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Das heikle Thema "Suizid" im Medium Film

02.06.2022 - 20:48 Uhr
Die wohl bekanntesten, tragischsten und romantischsten Selbstmörder: Romeo & Julia
20th Century Fox
Die wohl bekanntesten, tragischsten und romantischsten Selbstmörder: Romeo & Julia
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"Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage" - Wer kennt nicht die berühmten einleitenden Worte zu Hamlet's Monolog? Aber hat man sich schon einmal näher mit der Bedeutung befasst? Mit dem Sinn des Weiterlebens oder des Selbstmords in schwierigen Lebenssituationen... Einige Filme haben es tatsächlich getan.

Hamlet entschließt sich letztendlich doch dazu, weiter im Leben zu verweilen - die Tragödien von William Shakespeare behandeln aber mehrfach den freiwilligen Ausstieg aus dem Leben. Während Hamlet seine Gedanken verwirft, entscheiden sich Lady MacBeth und natürlich das tragischste aller Liebespaare, Romeo und Julia, anders und wählen den Freitod.

Schon die Wahl der Bezeichnung ist ein sensibles Thema, so wird der Begriff "Selbstmord" nicht selten abgelehnt und "Suizid" bevorzugt. Wie heikel die Diskussionen also sind, lässt sich erahnen und somit auch die Kontroversen, wie man das Thema im Medium Film behandeln darf, kann oder gar soll. In einem vorherigen Blogeintrag habe ich das Subgenre des Trinkerdramas angerissen, dieses Mal möchte ich den Fokus ein wenig auf Werke legen, die einen noch sensibleren Inhalt verfolgen. Dabei gibt es aber auch eine großes Spektrum, wie man sich dem nähern kann: Als Gesellschaftsdrama, Sozialstudie, sogar Komödien widmen sich der uralten Frage.

Bevor ich einige Beispiele nenne, die mir persönlich mehr oder weniger zugesagt haben, möchte ich mich für die Rückmeldungen zu meinem "Trinkerdrama"-Artikel bedanken und hoffe, dass vielleicht der eine oder andere User selbst ein paar interessante Beiträge per Blog schreiben kann. Denn diese freie Mitarbeit macht einen hohen Reiz aus und hebt sich - meiner Meinung nach - äußerst positiv von immer stärker kommerziell beeinflussten redaktionellen Inhalten ab. Ich würde mich freuen, solche Artikel von euch zu lesen.

Mein Beitrag hier ist dieses Mal nicht so ausführlich wie mein erster Artikel, aber ich hoffe, das stört euch nicht allzu sehr und ihr könnt vielleicht den einen oder anderen Tipp mitnehmen.

Wenn ihr zum Thema "Suizid im Medium Film" noch Anmerkungen habt oder weitere Film-Empfehlungen aussprechen möchtet, nutzt bitte das Kommentarfeld, gerne exzessiv...

Thriller und Suspense

Auch aus einem sensiblen Stoff kann man - ob nun empathisch oder nicht - einen Thriller machen, einen Nervenkitzel. Natürlich kann man sich dabei verheben und das Feingefühl vermissen lassen oder allzu voyeuristisch werden, möglicherweise das Grundproblem banalisieren. Stimme am Telefon findet aber - in meinen Augen - den richtigen Ton. Inhaltlich geht es um einen Anruf bei einer Telefonseelsorge: Der weibliche Anrufer (Anne Bancroft) eröffnet dem Seelsorger (gespielt von Sidney Poitier), dass sie eine Überdosis Tabletten geschluckt hat und sich das damit das Leben nehmen möchte. Nun wünscht sie sich einfach nur ein wenig Beistand. Während Poitier um das Leben von Bancroft kämpft und mit aller Macht ihren Aufenthaltsort herausfinden möchte, wird sie immer schwächer und steht kurz vor Tod. Es ist zwar ein starker Fokus auf dem Suspense, aber immer noch mit allem nötigen Gefühl. Direkt Auge in Auge wird hingegen Paul Douglas mit Richard Baseheart konfrontiert, der in Vierzehn Stunden auf dem Sims einer Hotelfassade steht und damit droht, sich in die Tiefe zu stürzen. Der einfache Streifenpolizist muss nun dieses Szenario verhindern, weil der Selbstmordkandidat alle anderen Menschen ablehnt und nur mit ihm sprechen möchte. Im Hintergrund wird mit Hochdruck daran gearbeitet herauszufinden, um wen es sich handelt und was den jungen Mann zu diesem Schritt gebracht haben könnte.

Mit Gefühl: Eine behutsame Annäherung

Bedächtiger und auch sozialkritischer setzt sich Robert Redford in seinem Regie-Debüt mit dem Thema auseinander. Das mehrfach preisgekrönte Drama Eine ganz normale Familie stellt einen Jungen in den Mittelpunkt, der bereits einen Suizidversuch hinter sich gebracht hat, diesen aber überlebt. Nun muss er damit, aber auch mit den Problemen, die ihn zu diesem Schritt gebracht haben, zurecht kommen. Kein leichtes Unterfangen, wenn man in einer Familie lebt, die das größte Konflktpotential beherbergt, obwohl nach außen hin alles perfekt scheint - eben "Eine ganz normale Familie". Dabei behandelt Redford nicht nur den Selbstmordversuch, sondern auch die latenten Konflikte zwischen Vater, Mutter und Sohn. Während der Selbstmord(versuch) hier am Anfang der Handlung steht, gipfelt in Sofia Coppola's The Virgin Suicides - Verlorene Jugend der Konflikt - ebenfalls ein familieninterner - letztendlich in der Katastrophe. Sicherlich ist der abschließende Mehrfach-Selbstmord der jungen Schwestern nur ein Teil dieses vielschichtigen Jugenddramas, aber dennoch gehört dieses Beispiel dazu. Auch hier dient der Freitod dem Ausweg aus dem unerträglichen Leben - was dazu geführt hat, also der Weg dorthin, das ist der eigentliche Hauptaspekt dieses Filmes.

Schwarzer Humor - ein lachendes und ein weinendes Auge

Dass man mit dieser Ausgangssituation auch Komödien gestalten kann, beweisen gleich mehrere Beispiele: Der womöglich bekannteste Vertreter ist Hal Ashby's Harold and Maude. Wahrscheinlich jeder Cineast kennt die krude Romanze zwischen dem jungen Harold und der - nun ja - nicht ganz so jungen Maude, einer resoluten, alten Dame, die dem labilen und von Friedhöfen und Suizidinszenierungen besessenen Jungen die Bedeutung des Lebens zeigt. Nur um am Ende selbst einen großen Abgang zu planen... Ohne Zweifel einer der schönsten Filme, nicht nur dank Cat Stevens' musikalischer Unterstützung.

Eine weitere Schwarze Komödie kommt auch aus Europa (Dänemark in Co-Produktion) und heißt Wilbur - Das Leben ist eins der schwersten bzw. "Wilbur wants to kill himself". Schon am Titel erkennt man, worum es geht und welche tonale Richtung der Film einschlagen wird - eine Gratwanderung zwischen absurden Humor und anspruchsvoller Behandlung des Themas. Wilbur ist stark suizidgefährdet und sucht stets nach einem Ausweg aus dem Leben. Immer wieder rettet ihn aber sein Bruder Harbour, der selbst sein eigenes Leben neu aufbauen muss. Während Harbour sich verliebt und heiratet, belasten Wilburs Selbstmordversuche Harbour's Ehe - doch ein herber Schicksalsschlag ändert gegen Ende des Filmes alles... Mit Lone Scherfig inszenierte eine Frau diese Dramedy und fügt sich in die skandinavische Regie-Riege skurriler Inhalte ein.

Ebenfalls aus Nordeuropa stammt I Hired a Contract Killer von Finnlands Aki Kaurismäki. Hier liegt der Hauptanteil weniger auf der Komödie, selbst wenn es starke satirische Anteile gibt. Dennoch überwiegen vor allem eher trockene, zynische Ansätze und gegen Ende zudem ein wenig Action in einer hektischen Verfolgungsjagd mit überraschender Auflösung. Worum geht es eigentlich? Ein lebensmüder Mann will aus dem Leben scheiden, findet jedoch keinen Weg und sucht daher einen Profikiller auf, der ihn ins Jenseits befördern soll. Nur kurze Zeit später findet der Mann aber einen Sinn im Leben und will den Auftrag rückgängig machen - doch dafür ist es zu spät und ein Kampf ums Überleben steht an. Ähnlich verhält sich Dead in a Week (oder Geld zurück), der aus dem Jahr 2018 der wahrscheinlich jüngste Vertreter meiner Liste sein dürfte.

Eine ganz besondere Frage: Sterbehilfe

Ein ganz sensibles Thema des ohnehin schon problematischen Feldes "Selbstmord" ist die verwandte Frage nach der "Sterbehilfe". Das Stück Gott (von Schirach) behandelt diese Frage, mit offenem Ende und anschließender Entscheidung des Zuschauers - ein Beitrag aus der Reihe "Ihre Entscheidung". Doch auch klassische Filmbeispiele widmen sich dem - mit unterschiedlichen Ausgangslagen. Sei es der Freitod im Alter, wie bei Am Ende des Weges mit der hochkarätigen Besetzung James Stewart und Bette Davis, die der Handlung aber niemals die Show stehlen, sondern mit ihrer Präsenz in ihrem Alterswerk nur noch mehr Stärke geben, oder die freie Entscheidung nach einem Tod in Würde bei einer schweren Erkrankung oder Verletzung wie in Das Meer in mir, der als bester internationaler Film mit einem Oscar ausgezeichnet wurde. Ein ganzer Film wurde gar dem "Guru" der Sterbehilfe gewidmet, Jack Kevorkian, der in den USA gewerblich (was nicht bedeutet, dass finanzieller Vorteil erreicht wird, sondern dass fortgesetzt und nicht nur in einem Fall die Hilfe angeboten wird) Menschen mit seiner entwickelten Maschine beim Suizid unterstützte: Ein Leben für den Tod mit Al Pacino in der Hauptrolle.

Weitere Filme

Es gibt noch eine Menge weiterer Filme, auch solche, die sich nicht unbedingt in ein Schema einordnen lassen, wie das BioPic Mishima von Paul Schrader. Das reicht von dokumentarähnlichen Beiträgen wie 2:37 bis hin zu Mystery-Anklängen in Eine reine Formalität.

Und wenn man mal nachdenkt, geht es sogar in "unschuldigen" Herzensfilmen wie Ist das Leben nicht schön? um viel mehr. Also viel Spaß - wie auch schon bei den Trinkerfilmen ein Wunsch, der wahrscheinlich anders ausgedrückt werden sollte - mit so verschiedenen Filmen, den bisher ein wenig näher besprochenen oder auch unterschiedlichsten Vertretern wie Furyo - Merry Christmas, Mr. Lawrence, A Long Way Down, Suicide Circle, Das Irrlicht oder seinem norwegischen Verwandten Oslo, 31. August... oder auch Hamlet und Romeo und Julia!

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