Nosferatu ist ein schönes, aber blutleeres Horror-Remake, das seiner 100 Jahre alten Vorlage viel zu sehr verfallen ist

03.01.2025 - 08:49 UhrVor 2 Monaten aktualisiert
Nosferatu - Der Untote
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Nosferatu - Der Untote
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Wenn das Kinojahr mit einem Horror-Remake von Robert Eggers beginnt, kann 2025 unter keinem schlechten Stern stehen. Nur steht Nosferatu - Der Untote viel zu sehr unter dem Bann seiner klassischen Vorlage.

Es kommt nicht oft vor, dass ein Regisseur auftaucht, der mit seinen ersten beiden Filmen einen so bestechenden Eindruck hinterlässt, dass künftige Filmstartdaten mehr oder weniger zu Kino-Feiertagen erklärt werden. So war es aber bei Robert Eggers und seinen Aus-dem-Stand-heraus-Meisterwerken The Witch und Der Leuchtturm. Mit Nosferatu - Der Untote geht am 2. Januar 2025 sein bisher ambitioniertestes Projekt an den Start: Ein Remake des deutschen Horror-Klassikers von F.W. Murnau.

Totsicher wird sich kein Film-Fan davon abbringen lassen, diesen seit einer Dekade geplanten Streifen im Kino zu erleben. Aber ist Nosferatu so brillant wie Eggers' zwei Erstlingswerke, oder eine eher durchwachsene Angelegenheit wie seine Wikingersage The Northman?

Nosferatu von Robert Eggers: Eine Horror-Symphonie der schleichenden Frustration

Wie Eggers im Interview mit Variety  und während der Nosferatu-Weltpremiere in Berlin offenbarte, pflegt er eine intime Beziehung zum deutschen Originalfilm. Murnaus 103 Jahre alte Version war bekanntlich eine unlizenzierte Adaption von Bram Stokers Vampirroman Dracula, der man (allein aus rechtlichen Gründen) vorwerfen konnte, dass sie sich zu sehr an die Originalgeschichte hält. Ganz ähnlich verhält es sich mit Eggers, der so sehr am Originalfilm hängt, wie eine gefällig gemachte Braut des Blutsaugerbarons.

Wer die Story kennt, wird in diesem Absatz wenig neues lesen: Im Jahr 1838 wird der frischverheiratete Thomas Hutter (Nicholas Hoult) von Deutschland nach Transsylvanien entsandt, um die Immobiliengeschäfte des Grafen Orlok (Bill Skarsgård) abzuwickeln. Die Einheimischen fürchten ihn und bald realisiert auch Thomas, dass es im Schloss des alten Aristokraten mit unheimlichen Dingen zugeht. Als Orlok es auf seine psychisch labile Frau Ellen (Lily-Rose Depp) in Deutschland absieht, die seit langer Zeit eine mysteriöse Verbindung zum Vampirgrafen zu haben scheint, wird der Okkultexperte Prof. Eberhart von Franz (Willem Dafoe) konsultiert.

Die größten Freiheiten nahm Eggers sich bei seiner Interpretation des Grafen Orlok. Kein schleichender Schrumpelaristokrat mit langen Fingern, sondern ein gewaltiges Monster von Mann samt Schnurrbart und brachialer Brummstimme, für die Skarsgård extra Einweisungen durch eine Opernsängerin erhielt. Dem Subtext der sexuellen Gewalt wird hier jegliche Ambivalenz entzogen, aber das funktioniert. Was weniger klicken will, ist die damit verbundene, ausgebaute Beziehung zu Ellen, deren Psycho-Episoden ärgerlich repetitiv wirken und auch darstellerisch nicht immer überzeugen können.

Noch entbehrlicher sind viele Szenen mit den befreundeten Hardings (Emma Corrin und Aaron Taylor-Johnson) sowie unnötige Expositionslitaneien bezüglich der Vampir-Mythologie. Über 100 Jahre nach Nosferatu wissen wir doch alle ungefähr, wie das mit Blutsaugern und Sonnenlicht funktioniert. Warum man einen so wunderschön und technisch komplex konstruierten Film trotzdem mit so drögem Dauerdialog erschweren muss, will nicht ganz einleuchten.

Nosfera Two: Wenn das Vampir-Remake etwas blutleer wirkt

Skarsgård ist wirklich allerhand als nie dagewesene Interpretation des Pseudo-Draculas Orlok und macht sich die Rolle wie schon beim ES-Horror-Clown Pennywise zu eigen. Besonders das Finale gerät zur exzessiven Blutorgie, die man so schnell nicht vergisst. Dabei weckt die letzte Szene und Einstellung lebhafte Erinnerungen an sowohl Malereien zum Thema Schwarzer Tod und einen weiteren deutschen Horror-Klassiker: Nekromantik. Schrecklich schön und schön schrecklich.

Ich wünschte nur, man könnte ähnlich ek­s­ta­tisch über den Rest des Casts und die übrigen Vampirmachenschaften im Film sprechen. Die darstellerischen Beiträge von Depp und Hoult kann man leider nur als "brauchbar" bezeichnen, aber die größte Enttäuschung dürfte ausgerechnet Willem Dafoe sein. Vor allem, wenn man ihn gerade erst als sympathisch-verrückten Wissenschaftler in Poor Things gesehen hat, lässt sein kauziger Van Helsing-Verschnitt im Vergleich doch etwas an Exzentrizität zu wünschen übrig.

Seht hier den Original-Trailer zu Nosferatu:

Nosferatu - Trailer (English) HD
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Für Fans vom Eggers-Frühwerk (Hexe und Leuchtturm) ist Nosferatu eher auf der durchwachsenen Northman-Seite seiner Filme zu verorten. Vielleicht ist der Regisseur im Kleinen kohärenter und sollte die Finger von Epen mit vielen beweglichen Teilen lassen. Vor allem aber von Remakes, bei denen er zu sehr mit dem Original vermählt ist.

So sagt uns sein Nosferatu überhaupt Neues geschweige denn Eigenes über sexuelle Gewalt oder die "blutsaugende" Klasse der Wohlhabenden, was uns Dracula und die deutsche Filmvorlage nicht schon vor über 100 Jahren erzählt hätten. Gerade im Angesicht klaffender Verteilungsverhältnisse eine verpasste Chance.

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