Ich bin müde. Jeden Tag wird es ein bisschen schwieriger, sich morgens aus den Federn zu quälen. In meiner Verzweiflung habe ich zu Doping-Mitteln gegriffen: doppelter Espresso zum Frühstück (was ich normaler Weise niemals nie tue), hochdosiertes Vitamin C und meine Wunder-Aspirin, die ich aus dem letzten USA-Urlaub mitgebracht habe. Trotzdem möchte ich mich allmorgendlich, wenn ich mich endlich zum Potsdamer Platz geschleppt habe, am liebsten zu den Campern vor den Ticket-Schalter legen, mich in einen ihrer Schlafsäcke einkuscheln und einfach ein paar Stunden pennen. Stattdessen laufe ich tapfer an diesem Bettenlager vorbei in den Berlinale-Palast. Dort treffe ich dann regelmäßig Kollegen, die aus mir vollkommen unerfindlichen Gründen immer viel fitter aussehen als ich. Und als wäre das noch nicht deprimierend genug, erzählt dann noch der ein oder andere von der supercoolen, mega lustigen, feuchtfröhlichen und absolut legendären Berlinale-Party, auf der er am Vorabend war. Wie zum Teufel machen die das? Ich hab da ja so eine Theorie, dass die Camper in den Arkaden gar nicht für Tickets anstehen, sondern es schlicht und einfach nach der letzten Party nicht mehr nach Hause geschafft haben und jetzt zwischen Douglas und Leiser ihren Rausch ausschlafen.
Meryl Streep – eine Legende spielt eine Legende
Meryl Streep ist ja an sich schon eine starke Frau. Nicht umsonst bekommt sie dieses Jahr einen Ehren-Bären verliehen. Zwei Oscars hat sie bereits gewonnen und für Die Eiserne Lady ist sie nun ein weiteres Mal nominiert. Wie ich seit der gestrigen Vorführung finde, ist das ganz zu Recht der Fall, denn der Film lebt im Grunde von ihrer schauspielerischen Leistung. Von der Körperhaltung, über die Mimik bis hin zur Sprache gibt sich Meryl Streep voll und ganz ihrer Rolle der Margaret Thatcher hin und überzeugt damit auf ganzer Linie. Phyllida Lloyd hat Glück, dass ihre Hauptdarstellerin über die dramaturgischen Schwächen ihres Films hinwegtäuschen kann. Die Geschichte wird anhand einer assoziativen Rückblende erzählt: Ereignisse und Objekte ihres Hauses erinnern die gealterte Margaret Thatcher an den Beginn und Verlauf ihrer Karriere als erste Frau im englischen Parlament. Den Rahmen der Geschichte bildet darüber hinaus der emotionale Abschied von ihrem verstorbenen Ehemann Denis (Jim Broadbent). Doch weder der eine noch der andere Handlungsstrang ist so konzipiert, das er sich auf einen Klimax zubewegen und somit Spannung erzeugen könnte. Lediglich das intensive Spiel von Meryl Streep sorgt dafür, dass wir in diesem gleichförmig plätschernden Biopic nicht einschlafen.
Weibliche Selbstüberschätzung und ihre Folgen
Auch in Tabu – Eine Geschichte von Liebe und Schuld steht eine Frau ihren Mann. In diesem ungewöhnlichen Film von Miguel Gomes schaut erneut eine alte Frau auf ihr Leben zurück. Aurora (Ana Moreira bzw. Laura Soveral) lebt als junge Frau in Afrika, und erlangt durch ihre Jagdkünste den Respekt der Männer. Die verbotene Liebe zu einem von ihnen wird ihr dennoch zum Verhängnis, so dass sie ihr Lebensende einsam und verwirrt in Lissabon fristet. Die Handlung von Tabu – Eine Geschichte von Liebe und Schuld wird in zwei Teilen erzählt, die für mich nicht recht zusammenpassen wollen. Was als schwarz-weißer Spielfilm in der Gegenwart beginnt wandelt sich im Blick auf die Vergangenheit in ein Stummfilmkonzept, das zwar ästhetisch anspruchsvoll ist, uns jedoch nicht über die zwei Stunden Laufzeit tragen kann.
In Was bleibt ist es Corinna Harfouch, die ihre eigenen Kräfte überschätzt. In der Rolle der Gitte ruft sie ihre Familie zu einem Wochenende in der Heimat zusammen, um das Absetzen ihrer Psychopharmaka zu verkünden. Ihre Söhne Marko (Lars Eidinger) und Jakob (Sebastian Zimmler) sind zu Recht skeptisch, denn natürlich kommt es im Laufe dieser Zusammenkunft zum Ausbrechen von Konflikten, die Gittes psychische Stabilität auf die Probe stellen. Zu Beginn irritierte mich das hölzerne Schauspiel der Darsteller. Rückblickend fügte sich dieses jedoch vortrefflich in die Stimmung dieses Werkes. Die Figuren agieren nämlich auch innerhalb des Films nicht authentisch. Regisseur Hans-Christian Schmid lässt nach und nach verborgene Geheimnisse zu Tage treten und entwickelt daraus eine packende Geschichte über die Themen Familie und zwischenmenschliche Kommunikation.
Sophies Geheimtip: As Luck Would Have It
Am Ende des Tages gab es noch kräftig was zu lachen. As Luck Would Have It von Álex de la Iglesia lässt sich am besten als Groteske beschreiben. Salma Hayek muss hier mit ansehen, wie ihr Ehemann Roberto (José Mota) aus seinem tödlichen Unfall Profit schlagen will. Mit Hilfe eines immensen Presserummels und geschicktem Product Placement will er seine Familie finanziell absichern. Die chaotischen Geschehnisse sind ziemlich schräg, aber nicht bedeutungslos, sondern zeigen eindrücklich, was andauernde Arbeitslosigkeit mit dem Selbstbewusstsein eines Menschen anrichten kann.
Wer sich für meine ausführliche Meinung über die genannten Filme interessiert, den verweise ich einmal mehr auf meinen Blog. Aber auch ein Blick auf film-zeit.de lohnt, um sich ein breiteres Bild zu verschaffen.
Und jetzt mal ehrlich: Sollte Meryl Streep noch einmal den Oscar bekommen oder ist es mit dem Ehren-Bären jetzt eigentlich genug?