Es gibt nicht viele Filme, deren angebliche Bedeutsamkeit vergleichbar penetrant in die Welt getragen wurde. Scarface und American Psycho gehören dazu, The Big Lebowski und Trainspotting wohl auch. Pulp Fiction natürlich. Und überhaupt beinahe alles, was im Kino der 1990er Jahre unter dem Label "Kult" firmierte.
Trotzdem ist Fight Club ein Sonderfall. Jahrelang schien es unmöglich, eine U30-WG zu betreten, deren meist männliche Bewohner ihren außergewöhnlichen Geschmack nicht durch das gut sichtbar aufgehängte Poster zum Film kenntlich machten. Partys ohne Pixies waren ebenso unwahrscheinlich. Und Bestenlisten, auf denen die sogenannte Gesellschaftssatire von David Fincher fehlt, sind noch heute eine Seltenheit.
Fight Club – Männer ohne Zweck und ohne Ziel
Für all das kann Fight Club natürlich nichts. Es mag verlockend sein, einem Film seine Reaktionen vorzuwerfen, zumal einem Film, dessen Albernheiten von Fans besonders hartnäckig verteidigt werden. Doch in der Regel entfernt sich eine solche Kritik vom Werk, wie auch die aktuelle Debatte um Joker zeigt, der mit hanebüchenen Vorwürfen überzogen wird.
Also direkt zu Fight Club, was eigentlich nur heißen kann: direkt zur Sprache seiner terroristischen Figuren. Von den vielen markanten Drehbuchzeilen erlangte ein Monolog größere Bekanntheit, in dem Tyler Durden (Brad Pitt), das Alter Ego des gelangweilten Erzählers (Edward Norton), die Zivilisationsmüdigkeit der sich kräftig aufs Maul gebenden Clubmitglieder adressiert:
Eine ganze Generation zapft Benzin, räumt Tische ab und schuftet als Schreibtischsklaven. Durch die Werbung sind wir heiß auf Klamotten und Autos, machen dann Jobs, die wir hassen, und kaufen dann Scheiße, die wir nicht brauchen. Wir sind die Zweitgeborenen dieser Geschichte, Leute. Männer ohne Zweck, ohne Ziel. Wir haben keinen großen Krieg, keine große Depression. Unser großer Krieg ist ein spiritueller. Unsere große Depression ist unser Leben. Wir wurden durch das Fernsehen in dem Glauben aufgezogen, dass wir alle mal Millionäre werden, Filmgötter, Rockstars. Werden wir aber nicht, und das wird uns langsam klar! Und wir sind kurz, ganz kurz vorm Ausrasten.
Die willkürlich aus emotionaler Abgestumpftheit, Konsumismus und Entmannungsängsten gespeiste Motivationslogik erinnert an David Finchers vorherigen Film The Game, in dem ein menschenverachtender und völlig unwahrscheinlicher Zirkus aufgeführt wird, um einen Investmentbanker vor den Folgen der übersättigten Wohlstandsgesellschaft zu warnen.
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Der geschickte Zweiklang von David Fincher
Mit Fight Club möchte es David Fincher allen recht machen. Er vermittelt ein überzeugendes und als Verständnis deutbares Gefühl für die Anliegen seiner Figuren, deren gewalttätige Agitation zwar fraglich, aber irgendwie auch den Überforderungen ihres sinnentleerten Lebens geschuldet ist. Und er holt andererseits jenen Teil des Publikums ab, der im dargebotenen Gesellschaftsbild selbst schon wieder einen Kommentar sieht, wonach Fight Club kein problematischer, sondern problematisierender Film sei.
Es gelingt ihm also, die verführerische Attraktivität der Milieus in Szene zu setzen (mit Tyler Durden als ultimativer Identifikationsfigur), während er gleichzeitig das Angebot einer kritischen Lektüre macht. Die Coolness bleibt davon unberührt, weil auch sie zum bestimmenden Element wird, nämlich zur Bedingung der schnittigen und heute umso altbackener wirkenden Inszenierung sowie des Selbstbildes von Männern, die sich als große Anarchisten gerieren.
All das steckt schon in Tyler Durdens Kraftrede. Sie benennt sowohl den umstürzlerisch sich wähnenden Aktionismus, der ihrer verkürzten Kapitalismuskritik folgen muss, als auch den Hochmut der Mitglieder des Fight Club, den wir heute "toxische Männlichkeit" nennen würden. Dass die Kerle, deren Körper sich eng umschlingen, ihre neu gewonnene Nähe mit einem Redeverbot belegen, mag nebenbei als nettes Statement über Homophobie erscheinen.
Weil Fight Club zu einem Träger beliebiger Haltungen verkommt, spielt es eigentlich keine Rolle, ob die Doppelstrategie von David Fincher auf besonderes Können oder lediglich müde Taschenspielertricks zurückgeht. Könnten die begeisterten Publikumsreaktionen vielleicht doch Aufschluss geben?
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Fight Club als Film ohne Standpunkt
Zahllose Theorien darüber, wie der Film die Bewusstseins- und Realitätsebenen zur unzuverlässigen Erzählung verdichtet, erschöpfen sich jedenfalls in auffallend unergiebigen Stichpunkten. Beispielhaft ist dafür die von Anhängern des Films gern verlinkte Website jackdurden , auf der seine mehr oder weniger versteckten Inszenierungsdetails zusammengetragen werden. Noch im schwächsten Hitchcock-Film wäre diese Art der Formsprache eine kaum erwähnenswerte Selbstverständlichkeit, hier aber ist sie große Kunst.
Ohnehin scheint der Eindruck schindende Charakter von Fight Club eng mit seiner finalen Wendung verknüpft, die ihn zu einem der bekanntesten Vertreter des sogenannten Mindfuck-Kinos machte. In den Komplexität behauptenden Identitätsthrillern der späten 1990er und frühen 2000er Jahre wurden die alten Täuschungsabsichten des Genres mit einem neuen Anstrich versehen, wobei manche großspurigen Wendungen eher notdürftigen Drehbuchmanövern glichen.
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Mehr noch als Matrix, American Beauty und all die anderen Erschöpfungsgeschichten am Vorabend des Millenniums, ist Fight Club ein postmoderner Schlüsselfilm. Jede Perspektive kommt ihm gelegen, um die Zustandsbeschreibungen von Gesellschaft, Wirtschaft und Globalität auf pointiert illustrierte Zusammenhänge zu reduzieren. Im Zweifel präsentiert er kein flaches Weltbild, sondern handelt nur von einem.
Gewissermaßen wurde Fight Club damit der Popkultureintopf, von dessen besinnungslosem Auslöffeln er kritisch zu erzählen vorgibt. Nicht zuletzt die demonstrativen visuellen Spielereien des langjährigen Werbefilmers David Fincher verhalfen dem ursprünglich erfolglosen Film zu ästhetischer Vollkommenheit – im rundum protzigen Stil eines freilich hochpotenten Kinos.
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