Der Tenor der Kritiken für Hereafter – Das Leben danach verspricht nichts Großes. Ganz im Gegenteil. Das Drama mit Matt Damon über das Leben nach dem Tod ist der wohl am schlechtesten rezipierte Film von Clint Eastwood seit fast zehn Jahren. Kein Wunder, dass es der Film beim Oscar nur zu einer Nominierung für die besten Spezialeffekte geschafft hat. Doch die häufig genannten Kritikpunkte – das moderate Tempo, die ideenlose Inszenierung – der Kitsch – sind keineswegs neu, wenn es um das Werk des Hollywood-Titanen geht. Das unantastbare Podest, auf welches Clint Eastwood nach Mystic River gehoben wurde, muss spätestens jetzt ein wenig angesägt werden. Natürlich verdient die Legende großen Respekt für die immense Leistung, die eine lange Karriere wie die seine erfordert. Aber besser macht das seine jüngeren Filme nicht.
In der ersten Hälfte der 90er Jahre hatte Clint Eastwood das, was wir gemeinhin einen Lauf nennen. Mit Erbarmungslos schrieb er sich als Regisseur für immer in die Annalen der Filmgeschichte ein. Es schlossen sich Publikumserfolge wie Perfect World und Die Brücken am Fluß an, doch jeder Lauf hat mal ein Ende und dieses Ende trug für Clint Eastwood damals den Namen Mitternacht im Garten von Gut und Böse. Hochkarätig mit John Cusack und Kevin Spacey besetzt, war die Literaturverfilmung eine dröge Mörderhatz, die sich in ihrem atmosphärischen Sujet (Savannah) allzu sehr auf die faule Haut legte. Kein großer Regisseur ist vor einem Ausfall gefeit, aber für Clint Eastwood folgten gleich mehrere Filme, welche den zuvor gesetzten hohen Standards nicht gerecht wurden. Die trugen so erinnerungsunwürdige Titel wie Absolute Power, Ein wahres Verbrechen und Blood Work. Blicken wir aus dem Jahr 2003 zurück, als Mystic River in die Kinos kam, dann säße da ein großer Star auf dem Regiestuhl, der seit acht Jahren keinen guten Film mehr inszeniert hatte.
Doch dann kam Mystic River und alle Welt, besonders aber die Oscars, entdeckte Clint Eastwood wieder für sich. Zwar litt der Film gegen Ende unter dem pathetischen Einheitsbrei, der sich Score schimpft. Aber die Schauspieler und die passend düstere Inszenierung sprachen für das Missbrauchsdrama. Einer cineastischen Heiligsprechung als Regisseur kamen schließlich die Reaktionen auf Million Dollar Baby gleich, der stilistisch nicht unwesentlich mehr zu bieten hatte als die vorangegangenen Filme, dafür aber erneut mit den schauspielerischen Leistungen auf sich aufmerksam machte. Dass das BoxerInnendrama schematisch nach dem Prinzip “je mehr Leid, desto besser” aufgebaut war, störte da nur unwesentlich. Von der schrecklich stereotypen Sippe des Million Dollar Baby, die einfach nur auf arm, egoistisch und böse getrimmt wurde, mal ganz abgesehen. Doch Stereotype, Vereinfachungen und Klischees änderten nichts an den Liebesbekundungen, die Clint Eastwood als Regisseur nun zuflogen. Beim Oscar mutierte er fortan zum Stammgast.
Der Doppelschlag Letters from Iwo Jima und Flags of Our Fathers bestätigte diese Rolle. Gerade ersterer überzeugte durch die Entscheidung, japanische Schauspieler in ihrer Muttersprache einen aussichtslosen Krieg führen zu lassen. Weniger einhellig waren die Lobeshymnen zwei Jahre später für Der fremde Sohn, der zwar wie Oscar-Ware daherkam, mit seiner hübschen, aber konventionellen Ausführung trotzdem keinen Blumentopf gewinnen konnte. Viele Fans seiner Schauspielkarriere befriedigte dagegen das ironisch angehauchte Alterswerk Gran Torino, in dem der einstige Dirty Harry sein Image genüsslich persiflierte. Gran Torino jedoch, so lustig die Rassistenwitze des Walt Kowalski für viele auch sein mögen, vereint viele Schwachpunkte früherer Werke des Regisseurs in sich. Der Film ist formelhaft, kitschig und von einer altmodischen Logik getrieben, die in den 50er Jahren besser aufgehoben gewesen wäre.
Dass die Filme von Clint Eastwood manchmal eher sentimentalen Predigten gleichen, bestätigte auch Invictus . Doch während andere Regisseure für ihren Hang zum Pathos und zu simpler Symbolik getadelt werden, ändert die zunehmend generische Natur seiner Filme anscheinend kaum etwas an seinem Kult. Der Blick auf die letzten zwanzig Jahre seiner Karriere beweist jedoch, dass natürlich auch Clint Eastwood nicht unfehlbar ist. Kein Regisseur sollte und kann das sein. Doch anstatt hier auf eine veritable Legende einzuschlagen, fürchte ich eher, dass wir uns einer längeren Flaute im Werk von Clint Eastwood gegenüber sehen, wie damals in den späten 90ern. Doch mit vereinsamten Special Effects-Nominierungen sollte eine Karriere wie diese nicht zu Ende gehen.