Neu im Kino: Tod auf dem Nil mit Gal Gadot ist wie ein Autounfall, bei dem man nicht wegsehen kann

10.02.2022 - 09:30 UhrVor 2 Jahren aktualisiert
Tod auf dem Nil läuft ab heute im KinoDisney
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Kenneth Branagh ermittelt wieder als Poirot in Tod auf dem Nil, der heute neu im Kino läuft. Der Krimi mit Gal Gadot hat das Zeug zur Vollkatastrophe, aber ist trotzdem extrem unterhaltsam.

Es ist unglaublich. In den Händen der meisten anderen Menschen wäre Tod auf dem Nil ein geschmackvoller Sonntagnachmittag-Krimi geworden, bei dem man die Stirn allenfalls über die Bartzucht des Helden runzelt.

Hier steht allerdings Thor-Regisseur Kenneth Branagh am Steuer, der sein neuestes Hercule-Poirot-Abenteuer weniger über den Nil als durch die Fluten seines narzisstischen Größenwahns manövriert. Bizarr, egomanisch, handwerklich erschreckend: Das ist ein künstlerischer Autounfall, bei dem man nicht wegsehen kann. Denn der neue Tod auf dem Nil unterhält gerade wegen dieser Eigenschaften bestens. Ab heute läuft er neu im Kino.

Tod auf dem Nil: Kenneth Branagh und Gal Gadot schippern durch die CGI-Hölle

Nach seinem ersten Einsatz als Hercule Poirot in Mord im Orient Express verschlägt es Branaghs belgischen Detektiv nun nach Ägypten. Auch wenn man nach Ansehen dieses Films nicht glauben kann, dass tatsächlich jemand auch nur einen kleinen Zeh in echten Sand gesetzt hat. Der Orient-Express glänzte bereits mit fadenscheinigen Computer-Effekten rauschender Landschaften. Beim Kammerspiel-Setting fielen die aber nicht weiter auf.

Diesmal quillt das falsche Blau des ägyptischen Himmels in jedes Bild von Gal Gadot und Co., von den unscharfen Details des Nil-Ufers ganz zu schweigen. Was die Effekte angeht, ist Tod auf dem Nil das Mamma Mia 2! Here We Go Again unter den Agatha Christie-Verfilmungen.

Schaut euch den Trailer für Tod auf dem Nil an:

Tod auf dem Nil - Trailer 2 (Deutsch) HD
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Aber zurück zur Geschichte: Poirot gesellt sich zur CGI-Hölle, äh, Hochzeitsgesellschaft der reichen Linnet Ridgeway Doyle (Gal Gadot). Die hat sich Hals über Kopf in den Emporkömmling Simon Doyle (Armie Hammer) verliebt und spannt ihn konsequent ihrer Freundin Jacqueline de Bellefort (Emma Mackey) aus.

Kein Wunder, dass Linnet um ihr Leben fürchtet, neigt Jacqueline doch zum Stalking ihres Ex-Geliebten. Begleitet wird die Mordsparty von Stars wie Annette Bening (Jahrhundertfrauen), Letitia Wright (Black Panther), Jon Snows Besserwisserin Rose Leslie sowie einem kaum wiedererkennbaren Russell Brand, der jetzt offenbar in die Jared-Leto-Phase seiner Karriere eintritt.

Obwohl Tod auf dem Nil allem Anschein nach ein Ensemblefilm ist, gibt es nur einen Star in diesem Film. Und es ist nicht Wonder Woman.

Thor-Regisseur Kenneth Branagh hat drei Heulszenen in Großaufnahme

Kenneth Branagh in Tod auf dem Nil

Wir sollten uns vor Regisseur und Hauptdarsteller Kenneth Branagh verneigen, immerhin verwandelt er ein harmloses Whodunit in ein selbstverliebtes Star-Vehikel. Das muss man erstmal schaffen. Wer den Branagh der 90er kennt, dem kommt das bekannt vor (achtet auf die Anzahl der Einstellungen von Branaghs Six-Pack in Mary Shelley's Frankenstein). In Tod auf dem Nil strahlt das eitle Filmemacher-Ego aber so hell wie lange nicht. Das erkennt man beispielsweise daran:

  • Tod auf dem Nil erzählt die blutige Origin Story von Hercule Poirots Bart, sodass Branagh sein eigenes 1917 in klein drehen darf (mit sich als Star).
  • Dieses Poirot-Trauma (inklusive großer Liebe) hängt über allem, wodurch die Morde und Motive der anderen nebensächlich bleiben.
  • Regisseur-Branagh schenkt Schauspieler-Branagh drei lange Großaufnahmen, in denen Poirot dramatisch die Tränen in die Augen steigen. Drei!

Da wundert man sich eigentlich nur, dass Tod auf dem Nil nicht vier Stunden dauert wie sein Hamlet. Dann hätte es vielleicht für fünf Großaufnahmen-Heuler gereicht.

Tod auf dem Nil macht als egomanischer Hochglanz-Trash richtig Spaß

Branagh geht den Krimi auch diesmal an wie Poirot seinen exzentrischen Bart: ohne Gespür dafür, wann es zu viel des Guten ist. Und das ist bei allen Problemen dieses Films sein großer Pluspunkt.

Tod auf dem Nil

Ja, Tod auf dem Nil sieht zum Teil fürchterlich aus, enthält Dialogszenen, die auf einem Hackbrett geschnitten wurden, und ahmt in seiner lächerlichen Dramatik eher Telenovelas nach als die Klassiker des Genres. Darunter leidet aber zu keinem Zeitpunkt der Unterhaltungsfaktor dieses Films. Im Gegenteil. Mit Tod auf dem Nil hat Kenneth Branagh köstlichen Hochglanz-Trash gedreht.

Getragen wird dieser – im Schatten Branaghs natürlich – von einem gut aufgelegten Ensemble, allen voran Gal Gadot und Annette Bening, die so lustvoll aufspielen, als wären sie jahrelang auf Kamera-Entzug gewesen. Von mir aus kann Kenneth Branagh sein Ego noch in sieben weiteren Poirot-Filmen streicheln, wenn so ein bizarrer Spaß dabei rauskommt.

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