Recap: Wir schauen Homeland - 4. Staffel, Folge 1 & 2

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News