Bad Boys mit Will Smith: Das Jubiläum des Films ist kein Grund zur Freude

07.04.2020 - 10:15 UhrVor 4 Jahren aktualisiert
Bad Boys mit Martin Lawrence und Will SmithSony
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Mit Bad Boys startete Michael Bay vor 25 Jahren einen Siegeszug gegen den Verstand. Unter seiner Regie wurden Actionfilme in die Steinzeit katapultiert.

Es fällt schwer, keine Meinung über Michael Bay zu haben, vor allem keine unvorbelastete. Bei sehr erfolgreichen wie zugleich übereinstimmend verhassten Publikumsfilmemachern können Haltungsfragen zur Voraussetzung der Beschäftigung mit ihnen werden. Weshalb sie einerseits leichte, jedenfalls keine originellen Opfer sind, und andererseits gewisse Immunität genießen.

Vielleicht ist Michael Bay auch deshalb zu einem Phänomen geworden, weil sowohl die Schmähungen seines Stils als auch der cinephile Verteidigungsdrang letztlich (Gegen-)Reaktionen sind. Selbst positive Kritiken zum jüngsten Bay-Bombast 6 Underground schienen sich über die Abscheulichkeiten des Films einig. Ihr Unterschied bestand lediglich darin, diesen Abscheulichkeiten eine bewundernswerte Qualität zuzuschreiben.

25 Jahre Bad Boys – Wie das Grauen seinen Lauf nahm

Natürlich ist Müll mit Ansage immer noch Müll, sind also die Erkennungszeichen eines Michael Bay auch in der unbeirrten und eindrücklichen Konsequenz ihrer nunmehr 25-jährigen Darbietung kein Stück weniger debil. Seit der für ein Hollywood-Taschengeld produzierte Bad Boys - Harte Jungs sie 1995 erstmals aufs Kino losließ, haben sich allenfalls Konditionierungseffekte eingestellt.

Will Smith und Martin Lawrence in Bad Boys

Im Rückblick zeigt sein Filmdebüt, dass Michael Bay von Beginn an mit offenen Karten spielte. Die Vortitel-Sequenz ist bereits eine Art Bay-Best-of (abzüglich jener wie Silvesterfeuerwerk aussehenden Explosionen, die er sich hier noch fürs Finale aufhob). Martin Lawrence und Will Smith brettern durchs sonnendurchflutete Miami, der eine fährt den "schnellsten Serienwagen der Welt", der andere frisst Burger und klagt über seine frigide Ehefrau.

Bevor überhaupt die Titel des Films eingeblendet werden, haben die Archetypen des Bay-Kinos schon ihre schreckliche Gestalt angenommen: Männer, die einfach nicht den Sex bekommen, der ihnen zusteht; knapp bekleidete Frauen, die in Zeitlupe mit ihren Reizen spielen und jene große Ungerechtigkeit verbildlichen; Männer wiederum, die große Jungs sind, verspielt und witzig, aber auch kompetent, wenn es drauf ankommt.

Dazu ertönt ein schlimmstmöglicher Retorten-Score von Mark Mancina, der seine Herkunft aus der Fabrik Hans Zimmers mit heulenden E-Gitarren und stumpf wie Schlagzeug geführten Streichern betont. Dieser Stakkato-Stil, bei dem das Orchester klingt, als hämmere jemand besinnungslos auf Synthesizern herum, wurde damals zum Inbegriff eines neuen Blockbuster-Sounds – als mit dem Aufstieg von Michael Bay gleichzeitig Hollywoods Filmmusik unterging.

Michael Bay: Wann ist ein Mann ein Mann?

Obwohl all das, was Bad Boys auffährt, schwerlich ernst zu nehmen ist, besteht keinerlei Zweifel, dass gerade Unernst als unwahrscheinlichste Motivation eines solchen Kinos taugt. Michael Bay, dafür lieben ihn die Exegeten besonders, führt die Standhaftigkeit seiner Methoden in jedem Film erneut vor. Er mag Scherze, hasst aber Humor. Und wer seinen maskulinen Prunk ironisch rationalisierte, täte ihm absolut keinen Gefallen.

Dekoration: Téa Leoni in Bad Boys

Der größte Running Gag in Bad Boys dreht sich um Entmannungsängste von Martin Lawrence. Seine Figur fährt schlecht Auto, was offenbar Beweis ihrer unzureichenden ehelichen und gesellschaftlichen Stellung ist. Sie kommt nicht "zum Schuss", verhält sich Will Smith zufolge wie eine "keifende Ehefrau" – und wird dann, infolge der Verwechslungsgeschichte, noch für schwul gehalten. Letzteres ist die größte Demütigung, die jemandem bei Michael Bay widerfahren kann.

Im Happy End des Films muss es folglich um eine Rückeroberung abhanden gekommener Männlichkeit gehen. "Endlich weißt du, wie du zu fahren hast, von nun an fährst du nur noch so", bestätigt Will Smith den Siegeszug seines Kollegen, nachdem ihr Gegenspieler buchstäblich aus der Bahn gebracht wurde. Stolz tritt Martin Lawrence den Heimweg an, um endlich seine hart verdiente "quality time" mit der Ehefrau einlösen zu dürfen.

Freilich bleiben Aufwertungen Männersache. Zu den zwei annähernd relevanten Frauenfiguren in Bad Boys gehören eine Polizeisekretärin, auf deren Konto der ganze Schlamassel der Filmhandlung geht (sie hatte eine Affäre mit dem Handlanger des Bösewichts), und eine von Téa Leoni gespielte Undercover-Escortdame, die als Kronzeugin beschützt werden soll. Behilflich darf sie bei der Aufklärung des Falls nicht sein, es handele sich nämlich um "richtige Polizeiarbeit", betont Martin Lawrence, nicht um "3 Engel für Charlie".

Bad Boys, ein Meilenstein des Unvermögens

In den 1990er Jahren erreichte derartiger Actionkino-Sexismus eine Ungeniertheit, die heute beinahe parodistisch anmutet. Tatsächlich gelang es Michael Bay, antiquierte Frauenbilder über die Jahrtausendwende zu retten und damit gewissermaßen zu erneuern. "Er mag einfach Frauen nicht", schrieb Georg Seeßlen  allzu euphemistisch, noch bevor braungebrannte Babes mit vollen Lippen ein Accessoire der Transformers-Filme wurden.

Silvesterfeuerwerk: Action bei Michael Bay

Daher ist Bad Boys fraglos ein Meilenstein. Er markiert den Beginn der Zusammenarbeit von Michael Bay und Produzent Jerry Bruckheimer, dessen Hochglanz-Action die Muskelmaschinen des vorherigen Jahrzehnts durch Rennwagen und Kampfflugzeuge ersetzte – zugunsten eines Oberflächenkinos, das Werbe- und Musikclip-Regisseure ästhetisch so hochrüsteten, bis selbst Geschlechterstereotypen darin irgendwie gut aussahen.

An formaler Klasse schien die einstmals wichtige Hollywood-Partnerschaft erstaunlicherweise nie interessiert. Bereits sein erster Film demonstriert die patentiert defizitäre Rauminszenierung, mit der Michael Bay sich durch zusammenhanglosen und Action lediglich suggerierenden Schnitt sowie eine viel zu nah am Geschehen klebende Kamera als talentfreier Techniker in Stellung brachte.

Dass ein gerade mal 25 Jahre junger Film wie Bad Boys unter diesen Voraussetzungen heute uralt erscheint, ist keine Überraschung. Im Gegenwärtigen des visuellen Bay-Stils schlummert immer schon jene unmittelbar eintretende Gestrigkeit, die freilegt, was an steinzeitlichem Denkmuff in vorgeblich schicke Bilder floss. Am Ende bleibt ein Kino mit Verfallsdatum, schlicht rundum ranzig.

Bad Boys kam am 7. April 1995 in die US-amerikanischen Kinos. Heute kann der Film bei Netflix und Sky gestreamt werden, außerdem bieten ihn alle gängigen VOD-Dienste zum Leihen und Kaufen an. Erhältlich ist er weiterhin auf DVD, Blu-ray und 4K Ultra-HD Blu-ray.

Was haltet ihr von Michael Bay und seinen Bad Boys?

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