Better Call Saul - Wir schauen Staffel 2, Folge 9

13.04.2016 - 08:50 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
NailedAMC
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Nach langer Vorbereitung kocht es bei Better Call Saul endgültig über. Jimmy und Mike müssen zusehen, wie ihre Pläne sich gegen ihren Willen entwickeln.
Und da soll noch mal einer sagen, in Better Call Saul passiere nichts. Zugegeben, acht Folgen sind für eine Staffel mit insgesamt zehn Episoden eine ziemlich lange Zeitspanne, um die Konflikte, Wünsche und Motivationen der Charaktere mit stoischer Ruhe zu entfalten, doch die Geduld macht sich bezahlt: In Nailed prallen alle sorgfältig gesponnenen Stränge zusammen und explodieren. Alle haben sie ganz hervorragende Pläne, alle sehen ihre Vorhaben in brillanter Weise aufgehen und sie alle müssen dann doch einsehen, dass es bei aller Genialität dann doch immer diesen einen nervigen Faktor gibt, der die Leichen bringt. Eine zumindest. Vielleicht zwei.

Denn Leichen, die will hier wirklich niemand haben. Mike (Jonathan Banks) und Jimmy (Bob Odenkirk) sind noch lange nicht an den Punkt gelangt, an dem sie in Breaking Bad stehen. Zwar möchten sie auch dort so viele Tode wie möglich umgehen, doch gleichzeitig kalkulierten sie das Ableben bestimmter Individuen gewissermaßen in ihr Handeln mit ein, als ein notwendiges Übel sozusagen. Davon sind wir hier noch lange entfernt. Mikes sorgfältige Recherche hat zwar dafür gesorgt, dass die Durchführung seines Plan exakt so ablief, wie er sich ausgemalt hat, doch genau wie Jimmy unterschätzt er seinen Gegenspieler und vernachlässigt die potentiellen Konsequenzen. Es war naiv von ihm, zu glauben, dass die Polizei ohne sein direktes Einwirken von dem geplünderten Truck mitbekommt. Nun ist er zwar um eine Viertelmillionen reicher, doch hat auch, ob er es will oder nicht, eine unschuldige Person auf dem Gewissen. Denn, das dürfte er nun wirklich verstanden haben: Hector Salamanca (Mark Margolis) macht solche Spielchen nicht mit.

Auch Jimmys Plan scheint zunächst aufzugehen. Chuck (Michael McKean) muss sich vor Gericht der "worst professional humilation of my life" unterziehen. Die von Jimmy geänderten Adressen erzielen genau den gewünschten Effekt, die Verhandlung soll um sechs Wochen verschoben werden, was Mesa Verde natürlich zu viel ist, sodass sie zu Kim (Rhea Seehorn) zurückkehren. Das bezeichnende an dieser ganzen Sequenz ist, dass Chuck trotz seiner erstaunlich akkuraten Rekonstruktion der Ereignisse trotzdem alles andere als eine gute Figur macht. Erstens, weil wohl kaum eine andere Figur in dieser Serie einen eigenen Fehler derart kategorisch ausschließen würde, wie es Chuck tut und zwar noch bevor er Jimmy auf die Schliche kommt. Im Gerichtssaal ist er überzeugt davon, dass der Fehler bei seinen Klienten liegt ("You are mistaken, and with all due respect, you're muddying the waters here"), als sei es schlichtweg undenkbar, dass ihm tatsächlich ein Zahlendreher unterlaufen ist.

Zweitens, das muss ihm eigentlich auch selbst aufgefallen sein, wirkt er im späteren Gespräch mit Kim und Jimmy ganz und gar nicht mehr wie der geniale Anwalt, für den ihn alle halten. Gerade in seiner Position, als der Leibwächter des Rechtssystems schlechthin, ist es eigentlich nur peinlich, auf die Frage nach Beweisen mit "my evidence is knowing my brother for his entire life" zu antworten. In seiner zügellosen Rage ("I did not make a mistake!") klingt er manisch und größenwahnsinnig, so viel Recht er auch haben mag.

Für Jimmy ist die Sache damit erledigt, auch wenn er weiß, dass Kim seinem Bruder berechtigterweise glaubt. Die reagiert überraschenderweise entspannt. Klar, ein paar Faustschläge und betretenes Schweigen vor dem Schlafengehen, doch die erwartete zwischenmenschliche Apokalypse bleibt aus. Vielleicht ist es ihr Vertrauen in Jimmy, dass er tatsächlich keinerlei Beweise hinterlassen hat, bevor er seinen Plan zum Abschluss gebracht hat, vielleicht nährt sich ihr Verhalten auch von der Angst gegenüber dem verfrühten Karrieretod, dessen Eintreten Jimmy mindestens hinausgezögert hat. Jimmy ist in jedem Fall schon so weit, sich ganz in Ruhe schlafen zu legen, bis Kim nochmal ausdrücklich darauf hinweist, was für ein cleverer Anwalt Chuck ist ("Your brother is one smart lawyer." - "The smartest I know. I mean, no offense."), bis Jimmy merkt, dass er womöglich doch eine Lücke in der Ausführung hinterlassen hat.

Ab da an kann es selbstverständlich nur noch abwärts gehen. Genau wie Mike muss Jimmy feststellen, dass sein Plan Konsequenzen nach sich zieht, die er vorher nicht mit einberechnet hat, vielleicht sogar nicht mit einberechnen konnte. Sowohl er als auch Mike müssen dabei zusehen, wie ihre stets so sorgfältig durchdachten Vorhaben vor ihren Augen zerfallen. Wenn es nur das wäre: Das eigentliche Problem an dem katastrophalen Nachleben ist nicht nur das "Scheitern" per se, sondern die Opfer, die dieses Scheitern fordert. Ob ihr Handeln letzten Endes mehr oder weniger egoistisch ist, mag jeder für sich selbst entscheiden: Bei Mike ist es wenigstens ein namen- und gesichtsloses Opfer, doch Jimmy hat seinen Bruder "auf dem Gewissen". Ob sein Sturz auf die Tischkante tatsächlich zum Tod führt, steht in den Sternen, doch das Ergebnis dürfte letzten Endes dasselbe sein. Das Verhältnis zwischen Jimmy und Chuck wird nie wieder so sein wie es vorher war - nach all dem, was passiert, könnte man meinen, es gebe Schlimmeres. Doch Kim hat es in ihrem grandiosen Monolog bereits gesagt. Jimmy idealisiert seinen Bruder sehr viel stärker, als es den Anschein hat. Irgendwo gibt es da sicherlich auch ein Gefühl der Gegenseitigkeit. Chuck macht auch in dieser Episode deutlich, dass er registriert, dass ausnahmslos jeder eine gewisse Zuneigung zu Jimmy verspürt. Doch diese positiven Gefühle füreinander dürften sich jetzt endgültig in Hass, Verbitterung, Verachtung gewandelt haben.

"You guys aren't half as smart as you think you are."

Notizen am Rande:

- Dass Better Call Saul-Mike bis zu Breaking Bad-Mike noch eine Entwicklung durchmachen muss, macht sich in Nailed auch an anderer Stelle bemerkbar: Nachdem er die 250.000 Dollar bei sich hat, gibt er erstmal für die ganze Bar eine Runde aus. Das ist wohl alles andere als im Hintergrund bleiben.

- Spannend, wie sich die kulturellen Referenzen zwischen Chuck und Jimmy unterscheiden: Chuck weiß, dass die Adresse 1216 Rozella lautet, weil die Magna Carta 1215 unterzeichnet würde. Jimmy hingegen kennt den Pina Colada-Song und Carnac the Magnificent.

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