Deutschgebiete

27.08.2013 - 08:50 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
Wir sind Papst! Wir sind Kanzler! Wir sind feucht! Wir sind wieder wer!
Majestic / moviepilot
Wir sind Papst! Wir sind Kanzler! Wir sind feucht! Wir sind wieder wer!
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Während das Publikum in die Feuchtgebiete strömt, hat moviepilot-Mitglied Mein Senf einmal hinter die unerträgliche Leichtigkeit, den deutschen Film zu bashen, geblickt und den deutschen Zuschauer auf die Couch gelegt.

„Ich bin für einen neuen Artikel im Grundgesetz (GG) der Bundesrepublik Deutschland: Kein Deutscher soll jemals wieder einen Film machen, Regie führen oder bei einem Film mitspielen.“ – gefunden auf moviepilot.de. Feuchtgebiete ist noch nicht einmal im Kino angelaufen und gilt schon jetzt für viele Moviepiloten als neuer Totengräber deutscher Filmkunst. Solch blindwütigen Vorverurteilungen sind freilich genauso unfair wie aufschlussreich, sagen sie doch mehr über den durchschnittlichen deutschen Filmfan, als über die Qualität des deutschen Kinos aus. Doch woher rührt diese seltsame Übereinkunft, sich hierzulande für deutsche Filme zumindest kräftig schämen zu müssen? Könnte es gar am Zuschauer liegen, dessen tiefe Ablehnung am Ende eben jene deutsche Mentalität offenbart, von der er sich mit seiner Antihaltung eigentlich abzugrenzen versucht?

Klischees auf beiden Seiten des Zauns
Ein gewisser Vorbehalt gegenüber dem eigenen Schaffen ist zunächst einmal zutiefst menschlich. Ein urdeutsches Sprichwort sagt schließlich: „Auf der anderen Seite des Zaunes ist das Gras immer grüner.“ Dabei spielen nicht einmal nur die eigene Neidkultur und der Exotenbonus gegenüber allem Fremden die entscheidenden Rollen. Es ist sind vor allem Schubladendenken und Klischeevorstellungen, durch die wir Filme aus fremden Ländern künstlich überhöhen, bzw. die eigene Kunst herabwürdigen. Der Franzose saugt Kunst mit der Muttermilche auf, Spanier haben Leidenschaft im Blut, Schweden und Dänen besitzen diese ganz düstere Seite, dem schwarzen, englischen Humor reicht sowieso niemanden das Wasser, und Asiaten wohnt dieser ganz besondere Sinn für Ästhetik inne. Und wir Deutschen? Auch hier greift das Klischee: Wir Deutschen sind langweilige Pedanten, genauso überehrgeizig wie unkreativ, so strebsam wie leidenschaftslos. Wie kann in so einem Umfeld um Himmels Willen ein guter Kinofilm entstehen?

Das gestörte Selbstbild
Das Land der Dichter und Denker ist Deutschland spätestens seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr, und darf es nicht mehr sein – so jedenfalls das Selbstverständnis deutscher Filmfans. Und auch wenn die deutsche Jugend heute gebetsmühlenartig versichert, dass sie sich mit dieser Erbschuld nicht mehr identifiziert, findet diese bei ihr auch in der Verabscheuung einheimischer Filmkunst ihre indirekte Entsprechung. Deutschen wird von Kindesbeinen eingeimpft, stets daran zu denken, dass man eben ein Deutscher ist. Und das Kino und Fernsehen befeuert dieses Selbstverständnis mit Produktionen wie Der Untergang, Unsere Mütter, unsere Väter, Die Flucht, oder Dresden beinahe wöchentlich neu. Auch angesichts des zweifelhaften Schulterschlusses zwischen der Kunst und dem Naziregime ist sowohl die Rezeption durch das Publikum, als auch das Selbstbewusstsein der Künstler seitdem nachhaltig gestört. In diesem Umfeld eine einzelne Person auf ein Podest zu stellen, erscheint da besonders pietätlos. Jeder Til Schweiger könnte schließlich der nächste Adolf Hitler werden.

Das Starverbot
Wir Deutschen haben ein schwer gestörtes Verhältnis zu unseren Superstars, wie im Rahmen der Aktion Lieblingsstar schon eingehend thematisiert wurde. Seit der Jahrtausendwende sind Michael Herbig und Til Schweiger die einzigen deutschen Kinostars. Unter Filmfans gelten sie hingegen als filmisches Äquivalent zu den ostdeutschen No-Go-Areas während der WM 2006. Und mit Matthias Schweighöfer steht bereits Schweigers Ziehsohn im Geiste in den Startlöchern. Gegen Deutsche in Hollywood entwickelt der heimische Filmfan gerne eine besonders heimtückische Häme. Da wird genüsslich über die Talentfreiheit von Alexandra Maria Lara und Diane Kruger schwadroniert und das Scheitern von Til Schweigers Hollywoodambitionen geradezu zelebriert. Einzig Daniel Brühl blieb bislang davon verschont, da er seine Lust am Genrekino vorzugsweise in kleineren spanischen Produktionen auslebt, aber auch immer wieder in englischsprachigen Produktionen auftaucht (demnächst Inside Wikileaks – Die fünfte Gewalt und Rush – Alles für den Sieg). Wie gut trifft es sich da, dass Christoph Waltz und Marc Forster eh keine richtigen Deutschen sind.

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