Fangirl vs. Basherboy - The Social Network

22.02.2011 - 08:50 Uhr
Oscar 2011
Academy of Motion Picture Arts and Sciences
Oscar 2011
5
6
Ist The Social Network ein Meisterwerk oder nur eine Auftragsarbeit? Hat Jesse Eisenberg einen Oscar verdient oder bedient er ausdruckslose Klischees? Und was hat das alles mit Lego zu tun!? Jenny und Orlindo streiten über den Oscarfavoriten.

Wenn wir nicht gerade am Schreiben von Artikeln sind, diskutieren wir leidenschaftlich übers Kino und The Social Network ist ein ewiges Thema. Am Sonntag könnte der Film von David Fincher beim Oscar gekrönt werden. Deshalb schmeißen wir jetzt alle Objektivität aus dem Fenster und streiten über Für und Wider, Pro und Kontra, Reissäcke und Autistenausverkäufe.

Meisterregisseur vs. Handwerker
Jenny: Die Filme von David Fincher haben in der Vergangenheit vor allem eines präsentiert: David Fincher. Kein filmischer Trick war ihm zu schade für seine männlichen Schmachtfetzen für verzweifelte 25-jährige IKEA-Käufer. In The Social Network hat er endlich großes Kino abgliefert, nicht die übliche David Fincher-Show. Seinen Stoff untergeordnet, aber nicht unsichtbar, setzt er die drei Zeitebenen virtuos um, ohne damit zu prahlen, wie er es tut. Versinken kann ich in The Social Network, ohne einmal an den Regisseur denken zu müssen.

Orlindo: In der Tat, erst als David Fincher anfing, zum Handwerker vom Dienst zu verkommen, konnte er die ersten Oscar-Nominierungen für sich verbuchen – siehe Der seltsame Fall des Benjamin Button, mit dem er sentimentales Gefühlskino der penetrant klebrigen Art bot. Von der Sorte, wie wir sie ansonsten nur von Ron Howard kennen. Würde David Finchers Name nicht den Film zieren, hätte ich The Social Network als Regiedebüt eines beliebigen Serienregisseurs eingestuft, der einfach brav die Zeit zwischen Action und Cut absitzt und das geschliffene Drehbuch und die Schauspieler arbeiten lässt. Eine Regieleistung war schlicht nicht festzustellen, im Gegensatz zu einem anderen verpönten Regisseur, dessen Leistung die Academy aufgrund eines Massenphänomens nicht angemessen gewürdigt hat.

Bild der Zeit vs. Marketing Coup
Jenny: Was haben wir die Stirn gerunzelt, als bekannt wurde, dass David Fincher nach F. Scott Fitzgerald den Facebook-Film dreht. Dunkle Erinnerungen an Hackers – Im Netz des FBI kamen da hoch. Doch The Social Network ist eine brillante Analyse des Menschseins im 21. Jahrhundert, in dem Beziehungen alles sind, der filmische Mark Zuckerberg jedoch perfekt verkörpert, was an unserer modernen Definition von “Beziehung” so verkrüppelt ist.

Orlindo: Der alte Drehbuch-Trick: Wenn es an zugkräftiger Handlung fehlt, wird der Schwerpunkt auf die Charaktere verlagert. Was sich im Falle von Mark Zuckerberg natürlich besonders anbietet, der als offensichtlich sozial unterentwickelter, nicht anpassungsfähiger Halbautist seine Umwelt unentwegt vor den Kopf stößt – und sei es nur im Film. Die Plattform Facebook ist nicht mehr als der Aufhänger und Stichwortgeber, der ach so geniale Facebook-Film ist letzten Endes vor allem eines: eine Charakterstudie eines Menschen, der Opfer seiner selbst wurde.

The Social Network vs. Inception
Jenny: Aber dieses Jahr führt kein Weg vorbei an The Social Network! Während Hollywood in einer kreativen Flaute voller Remakes und Reboots steckt, ist The Social Network ein ästhetisches wie inhaltliches Wagnis. Drei Zeitebenen, die Hauptfiguren Computer-Nerds, die Entstehung einer Website (kein Mittel gegen Krebs, nicht mal eine Rede an die Nation) im Zentrum, dazu die vielen Anwälte! So trocken wie ein Sack Reis hätte der Film werden können: Stattdessen sehen wir ein flinkes, dialogstarkes Stück Kino, technisch brillant in seiner subtilen Parallelisierung der Ereignisse. Das ist nicht radikal, aber eine perfekte Lehrstunde visueller Erzählkunst. Nimm das, Christopher Nolan!

Orlindo: The Social Network ist weder Remake noch Reboot, sondern was viel Besseres: eine Buchverfilmung, welch eine Hollywood-Offenbarung! Drei Ebenen, Hauptfiguren, die Nerds sind in dem, was sie tun, eine absolut nichtige Rahmenhandlung, ein Programm, dass Menschen miteinander verbindet und jede Menge Anzugträger. Ich habe ein Déjà-Vu…

Subtile Künstler vs. Klischee-Autist
Jenny: Jesse Eisenberg hat die unglaublich schwierige Rolle, einen Mann zu spielen, der sein wahres Ich nicht zeigt, der mit menschlichen Beziehungen umgeht wie mit Algorithmen. Mark Zuckerberg ist in The Social Network oftmals eine blanke Maske. Kein Ausdruck ist darin zu sehen, wenn überhaupt glimmt es in seinen Augen, wenn die Rädchen sich drehen, wenn die Rechenmaschine tickt und zu verarbeiten sucht, welcher Satz das Gegenüber diesmal verletzt hat. Jesse Eisenberg spielt Mark Zuckerberg als einen Schöpfer, der seiner Kreation immer ähnlicher wird. Das ist leicht zu unterschätzen, das ist aber auch ungemein subtil für so einen jungen Schauspieler.

Orlindo: Jesse Eisenberg tut im Film in erster Linie eines: eine “unglaublich schwierige” Rolle verkörpern, die eine Abwandlung seines üblichen Stereotyps darstellt. Schön und gut, schließlich tut Woody Allen auch nichts anderes. Aber mit seiner “Autisten aus dem Ausverkauf” Performance in The Social Network würde Jesse Eisenberg von mir nicht mal einen goldenen Lindt-Schokohasen bekommen.

Citizen Kane vs. Lego
Jenny: Meisterhaft in seiner Konstruktion ist The Social Network und fast schon klassisch in seiner Anlehnung an Citizen Kane. Mit der Vorlage von Aaron Sorkin steht oder fällt der Film. Er bleibt stehen. Und wie!

Orlindo: Die Dialoge sind wie Pfeilspitzen, die dem Zuschauer entgegen schießen. Zündstoff, der die Schauspieler antreibt. Aaron Sorkin lieferte mit seinem Drehbuch praktisch eine 120-seitige Legoanleitung, die Stein für Stein den anderen Beteiligten erklärte, was sie zu tun und zu lassen hatten. Also ja, dieser Oscar sei Aaron Sorkin gegönnt und wird von mir auch zähneknirschend als Ehrung für den Film gebilligt.

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News