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Herrscher der Zeit

01.04.2015 - 10:30 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
"Die Zeitmaschine": Rod Taylor als Zeitreisender
Metro-Goldwyn-Mayer
"Die Zeitmaschine": Rod Taylor als Zeitreisender
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An wunderbaren Community-Aktionen kann ich einfach nicht vorbei gehen. Und hiermit kommt auch mein erster Beitrag zu "Blog me if you can": Zeitreisen! Und wer würde es nicht gerne können? In der Zeit vor- und zurück zu reisen hätte so viele interessante Möglichkeiten. Welche anderen Technologien würde man beim Besuch in der Zukunft noch entdecken? Oder man könnte lebende Dinosaurier sehen, Hitler vor seinem Aufstieg zum Diktator stoppen und die eigenen Ururenkel besuchen. So vieles ist denkbar; was sich natürlich auch in einer großen Anzahl an fantastischen Filmen widerspiegelt.

Die Themenvorgabe "Zukunftstechnologien" hat es mir nicht so leicht gemacht. Ich habe mir zunächst überlegen müssen, welche Technologie mich persönlich am stärksten interessiert. Teleportation wie beispielsweise in Die Fliege? Weltraumreisen wie in 2001: Odyssee im Weltraum? Selbstfahrende oder gar fliegende Autos wie in Blade Runner? Oder doch lieber...??? Aber dann hatte ich es: Zeitreisen! Das ist es!

Die erste wichtige Frage ist jedoch: Sind aus wissenschaftlicher Sicht betrachtet Zeitreisen eigentlich möglich? Einige ernstzunehmende Theorien, vor allem natürlich die Allgemeine beziehungsweise die Spezielle Relativitätstheorie, legen es nahe, dass geeignete Geometrien der Raumzeit oder bestimmte Arten von Bewegungen im Raum eine Zeitreise in die Vergangenheit oder Zukunft denkbar machen könnten. Das setzt jedoch voraus, dass diese Geometrien oder Bewegungen möglich und für menschliche Zwecke nutzbar wären. Und da liegt der Knackpunkt. Eine Krümmung der Raumzeit ist jedoch absolut möglich, sodass gewisse Effekte wie Zeitdilatation tatsächlich real sind. Es konnte beispielsweise bewiesen werden, dass die Zeit auf der Erde etwa um den Faktor 0,0000000007 langsamer vergeht als im näherungsweise gravitationsfreien All. Das ist natürlich ein sehr geringer Unterschied, aber größere Massen als die der Erde müssten die Zeit noch stärker verlangsamen. Konkrete Zeitreise (also gezieltes Hin- und Zurückreisen in Gegenwart und Zukunft) ist deswegen aber noch lange nicht plausibel. Ein anderer Ansatz besagt, dass für einen gleichförmig bewegten Beobachter bzw. wenn er in einem Bezugssystem ruht, jede relativ zu ihm bewegte Uhr aus seiner Sicht langsamer geht. Die Zeitdilatation ist dann umso stärker, je größer die Relativgeschwindigkeit der Uhr ist. Dies wird in der Realität erst relevant, wenn diese Relativgeschwindigkeit im Vergleich zur Geschwindigkeit des Lichtes (etwa 300.000 km pro Sekunde) nicht mehr vernachlässigbar klein ist. Und da wären wir wieder bei dem Problem der technischen Durchführbarkeit. Ich persönlich zweifele überhaupt nicht an den Theorien. Die dürften wohl stimmen. Allein an die technische Umsetzung glaube ich wohl eher nicht. Aber das theoretische Konstrukt Zeitreise kann man ja trotzdem als gegeben hinnehmen und wundervolle Romane oder Filme daraus machen.

Die Zeitmaschine von H.G. Wells

Der wohl bekannteste Roman zum Thema Zeitreise dürfte wohl Die Zeitmaschine von H.G. Wells sein. Fast jeder dürfte entweder den Roman, den Wells bereits 1895 veröffentlichte, gelesen oder wenigstens eine der Verfilmungen gesehen haben. Ob man nun den von 1960 stammenden Die Zeitmaschine von George Pal mit Rod Taylor in der Hauptrolle oder die 2002-Version The Time Machine von Simon Wells (tatsächlich ein direkter Nachfahre des Schriftstellers) mit Guy Pearce bevorzugt ist zwar Geschmacksache und beide Filme haben vielleicht einige Schwächen oder weichen in bestimmten Details von der Vorlage ab, aber der Roman ist wegweisend. H.G. Wells benutzte seine dystopische Geschichte rund um einen Zeitreisenden aus dem 19.Jahrhundert, der in der fernen Zukunft eine Gesellschaft aus oberirdisch lebenden Eloi und unterirdischen Morlocks entdeckt, um eine Kritik an vorherrschenden Klassenunterschieden zu veranschaulichen. In beiden bekannten Verfilmungen (es gibt jedoch noch einige mehr) wurde dieser entscheidende Aspekt jedoch leider sträflichst vernachlässigt.

Herrscher der Zeit

Ein weiteres hervorragendes Beispiel für literarische Zeitreisegeschichten wäre vielleicht die Geschichte L'Orphelin de Perdide (Der Waisenjunge von Perdida) vom französischen Science-Fiction-Autor Stefan Wul , der eigentlich Pierre Pairault hieß. Aus dessen Vorlage von 1958 machte der französische Filmemacher und Künstler René Laloux im Jahre 1982 den wundervollen Animationsfilm Herrscher der Zeit (Les Maîtres du temps). Auch Laloux's erster Spielfilm Der phantastische Planet aus dem Jahre 1973 basiert auf einer Vorlage von Wul. Laloux's dritter und letzter Langfilm war dann der Vollständigkeit halber übrigens Gandahar von 1988. Zusätzlich produzierte der Franzose noch eine Reihe von Kurzfilmen. Aber mein Text soll sich hier lediglich mit Herrscher der Zeit beschäftigen.

"Herrscher der Zeit" von René Laloux

Der Film dreht sich um den kleinen Jungen namens Piel, der auf dem einsamen Planeten Perdida gestrandet ist. Dort leben (neben anderen fremdartigen Wesen) riesige tödliche Hornissen, die bereits Piels Eltern getöten haben. Er wartet auf Rettung durch eine Gruppe von Leuten zu denen er mittels Empfangsgerät Kontakt hat. Die Gruppe besteht aus dem Weltraumpiloten Jaffar, dem im Exil lebenden Prinzen Matton, dessen Schwester Belle, Jaffars altem Freund Silbad sowie den freundlichen Gnomen Jad und Yula. Sie versuchen schnellstmöglichst Perdida zu erreichen und müssen dabei eine Reihe von Abenteuern erleben.

Jetzt mag sich manch ein Leser zu recht fragen, was das Ganze nun mit Zeitreisen zu tun hat und warum der Film den Titel Herrscher der Zeit trägt. Die titelgebenden Herrscher sind eine bizarre, geflügelte humanoide Rasse von Außerirdischen, die auf ihrer Mission, fremde Planeten zu besiedeln, die Technik der Zeitreise verwenden, um die Umwandlung der vorherrschenden Atmosphäre in einen für sie besser geeigneten Zustand zu beschleunigen. Diese nun scheinbar zur Haupthandlung wenig relevanten Nebenaspekt, wird jedoch im Verlauf von größter Bedeutung sein. Ich möchte jedoch an dieser Stelle nicht allzu sehr ins Detail gehen, da ich dann den Lesern, die den Film noch nicht kennen, etwas zu viel verraten müßte. Und das würde ihnen dann eventuell den Filmgenuss kaputt machen. Trotz dieser Problematik wählte ich diesen Film für diesen Artikel aus, da er einfach wunderschön animiert ist, sehr emotional beeindruckt und der für mich persönlich prägenste filmische Beitrag zum Thema Zeitreise darstellt.

Das Animationsdesign zu Herrscher der Zeit wurde übrigens vom französischen Comickünstler Mœbius  (eigentlich Jean Giraud) entwickelt. Mœbius gilt als einer der einflussreichsten Vertreter der Comicszene. Er zeichnete sowohl klassische, frankobelgische Abenteuercomics wie beispielsweise Leutnant Blueberry, arbeitete teilweise sogar im amerikanischen Bereich (z.B. bei Marvel an Silver Surfer zusammen mit Stan Lee) und schuf anspruchsvolle Comicliteratur, bei der er sich einer assoziativen Bildsprache bediente. Seine fantastischen Werke, die größtenteils im Science-Fiction-Genre angesiedelt sind, sind nicht selten von experimentellen Erzähltechniken geprägt. Sehr häufig arbeitete Giraud für die Filmindustrie, wo er beispielsweise die Raumanzüge für Alien entwarf oder das Design für Filme wie Tron, The Abyss oder Das fünfte Element entwickelte.

Was gibt es noch so?

Nach diesen Abschweifungen möchte ich nochmal kurz zu den Zeitreisen zurückkehren. Natürlich beinhaltet die lange Liste an Zeitreisefilme viel prominentere Vertreter, die größtenteils im Science-Fiction-Bereich angesiedelt sind, wie beispielsweise die Terminator-Reihe, die Filme rund um den Planet der Affen (insbesondere Teil 1 und 3), 12 Monkeys oder Das Philadelphia-Experiment. Und ja, natürlich auch Zurück in die Zukunft... Wahrscheinlich fällt jedem noch eine große Anzahl weiterer Filme zum Thema ein.

Es gibt aber auch interessante Filme mit gänzlich anderen Ansätzen als die typischen Science-Fiction-Themen. Einige Beispiele: Komödien wie Midnight in Paris von Woody Allen, Mysterydramen wie Frequency von Gregory Hoblit oder Liebesfilme wie Das Haus am Meer - Il Mare von Lee Hyun-seung. Auch sehr schön ist der japanische Anime Das Mädchen, das durch die Zeit sprang von Mamoru Hosoda.

Leider sind Drehbücher bei einer großen Anzahl von Zeitreisefilmen eher schwach. Ein gutes Skript zum Thema Zeitreise zu verfassen ist auch wahrlich nicht einfach. Allzu schnell schleichen sich Schnitzer ein. Man will ja kein Zeitparadoxon schaffen, nicht wahr? Oder der Anspruch, gleichzeitig einen spannenden wie unterhaltsamen als auch logisch korrekten Film zu schaffen, tritt sich womöglich selbst auf die Füsse. Gerade das moderne Hollywood-Kino zeigt da oftmals wie man es vielleicht besser nicht machen sollte. Aber das ist selbstverständlich Geschmackssache!

Doch nicht nur in Romanen oder im Kino lassen sich Zeitreisegeschichten finden. Natürlich hat auch die Welt der Comics da viel zu bieten. Ein sehr gutes Beispiel wäre da Universal War One  von Denis Bajram, eine sechsteilige Albenreihe aus Frankreich, die sich unter anderem mit Zeitdilatation und -reise beschäftigt. Vor einiger Zeit wurde sogar eine mögliche Verfilmung  des Stoffes angekündigt.

Auch in amerikanischen Superhelden-Comics sind Zeitreisen nicht selten: X-Men: Days of Future Past bewies dies dann kürzlich auch im Kino. Generell sind die Mutanten um Charles Xavier als Folge der Beliebtheit von Chris Claremonts 1981er Comic-Vorlage  zu diesem Film oft in Zeitreisegeschichten verwickelt: Man denke an Figuren wie Bishop, Cable oder Forge. Aber auch andere Superhelden wie Iron Man oder die Fantastic Four erlebten Zeitreiseabenteuer. Und dann gibt es natürlich auch die Bösewichte, die die Technik der Zeitreise für sich beanspruchen: Doktor Doom und Kang sind da die besten Beispiele.

Wer jetzt noch wissen will wie man eine Zeitmaschine baut, müßte sich How to Build a Time Machine anschauen, sollte es diesen Dokumentarfilm tatsächlich irgendwann einmal geben...

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Auch ihr, liebe Leser, könnt bei dem Projekt "Blog Me If You Can" mitmachen und etwas zu dem nächsten Monatsthema schreiben. Wie das funktioniert, erfahrt ihr in den FAQs. Das Thema für den 1. Mai lautet "Ich²". Wenn ihr Interesse habt, meldet euch einfach bei chita91 oder Grimalkin!

Alle weiteren Texte zum Thema "Zukunftstechnologien" findet ihr hier:

Grimalkin: Heavenly Creature: Illuminatio ex Machina

chita91: Her - Die Zukunft der Liebe

SmooliEntertainment: Wenn die Menschheit von ihren Kindern gefressen wird

Absurda.: Wenn die Freiheit trügerisch wird

Mr.English: Vielleicht in zivilisierteren Tagen...?

alex023: Wer sind wir eigentlich, wir Menschen?

pleasant28: Eine erfreuliche Wiedergeburt - oder wie eine Legende das 21. Jahrhundert überlebte

Martin Canine: Hier bin ich Machine, hier darf ich's sein

Friedsas: Rätselhafte Briefe

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