Der deutsche Film 2010

05.02.2010 - 16:00 Uhr
Jerry Cotton
Rat Pack Filmproduktion
Jerry Cotton
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Immer mehr deutsche Mainstream-Filme orientieren sich an amerikanischen Vorbildern. So entstehen kreative und moderne Produktionen, aber auch einfallslose und peinliche Kopien der US-Originale.

Der deutsche Mainstream-Film beschränkte sich in der Wahrnehmung vieler Zuschauer lange Zeit weitestgehend auf die Aufarbeitung der deutschen Geschichte, die Verfilmungen klassischer literarischer Werke oder der Lebensgeschichten prominenter Deutscher. Nicht selten vergaßen Mainstream-Filmemacher in Deutschland, dass der vermeintlich „bedeutsame Stoff“ auch angemessen inszeniert werden muss, um wirklich gute Kinounterhaltung zu produzieren. Deutsche Filme waren steif, bieder und verkopft – „typisch deutsch“ eben.

In den letzten Jahren lässt sich aber eine neue Entwicklung erkennen: Mittlerweile können auch Mainstream-Filmemacher in Deutschland Geschichten erzählen, ohne dabei Film gewordenen Geschichtsunterricht zu produzieren. Sie beweisen ein Gespür für Inszenierung, Schauspielführung und Timing und haben damit oft auch kommerziellen Erfolg.

Dabei orientieren sie sich häufig an amerikanischen Vorbildern – was sich im besten Fall auf die aufwendige Produktionsweise und das filmische Handwerk beschränkt, so dass eigenständige, zeitgemäße Filme entstehen. Im schlechteren Fall führt es zur stumpfen Kopie eines amerikanischen Originals, wobei oft Werke inszeniert werden, bei denen der Zuschauer die Bedeutung des Wortes „Fremdschämen“ auf fast schon schmerzhafte Weise erfährt.

Stupide Übernahme aus Amerika

So wirkt der Trailer zu Rock it! wie eine High School Musical -Kopie, für die die Produzenten anstelle einer wirklichen Besetzung die Tanz-AG einer Provinzschule engagiert und statt eines Drehbuchs Songtexte auf Schlager-Niveau zur Basis des Films gemacht haben. Das Bushido -Biopic Zeiten ändern Dich soll wohl der Versuch einer deutschen Version von 8 Mile sein. Leider ist offenbar niemandem aufgefallen, dass Bushido zum Einen ein deutlich uninteressanterer Protagonist ist als das Vorbild Eminem und zum Anderen sein Talent als Schauspieler offenbar nicht einmal ausreicht, um sich selbst zu spielen. Als wäre das noch nicht genug, will der deutsche Regisseur Dennis Gansel mit Wir sind die Nacht auch noch auf den Twilight – Bis(s) zum Morgengrauen -Zug aufspringen (wir berichteten).

Die andere Seite: Kreatives aus Deutschland

Allerdings gibt es auch positive Beispiele: Mit Friendship! ist dem Regisseur Markus Goller kürzlich ein Road Movie gelungen, wie wir es aus Deutschland wohl nicht erwartet hätten. In schönen Bilden erzählt der Film leichtfüßig und dennoch glaubhaft eine Geschichte von zwei ungleichen Freunden auf einem Trip durch die USA. Jerry Cotton dürfte dem Trailer nach zu urteilen zwar nicht jedermanns Fall sein, im Genre der etwas klamaukigen Agentenkomödien könnte er aber durchaus in einer Liga mit amerikanischen Vertretern wie Get Smart spielen. Generell macht Deutschland im Bereich der Comedy derzeit Boden gut: Waren deutsche Komödien in der Vergangenheit oft kaum mehr als Aneinanderreihungen von Sketchen, entstehen heute immer mehr Filme wie der erwähnte Friendship! oder 13 Semester, die zwar zum Lachen anregen, aber eben auch eine echte Geschichte erzählen – und damit auch noch Erfolg haben. Fatih Akin, bisher eher bekannt durch ernste Dramen wie Gegen die Wand, drehte mit Soul Kitchen seine erste Komödie, die zu seinem bisher erfolgreichsten Film wurde.

Ein weiteres Genre, in dem sich deutsche Produktionen oft positiv hervorheben, ist das der Kinderfilme. So erscheint in diesem Jahr eine Neuverfilmung des Kinderbuch-Klassikers Hanni & Nanni, und auch die Vorstadtkrokodile 2 erleben ihren zweiten Auftritt in moderner Aufbereitung und mit prominenter Besetzung. Michael Herbig feierte kürzlich mit Wickie und die starken Männer Erfolge, ein zweiter Teil ist bereits geplant. Wickie auf großer Fahrt soll, als einer der ersten deutschen Filme überhaupt, in 3D gedreht werden (wir berichteten). Auch technisch sind deutsche Filme also auf der Höhe der Zeit.

Ausblick: Größere Genrevielfalt

Doch uns erwarten 2010 nicht nur Agentenklamauk und Kinderfilme: Tom Tykwer veröffentlicht in diesem Jahr die Tragikomödie Drei, seinen ersten deutschsprachigen Film seit zehn Jahren. Schwerkraft mit Jürgen Vogel und Fabian Hinrichs verspricht ein fesselndes Drama über einen Bankangestellten, dessen Leben außer Kontrolle gerät, was ihn in die Kriminalität führt. Mit Henri 4 versucht sich TV-Regisseur Jo Baier außerdem an einem aufwendigen Historienfilm fürs Kino.

Natürlich spielt auch die deutsche Vergangenheit weiterhin eine Rolle. So feiert beispielsweise auf der Berlinale Oskar Roehler s durchaus vielversprechender Jud Süß – Film ohne Gewissen Premiere. Auch für “lustige”, unzählige Male dagewesene Komödien ohne Mehrwert wird sich hier weiterhin Absatz finden, wie in diesem Jahr unter anderem Otto’s Eleven und Werner – Eiskalt! beweisen wollen.

Aber der deutsche Film lässt sich nicht mehr auf einzelne Genres beschränken. Einfallslose US-Kopien mögen ärgerlich sein, doch der Trend geht zu abwechslungsreichen, originellen Produktionen, die auch den internationalen Vergleich nicht scheuen müssen. Diese verdienen nicht nur die Aufmerksamkeit des Publikums, sondern auch den kommerziellen Erfolg, sodass es in Zukunft noch mehr dieser positiven Beispiele geben wird.

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