Alien: Earth endet mit einer richtig ärgerlichen Idee – die 46 Jahre Grauen zunichte macht

24.09.2025 - 16:36 UhrVor 13 Stunden aktualisiert
Alien: Earth
Disney+
Alien: Earth
0
2
Das Alien: Earth-Finale hat den Xenomorph als Horror-Figur entzaubert. In Folge 8 verändert sich die Kreatur so stark, dass es die Vorfreude auf Staffel 2 trübt.

Es gibt kein besseres Design, um Schrecken auszulösen, als den Xenomorph aus dem Alien-Franchise. Sein ganzes Äußeres ist unbegreiflich grauenhaft, dafür sorgen die fehlenden Augen, der längliche Schädel, der massive Schwanz, das Teleskopgebiss, das schleimige Maul und das dampfende gelbe Blut. Eigentlich sollte es nicht möglich sein, sich bei einem solchen Anblick zu langweilen. Aber Alien: Earth schafft es trotzdem.

Die viel gepriesene Sci-Fi-Serie macht ihr eigenes Monster zum Schoßhündchen, das sich herumkommandieren und bei Bedarf herbeipfeifen lässt. Harmlos krabbelt es zu seinem Frauchen Wendy (Sydney Chandler). Das ist lächerlich, aber nicht zum Lachen. Es beraubt die Serie nämlich eines ihrer größten Horror-Faktoren.

Was passiert im Alien: Earth-Finale?

In der achten und letzten Folge rebellieren Wendy und ihre Hybriden endgültig gegen ihre Erbauer. Sie sagen Boy Kavalier (Samuel Blenkin), Kirsh (Timothy Olyphant und Dame Silvia (Essie Davis) den Kampf an. Sie übernehmen die Insel des Konzerns Prodigy. Das gelingt ihnen nur dank dem Xenomorph.

Schaut hier den Trailer zu Alien: Earth

Aus mysteriösen Gründen kann Wendy nämlich mit dem Alien kommunizieren. Durch Klick- und Schnalzlaute hetzt sie das Weltraummonster gegen Prodigy- und Yutani-Soldaten oder postiert es als Wachhund bei ihren Gefangenen. Damit macht die Serie allerdings einen Riesenfehler.

Die Xenomorph-Bedrohung war immer der zentrale Horror-Aspekt von Alien

Mit einem Monster, dessen Brutalität lenkbar und damit vermeidbar geworden ist, nimmt Showrunner Noah Hawley den Fans die größte Spannungsquelle. Und schwächt damit auch die Lust, einzuschalten.

Der Xenomorph war seit dem Erstling 1979 immer der größte Gruselfaktor des Franchise. Im ersten Film verursacht er als namenlose, abseitige Bedrohung in den Schatten ein urmenschliches Grauen. Selbst im Nachfolger Aliens - Die Rückkehr, den James Cameron als eine Art Kriegsfilm mit unzähligen Aliens inszeniert, bewahren die Kreaturen ihren Schrecken.

Massenhaft mähen Selbstschussanlagen sie dort nieder. Aber bedrohlich bleiben sie trotzdem, da Cameron mit der Munitionszahl zeigt, dass selbst tausende von Kugeln der gesichtslosen Gefahr nicht Herr werden können.

David Fincher und Jean-Pierre Jeunet drückten dem Franchise in Alien³ und Alien - Die Wiedergeburt einen eigenen Stempel auf, vermieden es aber ebenfalls tunlichst, das Alien zu entzaubern. Der Ripley-Klon (Sigourney Weaver) in Alien - Die Wiedergeburt hat zwar eine besondere Verbindung zum Xenomorph, aber Jeunet inszeniert die Verbindung als eine biologische Perversion, der Ripley im Finale des Films den Garaus macht. Ripleys Alien-Kind bleibt selbst dann grauenhaft, wenn es bemitleidenswert wirkt.

Der Xenomorph wird zum langweiligen Politikum

Hawley dagegen verwischt die Grenzen zwischen Monster und Menschen in den letzten zwei Folgen von Alien Earth komplett. Ekelhaftes, Abseitiges gibt es hier nicht mehr. Der Xenomorph fungiert als Beschützer. Er ist nicht widerlicher oder grotesker als ein Kampfhund. Für eine monströse Bedrohung ist er zu berechenbar und unselbstständig.

In einer der letzten Einstellungen krabbelt der Xenomorph über den Käfig von Wendys Gefangenen, die er bewacht. Und Wendy, als habe sie sich bei seinem Anblick der Funktionalität einer Waffe versichert, protzt: "Jetzt herrschen wir!" Die Schreckenskreatur ist zum langweiligen Politikum verkommen – einem bloßen strategischen Pfand.

Noah Hawley möchte sein Monster hinterfragen

Noah Hawley geht mit der kontrollierbaren Verbundenheit zwischen Monster und Hybrid-Menschen neue Wege im Franchise. Sind frische Ideen nicht gut? Grundsätzlich schon. Aber sie haben Grenzen.. Nicht umsonst wurde Steven Spielbergs Idee eines “guten Alien” vor 40 Jahren zum Glück verworfen.

Kommunikation ermöglicht Verständnis. Wenn Hawley seinen Xenomorph mit Wendy kommunizieren lässt, verwandelt er das rätselhafte Monstrum in einen lesbaren Verbündeten. Und plötzlich ist die für das Alien-Franchise so wichtige Zutat der Angst dahin.

Mit seiner Neuerung will Hawley die Frage aufwerfen: "Sind wirklich alle Monster nur Monster?" – um sie anschließend mit "Nein" zu beantworten. Diese Antwort kommt dem Hauptthema der Serie Alien: Earth zugute, nämlich der Suche nach den "wahren Monstern". Sie erreicht unweigerlich skrupellose Menschen wie Boy Kavalier: jene Strippenzieher, die Menschen, Aliens und Maschinen gleichermaßen als Ressource verbrauchen.

Alien: Earth erstickt den Horror in Grauzonen

Das Monster zu psychologisieren und den Menschen anzuprangern, ist der Grundton vieler Serien, zu denen Hawley auch Alien: Earth zählen möchte. Meisterwerke wie Game of Thrones, Breaking Bad oder The Wire haben die simple Schwarz-Weiß-Ethik mancher Vorgänger durch komplexe Biografien und psychologische Entwicklungen ersetzt.

Aber Hawley macht einen Fehler, wenn er seiner moralischen Komplexität seine Schreckgestalt opfert. Denn die treibende Emotion der Alien-Reihe ist für Millionen von Fans der Grusel vor einem namenlosen Schrecken. Nicht das Faszinosum einer plötzlich verständlich gemachten Kreatur.

Natürlich wird Hawley dem Xenomorph keine tragische Biografie verpassen, wie es die Game of Thrones-Autoren etwa mit Cersei Lannister (Lena Headey) gemacht haben. Aber die Sprachfähigkeit ist ein erster Schritt in die falsche Richtung. Je unverständlicher diese mysteriöse Kreatur bleibt, desto effektiver funktioniert ihr Horror.

Genüssliche Furcht: Das Alien muss ein Genre-Monster bleiben

Mit den anderen Alien-Kreaturen der Serie entfacht Hawley effektiven Grusel, weil er sie schlicht als Monster konzipiert, die aufs Töten aus sind. Mit ihnen will er auf die “Horror-Entdeckungsreise” gehen, die er beim Xenomorph für abgeschlossen hält. Aber das Franchise ist nicht nach dem Augen-Monster oder der Space-Zecke benannt. Es hat einen klaren Protagonisten: einen Namensgeber, der Schrecken verursachen soll.

Es wirkt ein wenig so, als hätte Hawley Alien: Earth gegen Ende zu einem Drama der 1000 moralischen Graustufen machen wollen. Vielleicht, weil es nach einem fruchtbaren Nährboden für seine Hauptfrage klingt, wo die Maschine aufhört und der Mensch anfängt. An der Idee ist nichts falsch, aber das Alien darf an dieser Komplexität nicht teilhaben.

Auch interessant:

Es mag in Ridley Scotts bildgewaltigen Prometheus-Träumen verloren gegangen sein, aber das Alien-Franchise ist nicht nur eine Spielwiese für große Menschheitsfragen. Es ist auch eine waschechte Genre-Reihe. Ein Universum, dessen Fans sich schlicht an ekligen Monstern, riesigen Raumschiffen und veralteter Technik erfreuen. Vielleicht wollte Hawley, wie manche seiner Protagonist:innen, die niederen Triebe der Menschheit einfach nicht wahrhaben: Manchmal wollen wir uns einfach nur fürchten.

Alle acht Folgen von Alien: Earth sind ab sofort bei Disney+ verfügbar.

Das könnte dich auch interessieren

Schaue jetzt Alien: Earth

Kommentare

Aktuelle News