Auf der diesjährigen Comic-Con in San Diego gab es wohl keine größere Überraschung als das unerwartete Marvel-Casting von Robert Downey Jr. als Doctor Doom im nächsten Avengers-Film. Seither diskutieren Fans, ob er wirklich die beste Besetzung für den legendären Comic-Schurken ist. Mich beschäftigt jedoch eine andere Sache: Die Multiverse-Saga hat damit ihren großen Bösewicht verloren. War all der Story-Aufbau über mehrere Serien und Filme hinweg jetzt umsonst?
Doctor Doom ersetzt Kang als Avengers 5-Schurken: War das die falsche Entscheidung?
Ursprünglich trug Avengers 5 den Zusatztitel The Kang Dynasty und sollte den erstmals in Loki eingeführten Multiverse-Schurken Kang der Eroberer auf die Riege der Marvel-Superheld:innen treffen lassen. Nachdem Kang-Darsteller Jonathan Majors jedoch wegen häuslicher Gewalt verurteilt wurde, musste Marvel seine Pläne für den Fortgang der laufenden MCU-Saga überdenken.
Eine Neubesetzung des Charakters oder ein kompletter Neustart waren die Optionen. Mit der Ankündigung von Avengers: Doomsday zieht Marvel jetzt einen Schlussstrich unter das Kapitel Kang. Diese Kurskorrektur hat nicht nur mit der Causa Majors zu tun, sondern ist auch auf das in den letzten Jahren schwindende Interesse an der aktuellen Marvel-Saga und den enttäuschten Reaktionen auf Kangs Leinwand-Debüt Ant-Man and the Wasp: Quantumania zurückzuführen.
Der rekordverdächtige Erfolg von Deadpool & Wolverine hat bewiesen: Nostalgie ist anscheinend die Rettung, um Marvel-Fans zurück in die Kinosäle zu bekommen. Natürlich schlägt auch mein Fanherz direkt höher bei dem Gedanken daran, Robert Downey Jr. wieder im MCU zu sehen. Ein Avengers-Bösewicht mit dem Gesicht von Tony Stark? Das verspricht spannendes Konfliktpotenzial. Im Kontext der zuvor aufgebauten Geschichte bin ich trotzdem enttäuscht.
Kang hat Besseres verdient als einfach ausgelöscht zu werden
Vielleicht gehöre ich zu einer Minderheit, aber die Geschichte des durch Universen und Zeitlinien reisenden Superschurken Kang hat mich von Anfang an gefesselt. Nicht zuletzt, weil es sich um einen der spannendsten Bösewichte der Marvel-Comics handelt. Im Gegensatz zu Thanos wird er Dank unendlich vieler Varianten zu einer übermächtigen Bedrohung, die kaum zu besiegen ist.
Klar, auch Thanos war ein fantastischer Bösewicht. Im Endeffekt spielte er aber nur in zwei Avengers-Filmen eine tragende Rolle, nachdem er durch die Guardians of the Galaxy-Filme und einige Post-Credit-Szenen als Bedrohung aufgebaut wurde. Kang hingegen hatte so viel mehr Potenzial, in unterschiedlichen Serien und Filmen mit alternativen Varianten über Jahre hinweg den Marvel-Superheld:innen das Leben schwer zu machen. Letztendlich ist er nur in den zwei Loki-Staffeln und Quantumania aufgetreten.
Aus Story-Sicht ist der Kurswechsel zu Doctor Doom als neuer Oberschurke auch problematisch. Mit dem Finale von Loki Staffel 1 kündigte sich Großes an. Die Kang-Variante Jener der bleibt stellte eine epische Zeitschleifen-Geschichte in Aussicht, die das MCU bzw. den Wahren Zeitstrahl in eine unendliche Schleife aus Zerstörung und Wiederaufbau manövrierte: Der multiversale Krieg der Kangs war unausweichlich. Doch davon bleibt jetzt wenig übrig.
Wird das Universen umspannende Problem namens Kang nun einfach abseits der Kinoleinwand beseitigt? Die 2. Staffel von Loki öffnete dafür bereits ein Schlupfloch: Die TVA begann die Jagd auf Kang-Varianten und der Gott des Schabernacks hält das gesamte Multiversum buchstäblich selbst in der Hand. Drei Jahre lang habe ich meine Fanliebe in die Multiverse-Saga, Zeitschleifen-Theorien und die nächste große MCU-Bedrohung investiert. Und jetzt bricht ausgerechnet Tony Stark mir das Herz.
Kang vs Doctor Doom: Noch ist nicht alle Hoffnung verloren
Ich bin mir sicher, dass das nächste Avengers-Kapitel viele Fans (mich eingeschlossen) begeistern kann. Allerdings hätte ich eine Neubesetzung des Charakters einer kompletten Kurskorrektur persönlich vorgezogen. Mit Recastings – wie die Hulk-Umbesetzung von Edward Norton zu Mark Ruffalo – ist das MCU längst vertraut. Und Gerüchte über eine mögliche Kang-Nachfolge durch den oscarnominierten Schauspieler Colman Domingo hatten einen würdigen Ersatz in Aussicht gestellt.
Marvel Studios geht stattdessen den Weg des geringsten Widerstands. Das ist zum Teil verständlich. Jonathan Majors ruinierter Ruf schwebt wie eine dunkle Wolke über dem Charakter und die unvorhersehbaren Reaktionen auf eine Neubesetzung bargen ein hohes Risiko. Aber gibt es vielleicht doch noch Hoffnung für Kang-Fans?
Zum aktuellen Zeitpunkt gibt so gut wie keine wirklichen Infos, was uns in Avengers: Doomsday und dem anschließenden Multiversums-Finale Avengers: Secret Wars erwarten wird. Spielt Robert Downey Jr. eine böse Variante von Tony Stark, die sich Doom nennt? Ist er womöglich sogar ein Antiheld? Und gibt es wirklich keinen Auftritt mehr von Kang? Wir wissen es noch nicht.
Es besteht daher immer noch die Möglichkeit, dass der nächste Avengers-Film eine elegante Überleitung findet, um die Geschichte der Kang-Bedrohung zu einem (vorzeitigen) Abschluss zu führen. Auch ein weiterer Auftritt des mächtigsten Wesens im Multiversum mit neuer Besetzung ist nicht ausgeschlossen.
Ein Problem kann aber selbst nicht die Rückkehr von MCU-Begründer Robert Downey Jr. lösen. Seit dem Ende von Avengers: Endgame konnte die Multiverse-Saga bisher kaum eine klare Linie erkennen lassen. Einzig Kang versprach ein gewisses Maß an Struktur, einen roten Faden bis hin zum Ende der Saga. Dank Doom herrscht jetzt wieder das Chaos.