Oskar Roehler ist das Enfant Terrible des deutschen Films. Seine Filme sind für unsere ordentlichen, deutschen Verhältnisse überaus wild, überflutet mit Bildern und Ideen. Schlagartig einem großen Publikum wurde der Regisseur, Sohn aus intellektuellem Hause – seine Eltern sind beide Schriftsteller, mit dem Film Die Unberührbare (2000). Nicht nur Hannelore Elsner besticht in dem Porträt einer Autorin, die einen Neuanfang sucht, auch die Inszenierung selbst wurde gelobt und vielfach ausgezeichnet. Zum Kinostart lobte Ralf Schenk im film-dienst: Der Film “wirkt in seiner Kraft, Konsequenz und Dichte nahezu makellos – das hat man im deutschen Kino lange nicht mehr gesehen. … Am Ende des Films ist vieles gesagt, manches erklärt, alles offen. Was bleibt, ist Stoff zum Nachdenken in Hülle und Fülle. Im deutschen Kino eine Seltenheit. Ein Ereignis!”
Nach einem derart guten Film einen neuen gleichen Formats zu drehen, ist schwierig und so hatte auch Oskar Roehler seine Probleme. Nach zwei Arbeiten für den privaten Sender RTL folgte Suck My Dick (2001). Hier entschlüpft eine erdachte Kunstfigur den Gedanken ihres Schöpfers und macht sich selbstständig. Heraus gekommen ist eine Farce über Sex, Kastrationsangst und Midlife-Crisis. Kritiker loben den Film als “grellbunte, poppige, vulgäre, hysterische und durchaus schmerzhafte Generalabrechnung mit der juste milieu der Berliner Republik” (Ulrich Kriest im film-dienst), aber an den Kinokassen ist er ein Flop.
Der Alte Affe Angst (2003) wird in den Wettbewerb der Berlinale eingeladen. Es geht um ein Berliner Paar, dessen Beziehung am Alltag zu zerbrechen droht. Überaus intensiv werden hier menschliche Auseinandersetzungen vorgeführt, der Zuschauer erlebt eine Achterbahnfahrt von Gefühlen und Ausbrüchen. Das interessiert den Filmemacher auch bei Agnes und seine Brüder. “Wieder treibt Roehler seine Darsteller über sich selbst hinaus, nutzt An- und Ausfälle, hysterische Tonlagen und Zusammenbrüche als emotionale Vergrößerungsgläser, die Trauer, Verletzlichkeit und eine fast anthropologische Verzweiflung zum Vorschein bringen. Ganz nebenbei bildet sich in Agnes und seine Brüder eine Art Höllenfamilie des deutschen Kinos der neunziger Jahre heraus, sozusagen die hässliche Fratze unter den neospießigen Beziehungskomödien.”, schreibt Katja Nicodemus in der Zeit.
Dann wagt sich Oskar Roehler an die Verfilmung des Bestsellers von Michel Houellebecq: Elementarteilchen. Wieder geht es um Sex und Tabus sowie nihilistische Lebeneinstellungen. Aber überzeugen kann der Film nicht, dafür hat er die Vorlage zu sehr entschärft und sie für den Mainstream aufbereitet: unroehlerhafte sein das Werk. Mit Lulu und Jimi scheint er zu alter Stärke zurück gefunden zu haben. Peter Körte lobt in der FAZ, das sich der Regisseur einen Wunsch erfüllt hat “mit diesem bunten Liebesmelo – und das Wichtigste ist, dass da noch immer dieser leise Wahnwitz ist, dieser Hang zum Extrem, die ihm im deutschen Kino keiner nachmacht.” Dem können wir nur zustimmen.