Bei den James Bond-Filmen gibt es ja zwei Arten von Regisseuren: Da wären einmal die Action-Handwerker wie Lewis Gilbert, John Glen oder zuletzt Martin Campbell, die solide bis großartige Filme ohne allzu viel Tiefgang ablieferten und sich mit ihren Ideen dem großen Ganzen unterordneten. Und dann gibt es da die Individualisten wie Lee Tamahori oder Marc Forster, deren Einträge sagen wir mal recht speziell ausfielen. Gerade Forster, der ja aus der eher actionlosen Drama-Ecke kommt, war dabei mit großen Erwartungen bedacht worden, lieferte dann aber mit James Bond 007 – Ein Quantum Trost einen äußerst schrecklichen, konfusen, unausgegorenen Bond ab, der eher das Schlechteste beider Welten vereinte. Somit war die Anspannung groß, was denn nun von James Bond 007 – Skyfall von Sam Mendes zu erwarten war, dessen Schwerpunkt ebenfalls im Drama-Fach liegt.
Inhaltlich ist Skyfall einer der ernstesten Bonds, alles andere als knallbuntes Popcornkino à la Roger Moore, und lässt die Welt des berühmten Geheimagenten wenig glamourös erscheinen. Mendes jongliert dabei mit jeder Menge Charakteren: Bond (Daniel Craig), M (Judi Dench), Eve (Naomie Harris), Q (Ben Whishaw), Gareth Mallory (Ralph Fiennes) und nicht zuletzt Oberschurke Silva (Javier Bardem). Dieser ist zwar einerseits so überdreht wie die besten klassischen Bond-Bösewichte, wirkt in Skyfalls ‘realistischem’ Setting dadurch aber nur umso bedrohlicher. Vor allen Dingen gibt Sam Mendes den Unterhaltungen der Figuren und ihren Gemütsregungen genügend Raum, damit sich die Charaktere entfalten können: Bei Silvas erstem Auftritt verharrt die Kamera schier endlos auf ihm, wie er dem gefesselten Bond nicht nur physisch immer näher kommt; unterhält sich Bond in einem Bar mit einem verängstigten Bond-Girl, sehen wir lange Einstellungen der Gesichter in Großaufnahme, um das Minenspiel beobachten zu können.
Während sonst schon mal endlose Stunts, Verfolgungsjagden und Prügeleien von einigen Dialogen unterbrochen werden, sind es in Skyfall die Actionszenen, die rarer gesät sind, dafür aber umso beeindruckender daherkommen: Mendes, sein Kameramann Roger Deakins und Cutter Stuart Baird inszenieren sie so, dass wir als Zuschauer tatsächlich mitbekommen, was gerade geschieht, und nicht nur wie bei Marc Forsters Quantum of Solace denken ‘Aha, Action’, ohne uns orientieren zu können. Auch sind die physischen Auseinandersetzungen nicht purer Selbstzweck, sondern lassen stets die Gefahr spüren, in der die Beteiligten schweben, und unterstützden so auch die Charakterzeichnung: So steht bei der eröffnenden Motorradverfolgungsjagd mit anschließendem Zug-Kampf buchstäblich Bonds Leben auf dem Spiel, und das Geschehen wird ihn den ganzen Film über nicht loslassen.
James Bond wird bei alldem nicht wie eine Comicfigur behandelt, sondern wie ein echter (wenn auch überdurchschnittlicher) Mensch, der es mit außergewöhnlich herausfordernden Aufgaben zu tun bekommt (mehr zu Daniel Craigs Leistung in meinem “Lieblingsschauspieler 2012-Artikel”::/news/mein-schauspieler-des-jahres-2012-daniel-craig-119450). Auch die Nebenfiguren sind in Skyfall nicht nur Staffage, sondern haben ihren Sinn sowohl für die Handlung als auch für Bonds Entwicklung zu einem vielschichtigen Charakter. Sam Mendes vereint in Skyfall also aufs Beste seine Qualitäten als Drama-Regisseur, der die Menschen in dem Mittelpunkt der Geschichte stellt, mit einem guten Gefühl dafür, wie Actionszenen auszusehen haben, die nicht als Augensüßigkeiten für Zuschauer mit Aufmerksamkeitsdefizit wirken, sondern ihre klare Linie für umso spektakulärere Effekte nutzen, und bei denen der Fokus ebenso stets auf den Charakteren steht. Er hat ein Actiondrama geschaffen, bei dem sich der Action- und der Drama-Aspekt nicht im Wege stehen, sondern sich bestens ergänzen und gegenseitig etwas hinzufügen.
Was haltet ihr von Sam Mendes?