Gespräch mit Oskar Röhler über Lulu & Jimi

20.01.2009 - 08:30 UhrVor 13 Jahren aktualisiert
Roehler, Oskar
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Roehler, Oskar
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Regisseur Oskar Roehler über seine Arbeit bei Lulu & Jimi – der biographische Hintergrund.

Regisseur Oskar Roehler feiert morgen seine 50. Geburtstag. Übermorgen kommt sein neuer Film Lulu und Jimi in die Kinos: Kann es ein besseres Geburtstagsgeschenk geben? Hier beantwortet er Fragen zum Film.

Gibt es einen biographischen Hintergrund zu Inhalt, Zeit oder Ort der Geschichte?
Das hat einen ganz klaren familiären Background. Ich bin bei meinen Großeltern mütterlicherseits aufgewachsen. Der Großvater war Siemensdirektor – genauso stand es oben auf seinem Briefkopf: Siemensdirektor. Die Großmutter war eine kleine, auf Madame gemachte Frau, die unglaublich viel Zeit damit zugebracht hat, ihre Frisur in Form zu bringen und das Haus einzurichten – natürlich in völliger Frustration, weil die Ehe schon seit 20, 30 Jahren nicht mehr funktionierte. Das ganze vermuffte “fränkische Barock”-Idyll inklusive nierenförmigem Swimmingpool. Ein anderes Beispiel für eine biographische Verankerung ist die Szene, in der Lulu ins Wasser geht, um sich ihr Baby wegzumachen.

Während der Arbeit an Die Unberührbare, las ich ein Interview mit meiner Mutter von 1990 oder 91, das sie einem Journalisten für die Zeitschrift “Tempo” gegeben hat. Darin legt sie in ihrer schon damals völlig abgehobenen Art dar, wie weit ihr Kinderhass ging. Sie erzählte, dass sie irgendwann im kalten November in einen See gegangen ist, um ihr Kind loszuwerden. Ich hab es nun auf eine andere Art und Weise in den Film rein gebracht. Überhöht, und in eine märchenhafte Form verwandelt.

Wie haben Sie Ihre beiden Hauptdarsteller gefunden?
Wir hatten endlos lang gecastet und immer noch nicht die “richtige” Besetzung für Jimi gefunden, als ich eines Morgens die “Gala” aufschlug und diesen bildschönen schwarzen Mann, mit leuchtenden Augen, einem strahlenden Lächeln, einer Wahnsinnsfigur sah. Er stand neben dem Supermodel Elle MacPherson. Die beiden flirteten ganz offensichtlich miteinander. Es war der Schauspieler Ray Fearon.
Die Produzentin Gabriela Sperl und ich sind sofort für ein Casting nach London geflogen. Wir waren völlig begeistert und überzeugt, endlich den Richtigen gefunden zu haben. Er war einfach genial. Und Jennifer Decker hat mich beim Casting in Paris einfach aus den Socken gehauen. Sie hat so hinreißend gespielt, dass ich kurz raus musste, weil mir die Tränen kamen. Ich war völlig begeistert, so eine außergewöhnliche Schauspielerin gefunden zu haben.

Und die anderen Darsteller? Lulu und Jimi ist hochkarätig besetzt. Nach welchen Kriterien suchen Sie aus?
Ich wollte starke und markante Charaktere. Ich liebe Charaktere. Ich bin zum Beispiel ein Fan von diesen Gast- und Nebenrollen in amerikanischen Filmen, wenn plötzlich Charakterköpfe wie Mickey Rourke, Dennis Hopper oder Chris Cooper auftauchen. Irgendwo haben die etwas mit mir zu tun, habe ich das Gefühl. Eine Art Seelenverwandtschaft. Die geben jedem Film so einen Glanz und verleihen ihm etwas anderes, als wenn man Plastikfernsehgesichter nimmt.

Ich hatte großes Glück, dass so ausgeprägte und markante Schauspielerpersönlichkeiten wie Katrin Sass, Rolf Zacher, Udo Kier oder Hans-Michael Rehberg Zeit und Lust hatten bei Lulu und Jimi mitzuspielen. Katrin Sass z.B. ist eine Schauspielerin, die minutenlang den Raum füllen kann, an der die Kamera klebt. Sie hat eine unheimliche Ausdruckskraft, etwas von diesen Bette Davis oder Gloria Swanson -Qualitäten.

Ihr Kameramann Wedigo von Schultzendorff hat auffallend schönes Licht gesetzt und große Sorgfalt auf die Farbkomposition gelegt. Wie kam es zu ihrer Zusammenarbeit?
Wedigo ist ein wahnsinnig erfahrener, brillanter Kameramann, der es versteht ein wirklich phantastisches Licht zu setzen. Es ist kein deutsches Licht, das er macht, das ist ein Hollywood-Licht. Was ich an Wedigo so sehr schätze, ist, dass er auch sehr klar bündeln und auf den Punkt bringen kann. Wir hatten zum Beispiel eine ganz explizite Auflösung, die sehr ins Detail ging, und haben irgendwann festgestellt, dass die Bilder viel mehr Kraft besitzen, wenn man diese komplizierte Fernsehdramaturgie einfach komplett verlässt und auf’s große Kino geht.

Wie war die Zusammenarbeit mit der jungen Produktionsfirma Sperl + Schott?
Gabriela Sperl und ich kennen uns schon seit vielen Jahren, noch aus der Zeit als sie beim Bayerischen Rundfunk war. Sie ist eine herausragende Persönlichkeit. Eine von diesen seltenen Produzenten in Deutschland mit Weitsicht, die begeisterungsfähig und loyal sind, sich nicht mit kleinlichen Bedenken aufhalten, sondern mit kämpferischem Elan und offenem Visier Hindernisse aus dem Weg schaffen und sich als Partner des Regisseurs verstehen.

Ich hatte in ihr ein inspirierendes Gegenüber, mit dem man auch künstlerische Fragestellungen auf Augenhöhe diskutieren kann. Dazu kommt, dass sie unglaublich gut vernetzt ist, was bei der Umsetzung von Lulu und Jimi Gold wert war. Genau wie ihr Geschäftspartner Uwe Schott, der die seltene Fähigkeit besitzt, Unmögliches möglich zu machen, auch unter schwierigsten Bedingungen. Die beiden sind ein echtes Dreamteam.

Copyright: Mit Material von X Verleih AG

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