Wir befinden uns in der entfernten Zukunft und einmal mehr sieht sich die gesamte Menschheit von ihrer endgültigen Auslöschung bedroht. Nichts Besonderes in der filmischen Welt, so könnte eine Reaktion auf dieses Szenario ausfallen. Dieses Mal sind es jedoch abstrakt geformte Killerinsekten, genannt Bugs, die der einstigen Krone der Schöpfung den Garaus machen wollen. Gut, also vielleicht ein Weltuntergangsdrama mit hohem Trash-Faktor. Aber auch darauf lässt sich der Film nicht reduzieren, der 1997 einiges an Aufmerksamkeit auf sich zog und auch heute seinen Status als Auslöser von großen Diskussionen nicht verloren hat.
Ein Holländer killt übergroße Käfer
Der Regisseur von Starship Troopers ist niemand Geringeres als Paul Verhoeven. Der Niederländer sorgte mit seinen Filmen regelmäßig für großes Hallo, ob mit angeblich obszönen Darstellungen von Sexualität wie in Basic Instinct und Türkische Früchte oder mit überzogener Zelebrierung von Gewalt wie in RoboCop und Die totale Erinnerung – Total Recall. Kritiker oder Frauenverbände – irgendjemand hatte an den Werken von Paul Verhoeven immer etwas auszusetzen. So ist es kaum verwunderlich, dass auch Starship Troopers einige Kontroversen heraufbeschwor.
Die Diskussionen um den 124-Minüter mit Casper van Dien, Denise Richards und Neil Patrick Harris (Ja, genau der!) drehten sich um mehr als Fragen des guten Geschmacks, gelungene Spezialeffekte oder Genregrenzen. Sie berührten ein Thema von ungleich größerer Sensibilität, was im vorbelasteten Deutschland sogar in einem Platz auf dem Index resultierte. Nicht gerade kleine Anteile der globalen Zuschauerschaft meinten in Starship Troopers eindeutig Nazipropaganda zu erkennen.
Doch mehr als ein bloßes Insekten-Massaker?
Niemand kann verleugnen, dass es in dem Science-Fiction-Action-Abenteuer durchaus Elemente gibt, die an die Symbolik des „Dritten Reichs“ erinnern: Die Welt funktioniert unter dem System einer militaristischen Diktatur, die auch von den Helden des Films niemals in Frage gestellt wird. Deren Flagge zeigt einen Adler, die Architektur könnte auch von Albert Speer stammen, die Uniformen der Soldaten erinnern massiv an die Waffenröcke der Gestapo, die Gesellschaft ist scharf unterteilt in „Civilians“ und die privilegierten „Citizens“.
Auch der Regisseur höchstselbst trug lange Zeit nicht gerade zur Entspannung der Situation bei: „Die erste Einstellung ist Triumph des Willens entnommen. Wenn die Soldaten in die Kamera schauen und sagen: ‚I’m doing my part!‘, dann ist das von Riefenstahl. Wir haben es kopiert. Es ist eindeutig Riefenstahl.“ Nein, hier werden nicht nur nervige Fliegen an die Wand geklatscht.
Eine fragwürdige Inspirationsquelle
1934 fand in Nürnberg der Parteitag der NSDAP statt und diente als Location für einen früheren, sehr umstrittenen Film. Die Regisseurin Leni Riefenstahl filmte Paraden, Aufzüge und Reden, und produzierte so ihr einflussreichstes Werk. Innovative Techniken wie Teleobjektive und Luftaufnahmen, ausgeklügelte Montage und suggestive Untermalung mit Musik ließen Triumph des Willens zu einem bedeutenden Werk der Filmgeschichte werden. Politisch und moralisch hochgradig zweifelhaft gehört er aber gleichzeitig auf die Liste der Vorbehaltsfilme und darf bis heute nur im Rahmen begleitender Einführungen und Diskussionen öffentlich gezeigt werden.
Was tust du hier eigentlich?
Aber wieso? Wieso sollte sich ein Regisseur, der im Laufe seiner ziemlich erfolgreichen Karriere mit Der Soldat von Oranien immerhin schon ein Drama über den Widerstand gegen das Naziregime gedreht hatte, nun von dessen perfidesten Propagandafilm inspirieren lassen und sich auf diese Weise angreifbar machen? Aus allein ästhetischen Beweggründen? Das wäre wohl zu kurz gefasst: „Ich wollte etwas mehr machen als nur einen Film über riesige Käfer“, so äußerte sich Paul Verhoeven während eines Interviews für die DVD zu Starship Troopers. „Was ich versucht habe, war das Benutzen subversiver Bilder um eine Aussage über die Gesellschaft zu treffen. Ich versuchte, das Publikum dazu zu verführen, der Gesellschaft der Troopers beitreten zu wollen um sich dann zu fragen: ‚Was tust du hier eigentlich?‘“
Was aber ist besonders mit den Kinogängern jüngerer Generation, die den besonderen Twist in Starship Troopers nicht verstanden? Zwar wird in der Schule alles Mögliche analysiert, Nazi-Propagandafilme stehen allerdings eher weniger auf dem Stundenplan. Paul Verhoeven rät, seinen Streifen nicht zu wichtig zu nehmen: „Was Riefenstahl tat – das kannst du nicht mit jungen Erwachsenen vergleichen, die gegen riesige Insekten kämpfen. Das ist wirklich etwas ganz anderes.“
Was denkt ihr über Starship Troopers? Böse Propaganda oder wird doch alles nicht so heiß gegessen wie es gekocht wird?
Was die Menschheit sonst noch im (Film)Jahr 1997 bewegte:
Drei Filmleute, die ihr Debut feierten
Orlando Bloom in Oscar Wilde von Brian Gilbert
Jennifer Garner in Harry außer sich von Woody Allen
Aaron Eckhart in In the Company of Men von Neil LaBute
Drei Filmleute, die gestorben sind
14. März 1997 – Fred Zinnemann, Regisseur von Der Schakal
30. Oktober 1997 – Samuel Fuller, Regisseur und Autor von The Big Red One
04. Dezember 1997 – Richard Vernon, Colonel Smithers aus James Bond 007 – Goldfinger
Die großen Festival- und Award-Sieger waren unter anderem
Oscars – Titanic von James Cameron
Goldener Löwe – Hana-bi – Feuerblume von Takeshi Kitano
Goldener Bär – Larry Flynt – Die nackte Wahrheit von Milos Forman
Die drei kommerziell erfolgreichsten Filme
Titanic von James Cameron
Vergessene Welt – Jurassic Park von Steven Spielberg
Men in Black von Barry Sonnenfeld
Drei wichtige Ereignisse der Nicht-Filmwelt
01. Juli 1997 – Großbritannien gibt Hongkong zurück an die Volksrepublik China
15. Juli 1997 – Slobodan Milošević wird zum Staatspräsidenten der Bundesrepublik Jugoslawien gewählt.
31. August 1997 – Lady Di stirbt bei einem Autounfall in einem Pariser Tunnel