Sind deutsche Serien wirklich so schlecht?

20.04.2012 - 08:50 UhrVor 12 Jahren aktualisiert
Um Himmels willen
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Wenn es um Quality TV geht, schauen wir ganz selbstverständlich über den Teich. Aber sind die deutschen Serien wirklich so schlecht, wie ihr Ruf oder kann der Zuschauer doch die eine oder andere gute TV-Serie auch bei uns entdecken?

Das Jammern ist groß, wenn es um deutsche TV-Serien geht. Im Sommer 2009 hatte media.de ausgewertet, welche Lieblingsserien der Deutschen hatten und hinter den Giganten Tatort und Polizeiruf sah das Feld der Plätze nicht besonders gut aus: Um Himmel willen, In aller Freundschaft, Familie Dr. Kleist, Der Alte, Der Bergdoktor, Die Rosenheim-Cops usw. zeichnen sich nicht gerade durch innovative und qualitativ hochwertige TV-Konzepte aus. Zwar ist die Studie knapp drei Jahre alt, aber viel dürfte sich nicht im Ranking der Lieblingsserien der Deutschen verändert haben.

Das deutsche Fernsehen und mit ihm die Öffentlich-Rechtlichen stehen für Kontinuität, das heißt für einen Geschmack, der seit Jahren, wenn nicht gar Jahrzehnten auf der Stelle tritt und der immer wieder neu bedient wird mit TV-Ware von der Stange. Aber dieser Geschmack trifft nach wie vor den Nerv der Zuschauer. Millionen schauen zu, wenn Der Dicke gemütlich seine Fälle löst, wenn mit viel Krachbumm wieder Alarm für Cobra 11 – Die Autobahnpolizei ausgerufen wurde oder Küstenwache gemächlich und vorhersehbar den Hafen verlässt. Und da das der Fall ist, stehen deutsche Serienmacher – auch dank der öffentlich-rechtlichen Gelddruckmaschine GEZ – nicht unter dem Erfolgsdruck, mit Innovation oder Kreativität Quote zu machen. Solange der alte Serien-Karren läuft, läuft er eben. Es ist jedenfalls kein Wunder, dass das jugendliche Publikum eher über den Teich schaut und dort ihre TV-Süchte befriedigt. Hat also jedes Volk die TV-Serien, die es verdient?

Versteckt in der Masse
Dabei gab bzw. gibt es sie: deutsche TV-Serien, die sich durchaus am internationalen Maß messen lassen können. Die Miniserie Im Angesicht des Verbrechens von Dominik Graf bot 2010 anspruchsvolle Krimikost, die über die Qualität der meisten Tatort-Folgen hinaus ging und mit tollen Schauspielern wie Max Riemelt und Alina Levshin besetzt war. Leider haben nur wenige Zuschauer von der lediglich 10-teiligen Serie rund um die russische Mafia in Berlin Notiz genommen. Allerdings lag dies auch an der Sendepolitik, denn die Serie wurde zunächst auf Arte ausgestrahlt, ein halbes Jahr später dann ins Abendprogramm der ARD gelegt. Ein Massensog, der Bürgersteige leer fegt, kann so nicht entstehen.

Auf Comedy-Ebene haben einige Filmemacher einiges in Gang gebracht. Eine mutige Serie wie Stromberg, die versucht, aus einem ausländischen Format etwas genuin deutsches zu machen, überlebt wegen ihrer großen Fanbasis immerhin. Jetzt kommt sogar der Kinofilm, dank den Fans. Auch Pastewka, die sich an der US-amerikanischen Serie "Lass es, Larry! (Lass es, Larry!)":/serie/lass-es-larry orientiert, ist durchaus sehenswert. Hier hat die satirische Überspitzung eine Tiefe, die im deutschen Fernsehen selten ist. Dr. Psycho lebte vom brillanten Improvisationskomiker Christian Ulmen, der sich auch mal politisch Unkorrektes traute, brachte es aber nur auf zwei Staffeln. Kanzleramt und Weissensee zeugen ebenfalls davon, dass Qualität möglich ist. Kontinuität scheint allerdings unmöglich, da über allem das Damoklesschwert Quote schwebt.

Der anspruchsvolle KDD – Kriminaldauerdienst, der sich stilistisch am großen Vorbild The Wire orientierte, ging zwar in Serie, wurde aber nach nur drei Staffeln wegen desaströser Quoten abgesetzt. Dabei überschlugen sich die Kritiker in Lobeshymnen, als das ZDF 2007 die erste Staffel der Serie ausstrahlte. Mit der dritten Staffel scheint in Deutschland das Schicksal vieler Serien beendet. Auch die ARD-Serie Türkisch für Anfänger wurde nach drei Staffeln abgesetzt, obwohl es zahlreiche internationale Preise gab und sogar junges Publikum vor den öffentlich-rechtlichen Bildschirm gelockt wurde. Der Kinoversion Türkisch für Anfänger – Der Film, aktuell überaus erfolgreich auf Deutschlands Leinwänden, zeigt, was das Fernsehen an Zuschauerpotential verschenkt hat. Die dritte Staffel war auch für Doctor’s Diary das Ende, auf DVD sind beide Serie allerdings ein voller Erfolg. Gute und relativ stabile Reichweiten verzeichnen aktuell die Sat1-Produktionen Der letzte Bulle und Danni Lowinski, beide bis dato in der dritten Staffel. Letztere Serien sind zwar nicht überaus innovativ, heben sich aber vom Massen-Einerlei ab.

Mehr Marketing für deutsche Ko-Produktionen
Vergessen werden darf auch nicht, dass deutsche Sender sich mittlerweile an internationalen Produktionen beteiligen, um das Budget für TV-Serien zu erhöhen und mit bekannten Stars größere Verkaufsargumente auf den internationalen TV-Markt zu bekommen. Bei der deutsch-französischen TV-Serie Borgia (co-produziert vom ZDF) oder der deutsch-kanadischen Koproduktion "Die Säulen der Erde (Die Säulen der Erde)":/serie/die-saulen-der-erde (co-produziert mit Sat1) fällt das aber fast gar nicht auf. Schade eigentlich, denn eine Verbesserung des Renommees deutschen Fernsehens wäre durchaus wünschenswert.

Auch sollten wir uns immer daran erinnern, dass es wohl in keinem Land der Welt eine derart umfassende und kostenloses Versorgung im Fernsehbereich gibt. Auch wenn dies einiges Lob verdient, scheint es mir eines der eigentlichen Probleme zu sein. Mir wäre weniger, das besser ist deutlich lieber.

Was meint ihr zu deutschen TV-Serien? Sind sie schlechter oder besser als ihr Ruf?

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