Wir schauen Homeland - 4. Staffel, 12. Folge

23.12.2014 - 10:12 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Homeland
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Homeland scheut sich mit dem Finale der 4. Staffel nicht davor, den Fans vor den Kopf zu stoßen. Aber hat die Staffel diesen Abgang verdient?

Ein bisschen mehr Rubicon und weniger 24 habe ich mir am Anfang der 4. Staffel von Homeland gewünscht. Im Endeffekt fanden die Showrunner einen überwiegend homogenen Rhythmus für ihren Reboot, was den Bruch namens Long Time Coming umso prägnanter hervorstechen lässt. Kein Wiedersehen mit Islamabad gibt es im Finale der 4. Staffel, keine halsbrecherische Jagd in die Stammesgebiete Pakistans, keine Rache, keine Besinnung. Stattdessen hallt bei Betrachtung der Staffel als Ganzes Carries Eingeständnis aus der 11. Folge nach: "Quinn, we lost." Der radikal ruhige Abschluss funktioniert weniger als Episode, denn als dramaturgische Weiche. Bewundernswert bleibt es doch, wie Autorin Meredith Stiehm und das Homeland-Team dem befriedigenden Abschluss aus dem Weg gehen. Kein Sieg, nicht einmal im Kleinen, aber auch kein Aufbruch, keine neue Spur nach der Niederlage. Was bleibt von Homelands 4. Staffel ist ein fiktives Scheitern der amerikanischen Drohnenpolitik und eine der verbissensten Heldinnen des aktuellen Seriengeschäfts, die nach vier Staffeln der Ziellosigkeit anheim fällt.

Als Staffelfinale besitzt Long Time Coming indessen alle Merkmale einer einzigen Enttäuschung: Der Season Arc rund um Haqqani und den pakistanischen Geheimdienst wird unvermittelt pausiert. Dafür springt die Folge ins Homeland, um einer sporadisch erwähnten Mutterfigur nach Missouri zu folgen, einen ungekannten Halbbruder vorzustellen und auf die zu Beginn der Staffel angedrohte Liebelei zwischen Carrie und Quinn zurückzukommen. Auch was die Figuren angeht, wirken die Entwicklungen erzwungen: Saul, der eben noch lieber Selbstmord begehen wollte, als zur Geisel zu verkommen, wird vom Pragmatismus Dar Adals angesteckt. Hauptsache, wieder in der CIA arbeiten. Afghanistan unter Führung der Taliban? Whatever. Quinn, der die Staffel als Aussteiger startete, unterstreicht gleich mehrmals, wie sehr er sich nach einem anderen Leben sehnt, nur um einen Trip ohne Exit Strategy nach Aleppo zu unternehmen.

Auch lässt uns das Drehbuch für eine derart jazzige Homeland-Exkursion ziemlich wenig Raum, um selbst Schlüsse über Carries aktuelle Situation zu ziehen. Im Gespräch mit der Schwester muss ausbuchstabiert werden, wie viel Carrie mit der Mutter gemein hat, die vor 15 Jahren ihre Familie verließ. Diese entschuldigt sich wiederum für ihr Verhalten, weil sie wenigstens "eine Sache richtig machen musste". Klingt bekannt? Bestimmt nur ein Zufall. Ebenso wirkt die große Aussprache über die Schuld an dem Zerfall der Familie Mathison reichlich deplatziert in einer Staffel, die sich vom Privatleben ihrer Heldin über weite Strecken ferngehalten hat wie der Teufel vom Weihwasser. War es wirklich Carries Glaube, dass ihre bipolare Störung alle Beziehungen ruiniert, der sie bisher eines trauten Heims beraubte? Oder die Tatsache, dass ihr Job ihr etwas gibt, was kein rothaariges Bündel Mensch vermag?

Abgesehen von der fantastischen Verführungsszene zwischen Dar Adal und Saul bei ihrem neuen Stamm-Pancake-Dealer und dem Abschied von James Rebhorn verlegt sich das Finale der 4. Staffel auf eine plump umgesetzte Neuorientierung als Abschluss des gelungenen Reboots. So erfindet sich Homeland in dieser soliden Staffel wieder einmal neu, nur eben mit Hängen und Würgen und kalter Lasagne. Dass die Staffel auf einer politisch zynischen Note endet, erscheint mutig, aufgrund der überstürzten Flucht aus einem sowieso kaum erkundeten Handlungsort aber unverdient. Ich mag nach vier Staffeln bärtiger Versöhnung auch nicht auf einen Konfrontationskurs von Carrie und Saul in der 5. Staffel hoffen. Dafür ist Homeland dann doch zu unflexibel. Insofern ergeben die letzten Minuten dieses Finales trotzdem einen der schöneren Momente dieser zielstrebigen, selbstsicheren, weil befreit wirkenden Staffel. Jazz erobert die Tonspur wie damals in der Pilotfolge. Alles scheint in diesen Serienminuten möglich. Selbst wenn es unmöglich ist.

TIL: Menachem Begin hätte 91 britische Soldaten ermordet und sei trotzdem Premierminister Israels geworden, meint Dar Adal zur Verteidigung seiner ultra-pragmatischen Weltsicht. Tatsächlich kommt der Black Ops-Spezi hier mit seinen Zahlen etwas durcheinander. Begin gründete 1973 unter anderem mit Ariel Charon das konservative Parteienbündnis Likud und sorgte so für das Ende der langjährigen Herrschaft der Arbeiterpartei Awoda. Zwischen 1977 und 1983 war Begin Premierminister Israels, der von ihm mit initiierte Libanonkrieg führte schlussendlich zu seinem politischen Sturz. Zur Zeit des Mandatspalästina, als das Gebiet bis 1948 unter britischer Administration stand, agierte Begin als Führer der militanten zionistischen Gruppe Irgun. In dieser Funktion gab er den Befehl für einen Bombenanschlag auf das King David Hotel in Jerusalem, der am 22. Juli 1946 ausgeführt wurde. Der Vergeltungsschlag für britische Razzien jüdischer Organisationen kostete 91 Menschen das Leben, darunter vor allem Mitarbeiter des Hotels sowie Soldaten und Regierungsvertreter. Bis heute ist die Schuldfrage umstritten, da beispielsweise Warnungen der Irgun am selben Tag teils ignoriert wurden, weshalb die zur rechtzeitige Evakuierung ausblieb. Der Bombenanschlag auf das King David Hotel sorgte für Zerwürfnisse innerhalb der jüdischen Bewegung in Palästina. Durch die darauf folgende Einschränkung der Rechte jüdischer Bürger wurden diese von der britischen Führung zudem weiter entfremdet.

Zitat der Folge: "It's not what I've done. It's what I get in return."

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