Für so gut wie alle Phänomene gibt es Vorzeichen. So wie die Apokalypse ihre vier Pferdenarren hat, deuten bestimmte Entwicklungen auf ein kreatives Loch des westlichen Event-Kinos hin, dessen Ausmaße wir zur Zeit nur erahnen können. Für alle Pessimisten ist die Sequel-Manie einer der Reiter der filmischen Apokalypse und einen weiteren können wir ab dem 1. September in freier Wildbahn erleben. Dann startet Die drei Musketiere in den deutschen Kinos, das jüngste Beispiel für einen geliebten, wenn auch alten Schinken, der auf Biegen und Brechen aufgemotzt wurde. Die filmischen Modernisierungen von Klassikern sind seit einer Weile in Mode. Die große Welle (oder Apokalypse?) steht uns erst noch bevor.
Von Zombiepiraten und Meisterdetektiven
Vielleicht war Barry Sonnenfeld seiner Zeit voraus, vielleicht war Wild Wild West aber auch ein verdammt mieser Film. Folgen wir den Wurzeln gegenwärtiger und zukünftiger reimaginings, die klassische Stoffe aufgreifen, mit anderen Genres vermixen und eine Ladung Spezialeffekte drauflegen, landen wir zwangsläufig bei dem ziemlich furchtbaren Steampunk-Western mit Will Smith und Kevin Kline. Der 170 Millionen Dollar teure Flop ist sicher nicht der Grund, warum sich die Drei Musketiere nun in 3D durchs Kino fechten. Vielmehr stellt er einen der frühen Versuche dar, ein altbackenes Genre entsprechend der genannten Vorgehensweise für junge Zuschauer attraktiv zu machen. Er scheiterte zu Recht, doch damit war das Konzept nicht gestorben.
Wenige Jahre später scheffelte ein weiterer Versuch namens Fluch der Karibik einen riesigen Haufen Kohle. Die Zuschauer hatten entschieden, weswegen wir dieses Jahr (leider) nicht die das vierte Abenteuer von Master & Commander – Bis ans Ende der Welt im Kino bewundern durften. Wenn es also einen Film gibt, den wir für Die drei Musketiere an den Pranger stellen sollten, dann ist es das Zombiepiratenabenteuer. Der totgeglaubte Mantel- und Degen-/Piratenfilm wurde durch die Kombination mit dem Zombiegenre und von Sequel zu Sequel übertriebeneren Spezialeffekten salonfähig gemacht. Natürlich hatte Johnny Depp einen gigantischen Anteil am Erfolg, die Ausrichtung des Genres an den Prämissen moderner Blockbuster ist aber ebenso wenig zu unterschätzen (siehe Master & Commander).
In der Folge wurde das Konzept von angestaubten Genres auf angestaubte Klassiker ausgeweitet und so erlebte sogar der zuvor ins Fernsehen verbannte Sherlock Holmes eine gelungene Wiederbelebung. Nun, im Jahr 2011, stecken wir mitten in diesem Trend, stecken wir wortwörtlich zwischen der entfernten Wild Wild West-Verwandtschaft Cowboys & Aliens sowie den Drei Musketieren mit ihren 3D-Luftschiffen und der in Zeitlupe herumballernden Milla Jovovich. Weil die böse Jugend historische Stoffe anscheinend nur in dieser Form erträgt. Oder sowas in der Art.
Was haben der Zauberer von Oz, Frankenstein und Jane Austen gemeinsam?
Sicherlich sind die Modernisierungen nicht automatisch dazu verdammt, zu unseren Hassfilmen zu werden. Doch was nützt eine Alexandre Dumas-Verfilmung, wenn die Musketiere kaum eine Rolle spielen? Vielleicht fühle ich mich auch einfach nur alt, weil ich mit den Abenteuern von Oliver Reed und Michael York, von, das sei zugegeben, Charlie Sheen und Kiefer Sutherland aufgewachsen bin. Aus irgendeinem Grund waren damals einfache Abenteuergeschichten mit etwas Witz und netten Actionszenen absolut ausreichend.
Die griesgrämige alte Cineastin in mir freut sich jedenfalls nicht auf all die reimaginings literarischer und anderer Klassiker, die in nächster Zeit auf uns zukommen. Da wären die gefühlten zig tausend Märchenfilme für die Twilight-Crowd, die ihre Quellen höchstwahrscheinlich bis zur Unkenntlichkeit verändern, über die ich an anderer Stelle geschrieben habe. Dann sind da noch die semi-postmodernen Crossover-Projekte, die mal mehr (Stolz und Vorurteil und Zombies), mal weniger (Abraham Lincoln Vampirjäger) attraktiv erscheinen. Hinzu kommen Prequels und Sequels literarischer Klassiker (Die fantastische Welt von Oz, This Dark Endeavor…), die spätestens seit Alice im Wunderland von Tim Burton als profitabel, wenn auch nicht als gut gelten.
Warum so schlecht gelaunt?
Eigentlich ist es ja mal ganz nett, etwas anderes im Kino serviert zu bekommen, als Superheldenfilme und Remakes. Andererseits gehen die aufgemotzten, kaum noch zu erkennenden Klassiker nach dem selben Prinzip vor. Das – aus Sicht des Marketings – Attraktive an einem Film wie Die drei Musketiere ist, dass der Titel dank der Berühmtheit seiner Vorlage geläufig und somit leicht zu merken ist. So gut wie jeder Zuschauer hat zumindest eine vage Vorstellung davon, was Die Drei Musketiere sind (drei… Musketiere?). Außerdem spart das Alter des Originals und der lange zurückliegende Tod von Alexandre Dumas, dem Älteren weiteres Geld, das auch für C.G.I.-Luftschiffe ausgegeben werden kann.
Eine Handvoll der genannten Projekte wird uns vielleicht dermaßen begeistern, dass wir über das kreative Armutszeugnis, welches ihrer Produktion zu Grunde liegt, hinwegsehen. Der große Rest wird dafür wieder einmal die These bestätigen, dass die Bedeutung von wiedererkennbaren Marken um jeden Preis das Verlangen nach originellen Ideen und Geschichten im amerikanisch geprägten Mainstream-Kino im Großen und Ganzen verdrängt hat.
Ich habe meinen Frust herausgelassen. Aber was haltet ihr von der Invasion der aufgemotzten Klassiker?