Alien: Romulus hat eine Grenze überschritten, die das ganze Kino verändern wird – und zwar auf gefährliche Art

24.08.2024 - 09:45 UhrVor 7 Monaten aktualisiert
Alien: RomulusDisney
0
1
Im neuen Alien-Film wird ein Schauspieler aus dem ersten Teil zurückgebracht, der 2020 gestorben ist. Wie diese Rückkehr in Alien: Romulus umgesetzt wird, ist frustrierend und besorgniserregend.

In den letzten Jahren hat sich ein Trend im Franchise-Kino gebildet, der Fortsetzungen betrifft. Mittlerweile gibt es sogenannte Legacy-Sequels, in denen mindestens eine Figur aus den frühesten Anfängen der Reihe zurückgeholt wird.

Nach Star-Comebacks wie Jamie Lee Curtis als Laurie Strode in der neuen Halloween-Trilogie oder Neve Campbell als Sydney Prescott in Scream hat der Legacy-Sequel-Trend jetzt auch das Alien-Franchise erreicht. Der Umgang mit einem bekannten Star hat im aktuellen Teil Alien: Romulus aber einen fragwürdigen neuen Tiefpunkt erreicht.

Achtung, ab hier folgt ein Spoiler zu Alien: Romulus!

Alien: Romulus bringt verstorbenen Ian Holm als CGI-Alptraum zurück

In Ridley Scotts Alien - Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt war Ian Holm erstmals als Androide Ash zu sehen. Seine künstlich geschaffene Natur hielt er vor dem Rest der Crew geheim, denn er wurde von der Weyland-Yutani Corporation als Spion an Bord der Nostromo geschickt, um den Xenomorph in die Hände des Konzerns zurückzuholen.

In Alien: Romulus gibt es jetzt ein Wiedersehen mit dem britischen Schauspieler, der 2020 gestorben ist. Mithilfe einer Mischung aus Animatronik, CGI-Effekten und KI-Einsatz  für die Stimme ist Holm als neuer Androide Rook zu sehen, der seinem Charakter aus dem ersten Alien-Film nachempfunden ist.

Der Effekt ist genauso irritierend wie haarsträubend, denn das durch CGI erzeugte Gesicht eines digital verjüngten Holm wirkt so glattgebügelt und künstlich aufpoliert, als würde es sich um einen Charakter aus einem Videospiel handeln. Auch wenn es sich bei Rook selbst um einen künstlich geschaffenen Menschen handelt, funktioniert dieser artifizielle Look zu keiner Sekunde.

In seinem Alien: Romulus-Artikel hat mein Moviepilot-Kollege Jan Felix den Blockbuster als einen der schönsten Sci-Fi-Filme aller Zeiten bezeichnet. Dieses Lob kann man Fede Álvarez' Werk aufgrund der detailverliebten Sets, authentischen Kostüme und schleimigen Details auf jeden Fall zugestehen. Auf den Einsatz von Holms bizarrer CGI-Marionette, die in den schlimmsten Momenten aussieht wie Gruselpuppe Slappy aus R.L. Stines Gänsehaut-Universum , trifft das aber nicht zu.

Rook ist in dem Film ein seltsamer Fremdkörper, der künstlicher wirkt als alle Xenomorphs oder Facehugger, die hinter jeder Ecke von Alien: Romulus lauern könnten. Modernere Filme wie The Irishman oder der letzte Indiana Jones-Film mit einem verjüngten Harrison Ford im Prolog haben gezeigt, dass die Technologie noch nicht ausgereift ist und beim Zuschauen einen beklemmenden Uncanny Valley-Effekt verursacht. Dabei handelt es sich um den Moment, bei dem der Anblick einer künstlichen Figur Unbehagen, Verwirrung oder andere negative Reaktionen auslöst.

Der jüngste Alien-Film wird durch die Kombination aus einem digital verjüngten Charakter und gleichzeitig von den Toten zurückgebrachten Menschen aber noch viel bedenklicher.

Die Franchise-Wiederbelebung toter Stars ist eine bedenkliche Kino-Entwicklung

Im oben verlinkten Los Angeles Times-Interview erzählt Álvarez, dass er von Holms Witwe Sophie de Stempel Zuspruch für den künstlich erzeugten Auftritt des Stars bekommen hätte. Ihr zufolge habe Holm in den Jahren nach seiner Hobbit-Rolle als Bilbo Beutlin in Hollywood keinen Anschluss mehr gefunden. Außerdem hätte er es geliebt, Teil von Alien: Romulus zu sein.

Dabei handelt es sich aber nur um Aussagen und Entscheidungen, die über den Kopf des Verstorbenen selbst getätigt und getroffen worden sind. Ob Holm den Part von Rook in dem Blockbuster wirklich gespielt hätte, werden wir ebenso nie erfahren wie seine Meinung zu der absonderlichen CGI-Kreation im Frankensteins Monster-Style, die letztlich im Film gelandet ist.

Im Star Wars-Universum wurden in den letzten Jahren verstorbene Stars wie Peter Cushing als Großmoff Tarkin und Carrie Fisher als Prinzessin Leia für Spin-off- und Prequel-Auftritte zurückgebracht. Dabei handelte es sich jedoch in der Regel um kurze Momente, die, wie im Fall von Fishers Paraderolle, für respektvolle oder würdigende Cameos genutzt wurden.

Ian Holms umfangreichere Rolle als manipulativer Alien: Romulus-Bösewicht eröffnet im Kino dagegen ungeahnte Möglichkeiten, was den ethisch verwerflichen Umgang mit Toten angeht. Durch den alleinigen Segen der Hinterbliebenen könnte sich die Leinwand in naher Zukunft in einen schamlosen Totentanz verwandeln, bei dem das reale Ableben eines Menschen kein Hindernis mehr ist.

Im Marvel Cinematic Universe (MCU) gibt es längst Zeitreisen und Multiversen, durch die verstorbene Figuren wie jüngst Hugh Jackmans Wolverine im Deadpool-Franchise nie endgültig tot bleiben müssen. Währenddessen steuert das Medium dahinter selbst auf eine neue Art von Zynismus zu.

Das Kino musste sich schon immer dem technischen Fortschritt anpassen, wenn es um Entwicklungen wie neuartige Spezialeffekte geht. Beim Tod von Menschen sollte jedoch die Grenze gezogen werden. Ian Holms CGI-Wiederbelebung in Alien: Romulus ist der endgültige und bisher dringlichste Beweis dafür.

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News