Wie der Oscar seine Seele verliert

29.01.2011 - 09:00 Uhr
Der Oscar
AMPAS/moviepilot
Der Oscar
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Mit der Verjüngung der Academy Awards werden die Ehrenoscars zunehmend in den Hintergrund verschoben. Wir spekulieren über den Sinn und Unsinn dieser Kategorie und darüber, wer einen Ehrenoscar verdient hätte.

Es waren bewegende Momente damals, als Sidney Poitier oder ein Jahr nach ihm Peter O’Toole auf die Bühne kamen, um ihren Ehrenoscar für das Lebenswerk entgegen zu nehmen. Einen Symbolcharakter hatte der Preis, weil Filmschaffende Auszeichnungen erhielten, die entweder vorher nie wirklich gewürdigt wurden oder aber durch ihre Leistung die Filmgeschichte nachhaltig geprägt haben. Dieser ganz spezielle Oscar hatte die Chance bereitet, zu sagen: “Na endlich!” oder nostalgisch zurück zu blicken auf eine Karriere voller großer Filme. In einer kurzlebigen Epoche bot er einen Moment der Besinnung, in dem die Zeit still stand, um einen Blick zurück zu werfen. Der Ehrenoscar hatte eine Bedeutung, er war ein Symbol der Leidenschaft für den Film. Doch dann wurde er ausgelagert zu einem separaten Galadiner und damit an den Rand der Bedeutungslosigkeit verfrachtet.

Für dieses Jahr wurden Jean-Luc Godard, Eli Wallach und Kevin Brownlow für den Ehrenoscar und Francis Ford Coppola für den Irving G. Thalberg-Award auserwählt, aber wen interessiert das am 27. Februar? Die Herren haben ihre Preise längst und das seit November 2010. Keine emotionalen oder überraschenden Momente mehr auf der Bühne, keine legendären Zitate und Bilder, die danach ewig durch die Oscar-Artikel der nächsten Jahrzehnte schwirren. Das ist nicht nur traurig, sondern beraubt die Oscars um ihren Charme und ihre nur noch spärlich vorhandene Seele. Dass die Filmgeschichte älter als 20 Jahre ist, scheint bei der auf jung getrimmten Veranstaltung niemanden mehr zu interessieren.

Die Frage steht deshalb im Raum, ob der Ehrenoscar und mit ihm der Irving G. Thalberg Award völlig bedeutungslos geworden ist. Es gäbe schließlich noch so viele Filmschaffende, die eine Auszeichnung von dieser Tragweite verdient hätten. Wäre es nicht großartig, eine Legende wie Christopher Lee, der nicht gerade zum Oscar-Inventar gehört, aber eben zu jenem der Filmgeschichte, wenn dieser Mann also auf die Bühne käme, um einen Ehrenoscar in die Hand zu nehmen? Oder John Williams, das genaue Gegenteil von Lee, wenn es um die Oscars geht? Der Komponist hat nicht nur oft genug für die musikalische Untermalung der Verleihung der Academy Awards gesorgt, seine Melodien selbst haben Filmgeschichte geschrieben von Der weiße Hai bis hin zu Harry Potter und der Stein der Weisen.

Wenn wir schon mal dabei sind: Dem noch immer lebhaft inszenierenden Alain Resnais (Letztes Jahr in Marienbad) sollte ein entsprechender Preis zukommen für seinen Beitrag zur Filmkunst ebenso wie Dario Argento (Suspiria) oder Chris Marker (La Jetée – Am Rande des Rollfelds ), denen ein Ehrenoscar nicht schlecht stehen würde. Natürlich sind das alles Hirngespinste, aber der Ehrenoscar braucht und verdient mehr Aufmerksamkeit, als nur ein hübsches Abendessen mit ausgewählten Gästen, das Monate vor der eigentlichen Verleihung stattfindet. Die Oscars für das Lebenswerk sind ein integraler Bestandteil der Zeremonie, ohne die sie nur noch wie ein Torso wirkt. Wir würden deshalb in den folgenden Jahren gerne Verleihungen sehen, bei denen Filmgrößen wie Christopher Plummer, Jack Nicholson, Robert Towne oder Jacques Rivette nach einer langen, aber persönlichen Laudatio eines Kollegen auf die Bühne gerufen würden, um ihre Rede zu halten und die Ehrerweisung entgegen zu nehmen, die ihnen gebührt. Denn wie beschrieb es einer von euch neulich so schön in den Kommentaren bei moviepilot: Die Oscars sind nicht die MTV Movie Awards.

Wenn ihr entscheiden könntet: Wer ist eurer Meinung nach längst fällig für einen Ehrenoscar oder hat Preis keine Existenzberechtigung mehr?

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