7 Fragen Kubrick_obscura

09.12.2012 - 08:50 UhrVor 12 Jahren aktualisiert
She was bad. She was dangerous. But... she was my kind of woman.
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She was bad. She was dangerous. But... she was my kind of woman.
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Das Jahr neigt sich seinem Ende zu, und wer weiß, vielleicht sogar die Welt. Also schnell noch einmal 7 Fragen reinschieben, bevor hier alles explodiert! Tanzt mit Kubrick_obscura in die Apokalypse, denn: We’re going out with a Bang!

Schnee und Weihnachtsstimmung allerorten, in der Ferne erklingen leise ein paar Glöckchen und die Menschen schnauzen sich ein kleines bisschen freundlicher an als sonst. Aber lassen wir uns nicht von den wirklich wichtigen Terminen ablenken! Am 21. Dezember ist Weltuntergang und bis dahin ist noch viel zu tun! Die letzten verbliebenen Filme aus den Top 100 gucken, schnell noch die eine Serie vollenden, die da schon seit Monaten im DVD-Regal rumlungert. Aber vor allen Dingen: Die heutigen 7 Fragen lesen, denn dies sind die letzten 7 Fragen des Jahres! Keine Sorge, wenn alles nach Plan läuft, die Welt am 21. dann doch nicht untergeht, und das hier nicht die letzten 7 Fragen aller Zeiten sind, kommen wir nächstes Jahr wieder.

Trotzdem, nur für alle Fälle: Lest solange ihr noch könnt! Die Mutigen unter Euch (und die, die sich ohnehin schon einen Bunker zugelegt und mit genug Popcorn ausgestattet haben, um die Apokalypse mit einem Star Trek-Marathon zu überbrücken) können natürlich trotzdem an Kängufant schreiben, um selber einmal an den 7 Fragen teilzunehmen! Jetzt tanzen wir erstmal mit Kubrick_obscura und Cyd Charisse noch einmal auf dem Vulkan – denn gibt es eine perfektere, beeindruckendere Tanzszene da draußen? Und nur so ein Tanz ist eines Weltuntergangs würdig! Also: Shall we dance?

Was ist deine erste Erinnerung an Film, Kino oder Fernsehen? Womit fing alles an?

Leider habe ich keine Erinnerung mehr an einen Kinobesuch, den ich definitiv als den ersten benennen könnte. Vielleicht war es Disneys Die Schöne und das Biest oder Der König der Löwen. Bestimmt war es irgendein Disneyfilm. Allerdings kommt meine Liebe zum Kino nicht durch einen Film, den ich im Kino gesehen habe, sondern durch einen Film, den ich nicht im Kino sehen konnte. 1993, ich war sechs Jahre alt und die ganze Welt spielte verrückt wegen Steven Spielbergs Jurassic Park. Jedes Kind war im Dino-Fieber. Ich ebenso, aber der Film war erst ab 12 Jahren freigegeben, ergo durfte ich nicht ins Kino. Trotzdem bekam ich das Spielzeug geschenkt und malte mir in meinem Kopf eine eigene Version des Films aus. Ein Jahr später erschien Jurassic Park auf VHS und meine Eltern kauften den Film, sahen ihn sich an und entschieden, dass ich den Film zusammen mit ihnen gucken darf. Es war dann irgendein heller Sonntag-Nachmittag in unserem Wohnzimmer, Papa links, Mama rechts von mir und ich sah auf einem recht kleinen Fernsehgerät Spielbergs Meisterwerk, das bis heute einer meiner Lieblingsfilme ist und das, weil damals genau meine Erwartungen erfüllt wurden. Es war der gleiche Film, den ich mir beim Spielen ausmalte.

Welcher Film, welche Serie hat dein Leben verändert? Was war danach nie wieder so wie vorher?

Neben Jurassic Park, der freilich das Feuer entzündete, brauchte es zig Jahre um zu begreifen, dass es ja noch viele anderen Filme gibt, die nicht aus Hollywood kommen. Im letzten Jahr meiner Schulzeit, das auch gleichzeitig mein erstes Jahr außerhalb von zu Hause war, fing ich an die DVD-Abteilung der Greifswalder Stadtbibliothek ausgiebig zu studieren. Hier lernte ich Stanley Kubrick, Rainer Werner Fassbinder, David Cronenberg, Michael Haneke, Alfred Hitchcock und Nicolas Roeg kennen. Alle diese Regisseure haben Filme gemacht, die meinen damaligen Horizont erweitert haben. 2001: Odyssee im Weltraum von Kubrick war der erste und bis heute auch einzige Film, den ich nach dem ersten mal gleich ein zweites mal schauen musste. Nicolas Roegs Wenn die Gondeln Trauer tragen hatte eine fast hypnotische Wirkung auf mich, da ich mir gar nicht erklären konnte, was ich an dem Film eigentlich so mag. Das traf alles sehr tief. Dennoch gibt es einen Film, den ich zu dieser Zeit fast unendlich oft gesehen habe und auch so gut wie jedem meiner Freunde und Verwandten gezeigt habe. Das Fest von Thomas Vinterberg präsentierte mir eine völlig neue Sicht auf das Medium. Ich hätte nie gedacht, dass es überhaupt möglich ist Filme so zu drehen und was noch viel spektakulärer war, mein filmisch doch recht unerfahrener Bekanntenkreis war ebenso total geflasht von diesem Film. Wenn du jemandem erzählst, dass es da einen Film gibt, der nach bestimmten Regeln gedreht wurde, die u.a. beinhalten, dass man kein künstliches Licht, kein Stativ und keine Off-Musik benutzen darf, dann denkt doch jeder zuerst „Was soll’n das für’n Scheißfilm sein?“ Und dennoch hat Vinterberg mit Das Fest einen Film gedreht, den nicht nur jeder konsumieren kann und sollte, sondern der auch meine Antwort auf die Frage „Was ist Film?“ grundsätzlich veränderte.

Welchem Schauspieler oder Regisseur würdest du jeden Fehltritt verzeihen? Und womit hat er oder sie diese Nachsicht verdient?

„Ok, I’m a Nazi.“ und auf einmal stand Cannes Kopf. Lars von Trier hat es ihnen mal wieder gezeigt und wurde daraufhin prompt des Festivals verwiesen, während Mel Gibson aus Der Biber stolz auf dem roten Teppich spazierte. Von Trier war nach seinem Klinikaufenthalt wegen Depressionen ein anderer Mensch als vorher. Das sieht man allein schon an den Interviews. Aus einem eloquenten, schelmischen, aber beherrschten Idealisten wurde ein zitternder, stotternder und zerstreuter Idealist. Trotzdem würde ich Lars von Trier alles verzeihen. Ich sehe sein Spiel mit dem eigenen Ego sowieso eher als cleveres Marketing in der Tradition Alfred Hitchcocks. Seine Filme sind dagegen immer ganz klar, selbst seine Post-Depressionswerke wie Antichrist und Melancholia. Ich glaube nicht, dass von Trier je einen schlechten Film drehen wird. Das gelingt ihm nicht. Ihn beschäftigt zu viel. Er kämpft mit der Welt. Er ringt mit ihr. Seine Protagonist_Innen, alle Alter Egos des Regisseurs, fechten diesen Kampf mit ihr aus und verlieren meistens auf grausame Weise. Alle Trier-Filme stellen doch nichts anderes als Versuchsanordnungen dar, die wie in einer Simulation im Computer den Ausgang der Variable Mensch untersuchen. Der Regisseur selbst verglich das Drehbuchschreiben mit reiner Mathematik, nur sollte man die Gesetze kennen. Lars von Trier kennt sie und hoffentlich macht er weiter Filme und lässt sich weiter zu solch hinreißenden Aussprüchen wie „I’m a Nazi.“ hinreißen, denn nichts ist gesünder als gepflegtes Nachdenken.

Herr Verteidiger, Sie haben das Wort: Welcher Film, welche Serie hat, deiner Meinung nach, eine viel zu schlechte Bewertung auf moviepilot?

Eigentlich müsste an dieser Stelle Hostel stehen, Eli Roths „falsch verstandener Knüller“ (Heavy_Metal), oder viele der zahllosen „alten“ Klassiker, die auf moviepilot eine viel zu schlechte Community-Bewertung erleiden. Ich entscheide mich aber für Brokeback Mountain von Ang Lee, ein Film, der noch in 100 Jahren von Bedeutung sein wird. Ich habe dieses Meisterwerk damals zweimal im Kino gesehen. Es ist sowieso ein Film, der bei jedem Sehen schöner wird. Kein anderer Film wird so gerne schlecht bewertet ohne ihn vorher gesehen zu haben. Über keinen Film wird so gerne ein vorschnelles, meist heterosexistisches Urteil gefällt, wobei gerne unter dem Deckmantel der Langeweile argumentiert wird. Brokeback Mountain sei halt langweilig. Das lese ich ständig. Homophobie, ich hör dir trapsen. Doch selbst in der queeren Community genießt dieser moderne Klassiker einen zwiespältigen Ruf. So wird dem Film gerne vorgeworfen er würde das Bild des leidenden Schwulen schüren. Natürlich brauchen wir mehr klischeebefreite und alltägliche homosexuelle Figuren im Kino, also weder Paradies-Vögel, noch gesellschaftlich Ausgestoßene. In den letzten Jahren gab es ja auch ein paar sehr positive Beispiele in Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt oder Taking Woodstock, wo wir allerdings wieder bei Ang Lee wären. Ich habe nichts gegen eine große, fröhliche Mainstreamkomödie mit schwulen Hauptfiguren, aber die Möglichkeiten eines Liebesdramas möchte ich trotzdem nicht missen. Zumal immer noch das dramaturgische Gesetz gilt: Being happy is not interesting. Das Spannende an Brokeback Mountain ist, dass er der Problematisierung von Homosexualität weitestgehend aus dem Weg geht. Es ist weniger eine Geschichte über ein schwieriges äußeres Coming-Out als mehr über den Prozess eines inneren Coming-Outs. Heath Ledgers Figur kämpft weniger mit seiner Außenwelt als mit sich selbst und Ang Lee gelingt es, dass jeder Zuschauer und jede Zuschauerin genau das gleiche fühlt. Dadurch wird Brokeback Mountain zu einem Film, der alle Grenzen von Geschlecht und Sexualität gepflegt hinter sich lässt.

Bibbedi-bobbedi-buh: Du bist jetzt König von Hollywood! Was würdest du als erstes ändern?

„YES, unlimited POWER!!!“, um mal den weisen Darth Sidious zu zitieren, wobei ich mich doch eher in der Rolle der Rebellen sehe. Ich bin ja niemand, der Hollywood grundsätzlich verurteilt. Die amerikanische Kinokultur hat sich zurecht einen Platz im Olymp gesichert, zumal ich mich sowieso am stärksten zu ihr hingezogen fühle. Ich bin auch niemand, der grundsätzlich Sequels, Prequels, Reboots und Spin-Offs verurteilt. Auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn, aber was in den letzten Jahren als große Filme so ins Kino kam, macht mich schon wütend. Ich hatte ja gehofft, dass so ein Film wie Inception Hollywoods Suche nach originellen Stoffen fördern würde. Da habe ich mich wohl geirrt. Es kamen weiterhin zig Remakes und Superheldenfilme. Auch ich mochte Marvel’s The Avengers, aber ich kann echt keine Superhelden mehr sehen. Ich will das nicht mehr. Ich kann auch die Worte „Teil“, „Episode“ und „Part“ nicht mehr lesen. Das ist einfach zu viel. Nur leider stürmen die Leute wie die Schafe in solche Filme. Ja, früher war wirklich alles besser. Ich habe mir vor kurzem Lawrence von Arabien von David Lean auf Blu-Ray geholt. 1962 war das ja der Blockbuster. Nur wäre so ein Film heute noch möglich? Wenn ich König von Hollywood wäre, ich würde aus reiner Experimentierlust Sequels, Reboots und Co. verbieten, einfach um zu sehen, was passiert. Vielleicht würde ich sogar so weit gehen und das Adaptieren von Büchern verbieten. Ich weiß, dass viele meiner Lieblingsfilme auf Büchern basieren, aber Hollywood steckt voller Autoren, großartiger Autoren, die auch etwas zu erzählen haben.

Wenn du einen Tag in einem Film leben könntest, welcher würde es sein und welche Figur wärst du?

Am liebsten wäre ich wohl Fred Astaire in Vincente Minellis Vorhang auf!, nicht nur weil ich mich gerne so bewegen können würde wie Mr. Astaire, sondern in erster Linie, weil ich Musicals liebe. Ich möchte ungern in einem Film landen, wo die Gefahr besteht erschossen zu werden. Das trifft ja auf viele Filme zu. Deshalb wäre ein Tag in diesem Film genau das richtige. Ich würde mit Cyd Charisse im Park spazieren gehen und auf einmal würden sich unsere Schritte in choreografierte Bewegungen verwandeln. Die Musik würde hörbar lauter werden und unser Tanz würde in irreale Sprünge und Drehungen gipfeln, die nur im Kino möglich sind. Natürlich würden wir dazu singen, andauernd, denn nur böse Menschen haben keine Lieder.

Was ist die größte Sünde, die man beim Filmegucken begehen kann? Was bringt dich so richtig auf die Palme?

Neben den typischen Most-Wanted wie Quatschen, Handyklingeln und Aufstehen während des Films, kann ich es überhaupt nicht leiden, wenn jemand ständig erraten muss, was als nächstes passiert. Da kriege ich das Würgen. Das sind so Menschen für die wurde weder das Kino, noch irgendein anderes Medium erfunden, das Geschichten erzählt. Sie sind mehr mit sich und ihrem eigenen Genie beschäftigt als sich für andere Menschen geschweige denn fiktive Figuren zu interessieren. Meistens neigen diese Leute dann auch dazu sogenannte „Filmfehler“ zu erkennen, also schlechte Anschlüsse oder Anachronismen um sich dann darüber lustig zu machen, eben weil sie so klug sind.

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