Forest Whitaker - Die Größe des Mitfühlens

15.07.2016 - 09:21 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
Forest WhitakerCBS
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Heute wird Forest Whitaker 55 Jahre alt. Zum Geburtstag ein ganz persönlicher Rückblick auf einen Schauspieler, der es schaffte, mich mit nur wenigen Augenblicken von seiner Größe zu überzeugen.

Gefühlt zu häufig war er in den vergangenen Jahren in einer schlecht geschriebenen Polizistenolle nach der anderen zu sehen. Er, der große, verletzliche Hüne. Er, der auch scheinbar kleinste Rollen mit Geschichten füllen kann. Er, der mir nicht etwa mit dem Jarmusch-Klassiker Ghost Dog näherkam, sondern als mitfühlender Einbrecher, ein vom Leben niedergerungener Schlaganfallpatient und größenwahnsinniger, afrikanischer Diktator. Er, das ist Forest Whitaker. Alles Gute zum 55. Geburtstag.

Auf ein Treffen im Panic Room

Es war eine vergleichsweise kurze Periode, in der ich mit mehreren Darbietungen Whitakers in Berührung kam. Zwar verfolgt mich seine Klasse bis heute. Seine Filmografie allerdings vereinigte sich nur selten mit dem, was ich daheim oder im Kino schaute. Gefühlt spielte er in den vergangenen zehn Jahren zu häufig irgendeine Art von Polizeirepräsentant in mäßigen Filmen, wie etwa Street Kings (2008) oder 96 Hours - Taken 3 (2014). Dazu kommen Auftritte als Ermittler in der Krimiserie Criminal Minds sowie frühere Cop-Rollen. Lieber erinnere ich mich da an meine erste filmische Begegnung mit Forest Whitaker in David Finchers Belagerungsthriller Panic Room. Es war eine kleine Einbrecherrolle, die Whitaker mit viel Leben auszufüllen wusste.


Panic Room

Nicht etwa seine beiden aggressiven wie brutalen Einbruchscompagnons waren es, die mich begeisterten. Es war die von Whitaker gespielte Figur, deren professionelle Coolness von einer verletzlichen Empathie kontrastiert wurde. Den in ihm schlummernden Konflikt zwischen Menschlichkeit und Mitläuferdruck stellte der in Texas geborene Hüne mit tiefem Einfühlungsvermögen dar. Die stämmige Präsenz des knapp 1,90m großen Darstellers erfährt ihre Erdung und Gelassenheit in seiner beinahe schon kontemplativen Ausstrahlung. Wenn er spricht, erklingt eine ruhige, warme Stimme. Das Herunterhängen seines linken Augenlides, die abstehenden Ohren und sein stämmiger Körper zeigen einen Menschen, kein Produkt eines Business. Ich fühle mich an Philip Seymour Hoffman erinnert.

Der Große ganz klein

In einem der für mich großen Serienmomente wusste Whitaker sein mildes Gemüt beeindruckend auszuspielen. In der 13. Staffel der Krankenhausserie Emergency Room ist er als Schlaganfallpatient Curtis Ames zu sehen, der einen Prozess gegen einen verantwortlichen Arzt nach dessen falscher Behandlung verliert und daraufhin Gerechtigkeit in der Rache sucht. Dafür nimmt er dessen Frau, ebenfalls Ärztin, und ihr Kind in deren Wohnung als Geiseln. Über sechs Episoden erstreckt sich das Drama, in dem Whitaker entgegen seiner einnehmenden Erscheinung als klein, hilflos und verloren erscheint. Der erwachsene, im Leben stehende Zimmermann Ames wird zum kleinen Kind, das nicht anders mit seinen Schicksalsschlägen umzugehen weiß. Mit welcher Sanftheit er gleichzeitig das Geiselszenario in eine fast schon hoffnungsvolle Aussicht auf Katharsis füllt, ist großes Fernsehen. Äußerlich ruhig empfängt er Mutter und Kind im Sessel ihrer Wohnung, will nur reden, wie er selbst sagt. Bewaffnet.


Emergency Room

Mit jenem Arzt, der ihn falsch behandelte. Er fragt nach dem Wohl des Babys, als sei er ein guter Freund der Familie. Sein Ausdruck verrät Enttäuschung angesichts ihres Erfolgs und seiner Realität, in der er nun mit nichts dastünde. Als sie ihm von ihrer schwierigen Alkoholvergangenheit und dem angespannten Verhältnis zu ihrer manisch-depressiven Mutter erzählt, offenbart sich ein Wechsel vom bitteren Enttäuschten zum sanften Riesen. Sein Gesicht ist voll der Sehnsucht nach dem Glück, das ihm genommen wurde. Er hört ihr gerne zu, gönnt ihr die Freude. Eine Träne im rechten Auge staut sich auf. Sein träge wirkendes linkes beruhigt zusätzlich. Die Szene schließt mit der Frage: "Haben Sie Bourbon?" Sein innerer Tornado muss beruhigt, wenn er schon nicht gezähmt werden kann. Die Zerrissenheit ist in wenigen Augenblicken auf den Punkt gebracht. Und wieder ist es sein reduziertes Spiel zwischen physischer Präsenz und sensiblem Empfinden, das in Erinnerung bleibt.

Der massenmordende Verführer

Seinen bisher einzigen Oscar-Gewinn feierte Forest Whitaker 2007 mit seiner Leistung im Polit-Thriller Der letzte König von Schottland - In den Fängen der Macht. Als massenmordender ugandischer Präsident Idi Amin verstand er es nicht nur, die fiktiven Filmfiguren um den Finger zu wickeln, sondern das Publikum zu hypnotisieren. Regisseur Kevin Macdonald macht sich die körperliche Präsenz beim ersten Auftritt clever zunutze. Er inszeniert Whitakers Diktator als charmanten, den Bildschirm und damit das Gefühl seiner Zuschauer einnehmenden Führer, der weiß, die Herzen der Massen für sich zu gewinnen. Seine wohldosierten ruhigen Töne inmitten des lauten Echos seiner aufpeitschenden Rufe schließen den Kreis zu seinem milden Naturell. Dieses fungiert hier jedoch als Selbstzweck. Es ist, als reflektiere Whitaker diese Seite seines Charismas und funktionalisiert sie, womit seine Schauspielkunst eine weitere, faszinierende Komponente erhält. Schließlich dekonstruiert er diese Seite gekonnt, als die sich aufbauende Paranoia und der Größenwahn Amins in die nackte Freisetzung seiner schonungslosen Brutalität mündet.


Der letzte König von Schottland -In den Fängen der Macht

Damit macht er aus einem durchschnittlichen Film zwar keinen großen. Aber er verleiht ihm Größe. Eine Größe, die Forest Whitaker für mich zu einem der interessantesten und talentiertesten Darsteller nicht nur seiner Generation macht. Ich danke ihm für die kurzen, einprägsamen Momente. Möge es von diesen in Zukunft mehr zu sehen geben. Vielleicht ist ja die Macht mit ihm. Alles Gute zum 55. Geburtstag, Mr. Whitaker.

Wie steht ihr zu Forest Whitaker?

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