In zwei Wochen erwartet uns bereits das Mid-Seasonfinale der sechsten Staffel von The Walking Dead und bisher sind die Helden der Serie immer noch damit beschäftigt, das Chaos des Staffelauftakts zu beseitigen. Dazwischen ist natürlich viel passiert, nicht zuletzt entführte uns vorletzte Woche eine ganze Episode in Morgans (Lennie James) Vergangenheit. The Walking Dead nimmt sich diese Runde also sehr viel Zeit, um ein großes Ereignis in all seinen Einzelheiten zu erkunden und beleuchten.
An dieser Stelle findest du einen externen Inhalt, der den Artikel ergänzt. Du kannst ihn dir mit einem Klick anzeigen lassen und wieder ausblenden.
Externe Inhalte zulassenMehr dazu in unserer Datenschutzerklärung
Viele Subplots verlaufen dabei parallel zueinander, bis sie irgendwann in Alexandria wieder zu einem allumfassenden Handlungsstrang verschmelzen. Ein Großteil von Ricks (Andrew Lincoln) Gruppe hat es unterdessen in die Safe Zone geschafft. Ein paar Mitglieder befinden sich allerdings immer noch im Feld und kämpfen um ihr Überleben, was uns zur Frage führt: Was treiben eigentlich Daryl (Norman Reedus), Sasha (Sonequa Martin-Green) und Abraham (Michael Cudlitz)?
Ya'll don't think you're being stupid right now?
Das Trio hat es mittlerweile geschafft, die gigantische Beißer-Herde gute 20 Meilen von Alexandria wegzulocken, ignoriert man den Teil, der sich aufgrund des ärgerlichen Hup-Malheurs abgespalten hat. Als sie sich Daryl, Sasha und Abraham nach getaner Arbeit auf den Heimweg machen wollen, werden sie von einer Horde bewaffneter Männer überrascht und im Rahmen der darauffolgenden Verfolgungsjagd getrennt. Während Sasha und Abraham ihren fahrbaren Untersatz im Eifer des Gefechts aufgeben müssen, schafft es Daryl mitsamt seines Motorrads in den Wald zu flüchten, wo er erschöpft zusammenbricht. Kurze Zeit später erfolgt eine weitere Begegnung, denn Daryl gerät in die Hände von drei Fremden - Sherry (Christine Evangelista), Tina (Liz E. Morgan) und Dwight (Austin Amelio) - die ihn gefangen nehmen und gleich klare Regeln aufstellen: "Here's the deal. You don't say shit and I don't kill you." Offensichtlich glauben sie, dass Daryl zu jener Gruppe böser Menschen gehört, vor der sie sich auf der Flucht befinden.
Dagegen entkommen Sasha und Abraham gekonnt der brenzligen Situation. So gekonnt, dass Abraham ein zufriedenes Grinsen nicht unterdrücken kann, was wiederum von Sasha mit einem skeptischen Blick beäugt wird. Für Abraham, seit seiner Einführung eine bodenständige bis praktisch veranlagte Figur, ist in diesem Moment jedoch alles gut. Der Feind wurde zurückgedrängt und die Lage befindet sich wieder unter Kontrolle. "We won, darlin'", erklärt er seinem Gegenüber mit geradezu beängstigender Selbsterfüllung. Womöglich breitet sich in diesem Moment auch ein Gefühl der Überlegenheit in seinem Kopf aus, obwohl von Daryls Verbleib vorerst keine Spur existiert. Trotzdem: Wer töten kann, kann Probleme lösen - zumindest scheint sich dieses Gesetz in Abrahams Gehirnwindungen durchgesetzt zu haben. Selbst ein Beißer am Straßenrand, der keine direkte Gefahr darstellt, ist für Abraham ein Ziel, das ausgeschaltet werden muss. Zum Glück gibt es in dieser heruntergekommenen Welt aber immer noch Menschen wie Sasha.
"Don't. You're smarter than that. We don't need to leave bread crumbs", teilt sie ihrem Weggefährten mit, der blindlings an die Macht von Taten glaubt. Es braucht mindestens eine Sekunde des Zögerns, bis Abraham einsieht, dass Sasha recht hat. Ähnlich gestaltet sich die darauffolgende Situation im Hort der Sicherheit: Abraham will sofort einem Beißer den Garaus bereiten, der immer wieder murrend gegen eine Glaswand prallt. Erneut versichert Sasha ihrem tatendurstigen Begleiter, dass es keinen Grund zur Aufregung gibt. Dennoch kostet es Abraham sichtlich Überwindung, das Ungeheuer einfach Ungeheuer sein zu lassen, woraufhin es ihn auf die Straße, in die Wildnis treibt. Bei seinem Spaziergang, um den Kopf freizubekommen, wird er fündig: Panzerfaustmunition und Zigarren - was braucht ein Mann mehr in der Zombie-Apokalypse? Richtig, die passende Panzerfaust, die jedoch ein Beißer um den Rücken geschnallt hat und somit noch nicht in Abrahams Besitz ist.
Ganz konkret hängt besagter Beißer mit der Waffe hilflos an einer Metallstange und kann sich nicht wehren. Abraham ergreift seine Chance und versucht an das Objekt der Begierde zu gelangen. Regisseur Jeffrey F. January inszeniert den Moment wie eine psychedelische Erfahrung und spielt sehr bewusst mit dem Anschein, dass Abraham jeden Augenblick sein eigenes Verlangen zum tödlichen Verhängnis werden könnte. Doch dieser entscheidet sich nach einer unerträglichen Minute des Haderns für das Richtige: Er geht einen Schritt zurück, gesteht sich Schwächen und Fehler ein. Dann löst sich das Problem von ganz alleine - ohne, dass irgendjemand irgendwen töten bzw. sein Leben aufs Spiel setzen musste. Ein spannendes Gedankenspiel, das vor allem im Kontext zu Morgans Einstellung ("All life is precious") einen interessanten Bogen spannt. Immerhin versteht die Serie die modernden Erdbewohner zum ersten Mal als vergängliche Begleiterscheinung, die dem Lauf der Zeit unterlegen sind. Aber kann ein Ausharren wirklich die Antwort sein?
Daryl zumindest hat keine Zeit, um abzuwarten und die Dinge ohne sein Einwirken passieren zu lassen. In einem unaufmerksamen Moment schnappt er sich die Vorräte seiner Entführer und entflieht ins Unterholz - nur, um eine Zombie-Attacke später sein gutes Herz unter Beweis zu stellen und das gestohlene Gut (unter anderem Insulin) wieder zurückzubringen. "Why the hell did you come back?" Ja, das ist eine berechtigte Frage, allerdings entpuppt sich Daryls Rückkehr als willkommenes Timing, denn just in dieser Minute taucht ein Truck auf und mehrere (größtenteils gesichtslose) Männer durchkämmen bemerkenswert organisiert den Wald. Drehbuchautorin Heather Bellson bringt in dieser Szene ganz beiläufig den Hauptgegner für die kommenden Episoden in Stellung. Denn offensichtlich sind Daryls flüchtige Bekanntschaften Teil eines größeren Abhängigkeitssystems, das spätestens nach der jüngsten Casting-Meldung die baldige Ankunft eines legendären Antagonisten aus der zugrundeliegenden Comic-Reihe erwarten lässt.
Heather Bellson gelingt es dabei erstaunlich gut, einen Teaser für das Kommende einzufädeln, während vordergründig drei Figuren des Main-Casts mehr oder weniger vertieft werden. Im Fall von Daryl können wir vermutlich froh sein, dass er seit Beths (Emily Kinney) Ableben überhaupt mal wieder so etwas wie einen eigenen Story-Arc besitzt, selbst wenn er sich in puncto Charakterentwicklung immer noch in einem sehr kleinen Kreis bewegt. Eine obligatorische Lektion bleibt ihm trotzdem nicht erspart: Nachdem er seine ursprünglichen Entführer aufgrund von Gewissensbissen gerettet und beschützt hat, wenden sich diese (nach dem Verlust von Tina) im Angesicht des unerbittlichen Überlebenskampfes wieder gegen ihn. Die Angst gewinnt und das soeben hergestellte Grundgerüst an Vertrauen bricht in sich zusammen. Sichtlich bedröppelt steht Daryl da und muss sich schweren Herzens von seinem geliebten Motorrad verabschieden, das ihm mitsamt seiner Armbrust von Sherry und Dwight entwendet wird.
Bei Abraham und Sasha passiert ebenfalls einiges, sogar ein paar romantische Vibes finden ihren Weg in die Episode. Zwar steht Abraham - wie bereits weiter oben beschrieben - deutlich im Vordergrund, dafür entpuppt sich Sasha einmal mehr als eine der vielversprechendsten Figuren der Serie, deren Potential bis dato nie gänzlich ausgeschöpft wurde. Bleibt nur zu hoffen, dass sie fortan nicht ausschließlich zu Abrahams Love Interest degradiert wird. Ansonsten können wir auch diese Woche nur spekulieren, was aus Glenn (Steven Yeun) geworden ist. Seine Nicht-Nennung in den Credits dürfte niemanden überraschen. Dennoch überlässt uns Heather Bellson auf den letzten Metern einen Hinweis in Form eines verzweifelten Hilferufs via Funkgerät. Eigentlich versuchte Daryl eine Verbindung nach Alexandria herzustellen, allerdings ertönt am anderen Ende der Leitung mit Sicherheit nicht Ricks Stimme. Die Frage ist demzufolge, wem gehört sie dann?
Was bisher geschah:
Staffel 6, Folge 1: First Time Again
Staffel 6, Folge 2: JSS
Staffel 6, Folge 3: Thank You
Staffel 6, Folge 4: Here's Not Here
Staffel 6, Folge 5: Now
Die sechste Staffel von The Walking Dead läuft in Deutschland beim Pay-TV-Sender FOX .