Wir schauen Homeland - 4. Staffel, 6. Folge

04.11.2014 - 09:00 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Homeland
Showtime
Homeland
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Homeland liefert eine seiner besten Episoden seit Ewigkeiten ab und entledigt sich zur Überraschung vieler einer durchaus liebgewonnenen Figur. Aber keine Angst, sie ist glattrasiert.

Da denkst du, Homeland hat seine Lautstärke für die 4. Staffel eingepegelt, eine ziemlich gleichförmige ohne Amplituden und auf einmal platzen dir die Trommelfelle. Was dieser minimal gestelzte Vergleich zum Einstieg verdeutlichen soll: Homelands 6. Folge (From A to B and Back Again) ist die bisher beste der Staffel und vielleicht die beste seit Q&A aus Season 2. Dabei beginnt alles mit einer vorhersehbaren Finte auf Seiten des Drehbuchautors Chip Johannessen, der schon seit Staffel 1 dabei ist und unter anderem The Vest (Staffel 1) und Beirut is Back (Staffel 2) geschrieben hat.

Homeland - S04E06 (From A to B and Back Again)

Die meiste Zeit erhalten wir in Homeland vergleichsweise direkten Einblick in Carries Planungen. Als sie für einen Einsatz in Redmonds (Redmond FTW!) Büro geht, wirkt es, als würden wir kurz vorm Ausplaudern eines Masterplans in die Werbepause geschickt. Insofern überrascht es nicht, als Carrie (Claire Danes) wenig später mit blutiger Nase in einem Van ihren Kollegen gegenübersitzt. Effektiv wird die Verfolgung Aayans (Suraj Sharma) und die Stürmung des ungedenzelten Safe Houses trotzdem inszeniert, da wir sie aus Aayans Sicht erleben. Das ist die Carrie, die einigermaßen glaubwürdig Station Chief der CIA in Islamabad werden kann. Mit der fingierten Verfolgung, der Rede über die Behandlung von Ausländern und "nationals" durch den ISI holt sie genau das aus Aayan raus, was sie braucht. Er flieht zu seinem Onkel Haissam Haqqani nahe der afghanischen Grenze, ohne sich zu viele Sorgen um die "Journalistin" zu machen.

So professionell Carrie auch umschaltet zwischen "I love you, too" und "He's recourceful", scheint sie sich über ihre Gefühle nicht im Klaren zu sein. Claire Danes Lächeln, als Aayan den pakistanischen Grenzsoldaten mit den Pfundnoten besticht, zeugt einerseits von Stolz, als würde eine Soccer Mom ihren Sprössling bei einem cleveren Pass bejubeln. Andererseits ist da dieses leichte Zittern zwischen Thrill und Furcht. Spiel - in Form von Carries "Sucht" und den Assoziationen des Joystick-Drohnenraums - kann jederzeit in Ernst umkippen, spätestens wenn die Waffen der Drohne scharf gemacht werden, um Haissam Haqqani und damit auch Aayan zu ermorden. Darauf läuft die Aktion hinaus und wegen Haqqani erfahren wir nicht, ob Carrie den Befehl gegeben hätte, hätte der Plan funktioniert. Stattdessen blickt der betrogene Aayan ein zweites Mal vorwurfsvoll in den Himmel, zu der CIA-Agentin, die seine Familie auslöschte und indirekt auch ihn selbst. Ein starkes Bild zur Rahmung der ersten Staffelhälfte.

Dass sie Saul ohne weiteres ausschalten würde und nur von Quinn (Rupert Friend) zurückgehalten werden kann (der endlich, endlich aus seiner Schmollerei ausbricht), ist denn auch nicht so sehr auf die intensive Zuneigung zum Spielobjekt Aayan zurückzuführen. Wobei Gefühle auch auf Seiten Carries vorhanden sind (nur sind sie nicht mit jenen für Brody oder Weißwein zu vergleichen). Insofern umgehen die Macher den Vorwurf, Carrie in ein kaltes Monster am Schaltpult zu verwandeln, entfremden sie aber im selben Zug von ihrer Crew; außer dem weitgehend regungslosen Redmond. Damit stürzt Carrie in eine Krise, als Station Chief wegen ihres öffentlichen Zusammenbruchs, als Team-Leiterin mit kleinem Vertrautenkreis (man denke an das Gespräch mit Fara) und als Agentin, die den Tod von 40 Menschen verantwortet und als einzigen Lösungsansatz einen weiteren Toten vorweisen kann.

Das alles wird in From A to B and Back Again so kurzweilig inszeniert, von Claire Danes mit Hingabe zum völlig paradoxen, jedoch nicht unglaubwürdigen Innenleben ihrer Figur gespielt, dass einem fast nicht auffällt, was im Hintergrund passiert. Wie Professor Dennis Boyd (Mark Moses) mit seinem Product Placement-Whiskey durch die Botschaft spaziert. Wie Fara, gelernte CIA-Analystin, die in der selben Folge ihren Beitrag zu Carries Team verteidigt, nicht merkt, dass jemand im Safe House herumflaniert. Wie Boyd ISI-Kontakt Tasneem (Nimrat Kaur) ohne Absicherung Top Secret- und Tabletten-Infos weitergibt und dafür sicher noch bezahlen muss. Und wie Saul (Mandy Patinkin) nichts weiter als ein wertvoller Körper ist, ein menschliches Plot-Schutzschild. Von alldem einmal abgesehen, gelingt den Homeland-Machern eine erstklassige Episode einer Serie, die oft viel zu nachsichtig, ja unreflektiert, mit den Konsequenzen der Entscheidungen ihrer Heldin umgeht, welche Carrie diesmal aber nicht so leicht davonkommen lässt. From A to B and Back Again - das suggeriert eine redundante Kreisbewegung mit fatalen Begleitschäden.

TIL: Am Donnerstag meldete AFP  in aller Kürze einen US-Drohnenangriff in Pakistan, bei dem sieben Menschen getötet wurden, darunter ein Kommandeur des Haqqani-Netzwerks (mehr dazu bei der pakistanischen Zeitung The Nation ). Besagtes Netzwerk teilt nicht nur den Namen mit einem der Hauptbösewichte der aktuellen Homeland-Staffel. Inwiefern sich die Autoren der Geschichte der real existierenden Gruppe bedient haben, bleibt unserer Fantasie überlassen, da die Macher, was die Details der Organisation angeht, ähnlich oberflächlich vorgehen wie in der Darstellung von Pakistan selbst (dazu mehr bei der New York Times ).

Der 1939 geborene Afghane Jalaluddin Haqqani gilt als Gründer des Netzwerks, das sich dem nationalen Kampf innerhalb Afghanistans verschrieben hat, anders als beispielsweise al-Qaida, die international agieren. Haqqani wurde im Krieg gegen die Sowjetunion in den 80er Jahren vom pakistanischen ISI und der CIA unterstützt (Charlie Wilson nannte ihn die "personifizierte Güte ", ISI-Insider ein pakistanisches "asset"). Später agierte er als Minister im Taliban-Regime. Während des Kriegs in Afghanistan seit 2001 soll das Haqqani-Netzwerk an der Flucht Osama bin Ladens beteiligt gewesen sein. Jalaluddin Haqqanis Machtbasis soll seitdem in der pakistanischen Bergregion Nordwaziristan an der Grenze zu Afghanistan liegen, deren Homeland-Version wir anscheinend in From A to B and Back Again zu sehen bekommen. Nordwaziristan gehört zu einer semi-autonomen Zone von Stammesgebieten, die teilweise von al-Qaida und Taliban kontrolliert werden; die erwähnte "no-go zone" aus Folge 5. Heute gilt Haqqanis Sohn Sirajuddin als Kopf des Netzwerks. Diesem werden Anschläge auf Hotels, US-Vertretungen und Schulen in Afghanistan vorgeworfen sowie ein Attentatsversuch auf Hamid Karzai.

Und noch ein Punkt, in dem Homeland-Fiktion und Realität sich überschneiden: Am 8. September 2008 beschoss eine US-Drohne ein Gelände in Nordwaziristan, das den Haqqanis zugeschrieben wurde. Jalaluddin Haqqani und sein Sohn waren jedoch, anders als vermutet, nicht anwesend. 23 Menschen wurden bei dem Drohnenangriff getötet, darunter Teile von Haqqanis engster Familie. (NYTimes )

Zitat der Folge: "Take the shot!"

Recap: Wir schauen Homeland - 4. Staffel, Folge 5
Recap: Wir schauen Homeland - 4. Staffel, Folge 4

Recap: Wir schauen Homeland - 4. Staffel, Folge 3
Recap: Wir schauen Homeland - 4. Staffel, Folge 1 & 2

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