Terrence Malick - Der Baum des Lebens

01.06.2013 - 08:50 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
To the Wonder
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Passend zum Kinostart von To the Wonder nähert sich eine Essaysammlung dem Werk von Terrence Malick an, der mit seinen bisher sechs Spielfilmen seit Jahrzehnten die Kritiker spaltet. Auch mit seinem neuen Filmen ändert sich daran wenig.

Liest er sich die Kritiken zu To the Wonder durch, dann befällt den Fan von Regisseur Terrence Malick schon mal ein Déja-vu. Kaum ausgearbeitete Figuren werden da als Negativpunkte angeführt, ebenso wie die Abwesenheit traditioneller Handlungsstationen. Mancher Autor bemängelt gar, To the Wonder sei anstrengend! Anstrengend! Ein Malick! Dass den Filmen des 1943 geborenen Regisseurs mit traditionellen Maßstäben der Erzählung nicht beizukommen ist, dürfte sich spätestens seit The Tree of Life in aller Deutlichkeit herausgeschält haben. Eine neue Essaysammlung von Dominik Kamalzadeh und Michael Pekler befasst sich mit den Einflüssen und dem Wandel im sechs Spielfilme umfassenden Werk Malicks und dürfte für viele Jünger des scheuen Künstlers erhellende Einsichten liefern.

God don’t even hear ya, he don’t even hear ya talkin.
Um Terrence Malick ranken sich viele Legenden, allen voran natürlich die vom fast schon einsiedlerischen Künstler-Genie, das nur alle paar Jahr(zehnt)e einen Film ins Kino bringt, um dann wieder zu verschwinden. Die bekannten Interviews mit Malick lassen sich an einer Hand abzählen, mit den Fotos verhält es sich ähnlich. Nur ab und zu dringen triviale Informationsschnipsel an die Öffentlichkeit, etwa seine Liebe zu Zoolander von Ben Stiller. Dass Malick Blue Steel und Magnum voneinander unterscheiden kann, hilft uns trotzdem nicht weiter, wenn wir vor den epischen Weltentstehungsbildern von The Tree of Life oder den intimen Beziehungskrisen in To the Wonder stehen.

So halten sich Kamalzadeh und Pekler nicht lange beim Mysterium Malick auf. Kurz und bündig skizziert werden die bekannten Lebensdaten vom Philosophiestudenten und Schüler Stanley Cavells, der sich als Drehbuchautor durchschlug, um schließlich 1973 mit Badlands – Zerschossene Träume ein vielbeachtetes Regiedebüt abzuliefern. Die lange Schaffenspause zwischen In der Glut des Südens (1978) und Der schmale Grat (1999) wird als Zeit vieler geplanter und nicht verwirklichter Projekte beschrieben, darunter eine Version von Der Elefantenmensch, ein Film über Jerry Lee Lewis und die Adaption des Romans The Moviegoer von Walker Percy. Schon damals wurde über den mysteriösen Film Q spekuliert, aus dem schließlich The Tree of Life hervorging.

In diese Zeit fällt auch die zehn Jahre dauernde Ehe Malicks mit einer Französin, deren Widerhall sich in seinen neuestem Film To the Wonder findet. Da spielt Ben Affleck einen Amerikaner, der sich in Frankreich in eine Ukrainerin (Olga Kurylenko) verliebt. Doch das gemeinsame Leben in den Staaten will für beide nicht zum andauernden Glück führen. Das vermeintliche Paradies, verkörpert durch die auf einer kleinen Insel gelegene Abtei Mont St. Michel, kann nicht dauerhaft bewahrt werden. Auf ähnliche Weise greift auch The Tree of Life persönliche Erfahrungen des Regisseurs auf. In dem von der Erinnerung eines Mannes an seine Kindheit gerahmten Film ruft eine Mutter nach Gott und fragt, warum ihr Sohn sterben musste. Damit läutet sie die wohl legendärste Sequenz in The Tree of Life ein, in der die Entstehung des Universums bis hin zum ersten, idealisierten Akt der Gnade nachempfunden wird.

Why should I be good? When You aren’t.
Spielten Malicks bisherige Filme in der Vergangenheit, ob kurz vor der ersten Weltkrieg (In der Glut des Südens), während des Zweiten (Der Schmale Grat) oder zur Zeit der frühen Kolonien (The New World), begibt sich der intime, aber nicht weniger assoziative To the Wonder in die Gegenwart. Das Verhältnis von Mensch und Natur, das bei Malick keineswegs ein diametral entgegengesetztes ist, dominiert auch in To the Wonder die von vielen mittlerweile so belächelte Bildsprache. Dabei wird in der Essaysammlung nachvollziehbar der Einfluss der philosophischen Strömung des amerikanischen Transzendentalismus aufgedeckt, zu dessen bekanntesten Vertretern Ralph Waldo Emerson und Henry David Thoreau gehören.

Von den inneren Stimmen hin zu über Ähren streichenden Händen und dem Spätnachmittagslicht, das die introspektiven Figuren einhüllt, bieten sich Malicks Bilder für Parodien förmlich an. Der plötzlich wirkende Arbeitseifer seit The Tree of Life dürfte sein übriges getan haben, um die Rezeption von To the Wonder einer Malick-Ermüdung anheim fallen zu lassen. Das Verdienst der Essaysammlung von Kamalzadeh und Pekler, der ein Interview mit Malicks Production Designer Jack Fisk beigelegt ist, bleibt eine Rückbesinnung auf den Entdeckergeist, der jedem neuen Film des Regisseurs entgegen gebracht werden sollte und den jedes Werk dieses einzigartigen und eigensinnigen Künstlers einfordert.

Das Buch Terrence Malick von Dominik Kamalzadeh und Michael Pekler ist im Mai 2013 beim Schüren Verlag erschienen.

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