Gary Oldman - Ein Chamäleon kommt zur Ruhe

20.01.2012 - 08:50 UhrVor 12 Jahren aktualisiert
Gary Oldman brilliert in Dame König As Spion
StudioCanal
Gary Oldman brilliert in Dame König As Spion
13
34
Er ist einer der beliebtesten Schauspieler der letzten Jahre, trotzdem war Gary Oldman nie der Mann fürs Rampenlicht. Zum Kinostart von Dame König As Spion widmen wir dem Chamäleon ein Porträt.

Er steht absolut still. Das Parkett knarzt ein wenig. Ansonsten herrscht Ruhe. Er wartet. Er wartet auf jemanden, um genau zu sein. Und wir warten mit ihm, mit George Smiley (Gary Oldman), bis zum Anschlag gespannt auf die Auflösung. Dame König As Spion lebt von diesen Momenten des Stillstands, in denen eine Figur nachdenkt, wartet, in denen Blicke zugeworfen und interpretiert werden, ohne dass darüber auch nur ein Wort fällt. Der Agententhriller von Tomas Alfredson ist ein Meisterwerk des Minimalismus und wenn einer Anteil an seinem Gelingen hat, dann ist es der exzellent aufspielende Gary Oldman.

Touch of Evil
Stillstand ist allerdings nicht das erste Wort, nach dem die klassischen Gary Oldman-Figuren schreien. Mit seinem Kinodebüt Sid & Nancy gab er vielmehr das Tempo vor, das seine Helden und Bösewichte oft durchs Leben treibt. Exzentrische Chaoten wie der Sex Pistol Sid Vicious scheinen dem Oldman der 80er und 90er Jahre auf den Leib geschneidert. Da chargiert er sich durch die verrücktesten Verkleidungen und Dialekte, oftmals selbst bis zur Unkenntlichkeit verborgen unter der Maske und auch vorm Overacting macht er nicht halt. Die großen Rollen tragen tendenziell pompös abgefahrene Namen wie Graf Dracula (Bram Stoker’s Dracula), Jean-Baptiste Emanuel Zorg (Das fünfte Element), Drexl Spivey (True Romance), Bex Bissel (The Firm), Ludwig van Beethoven (Ludwig van B. – Meine unsterbliche Geliebte) und natürlich Lee Harvey Oswald (JFK – Tatort Dallas). Sein psychopatischer Stansfield aus Léon – Der Profi wirkt mit seinen schweißgebadeten Zuckungen, als wäre jede Faser seines Körpers von Drogen durchzogen. Es ist die brodelnde Energie unter der längst geborstenen Oberfläche, welche Stansfield so bedrohlich und zu einem der besten Bösewichte überhaupt macht.

Das soll nicht heißen, Gary Oldman wäre kein vielseitiger Darsteller. Ganz im Gegenteil, er ist und bleibt einer der besten, die die britischen Inseln in den letzten Jahren hervorgebracht haben und womöglich der beste seiner Generation. Die Intensität, mit der er sich auf dem Höhepunkt seiner Karriere in den 90ern in seine Rollen warf, führte diese oftmals an den Rand des Kollaps, als könnten sie jederzeit in ihrer eigenen Energie verbrennen. Demgegenüber stehen die kleinen aber feinen Figuren wie sein naiver Rosenkrantz in Rosenkranz und Güldenstern von Tom Stoppard, der ein ums andere Mal haarscharf an naturwissenschaftlichen Entdeckungen (und dem Big Mac) vorbeischrammt. Es ist eine seiner besten, weil weichsten Rollen, in der er außerdem sein komödiantisches Timing unter Beweis stellt. Scheint er sich in anderen Filmen geradezu zwanghaft hinter den Manierismen seiner Figuren verstecken zu wollen, liefert er sich hier ganz frei und ungekünstelt ein entspanntes Duell, oder besser gesagt, ein verbales Tennismatch mit dem ebenso gut gelaunten Tim Roth als Guildenstern. Die beiden hatten zuvor in der TV-Produktion Meantime von Mike Leigh ihre ersten Schritte im Filmbereich gewagt.

Auf den Spuren von Alec Guinness
Was da in ihm brodelte, das konnten die Zuschauer in seinem Regiedebüt Nil by Mouth erahnen, in dem er den trunksüchtigen und gewalttätigen Ray Winstone durch die Sozialbauten seiner Kindheitserinnerungen jagt. Der düstere Blick auf das Leben der Unterschicht im gar nicht mehr groß wirkenden Britannien wird häufig dank seiner Rohheit als einer der besten britischen Filme aller Zeiten gehandelt. Es ist der bisher einzige Spielfilm, bei dem Gary Oldman Regie geführt hat. Dabei wäre es sicherlich interessant, welchen Stoff er im neuen Jahrtausend umsetzen würde. Denn in den letzten Jahren scheint Gary Oldman zur Ruhe gekommen zu sein, ohne verbraucht zu wirken. Angefangen mit seinem republikanischen Schnüffler im Politthriller Rufmord – Jenseits der Moral zeigt er sich in seinem Spiel zurückhaltender. Sympathieträger bevölkern nun seine Filmografie wie der zu Unrecht verurteilte Sirius Black (Harry Potter und der Gefangene von Askaban) und der aufrechte Polizist Jim Gordon (Batman Begins). Es sind keine einfachen Figuren, aber sie bereichern das Oldman’sche Spiel um eine bisher kaum gekannte Facette: väterliche Wärme.

Verlernt hat er die Bösewichte natürlich nicht, wie in The Book of Eli zu sehen. Sein George Smiley aber, der in Dame König As Spion nahezu emotionslos vergeistigt die Spitze des britischen Geheimdiensts auf einen Maulwurf durchwühlt, dieser George Smiley wäre Mitte der 90er eine undenkbare Gary Oldman-Rolle gewesen. Wahrscheinlich bekommt er auch dieses Jahr keinen Oscar. Wo er sich früher geradezu in die Erinnerung hineinprügelte mit seinem Spiel, agiert er nun zu subtil, zu fein, zu still für einen Preisregen. Das ist gar nicht weiter schlimm. Denn einen Oscar brauchen wir nun wirklich nicht, um das Talent von Gary Oldman schätzen zu lernen.

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News