Die ungeschriebenen Regeln der Academy

12.02.2012 - 07:06 UhrVor 12 Jahren aktualisiert
Welche ungeschriebenen Regeln gibt es beim Oscar?
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Welche ungeschriebenen Regeln gibt es beim Oscar?
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Selten durchblicken wir die Entscheidungsprozesse der Academy of Motion Picture Arts and Sciences. Trotzdem sind sie erstaunlich durchschaubar, denn zusätzlich zu den offiziellen Regeln gibt es noch einige ungeschriebene Oscar-Richtlinien.

Schon vor zwei Wochen gaben wir euch einen kleinen Einblick in die Regeln und Regeländerungen, die die Academy of Motion Picture Arts and Sciences für ihre Jury bereithält und die teilweise beim Oscar 2012 das erste Mal zum Tragen kamen. Daneben gibt es aber auch ein paar im Schatten liegende Normen. Ich schreibe Normen, weil es sich dabei nicht um offizielle Regeln, sondern vielmehr um nirgendwo festgehaltene Abkommen handelt. Jeder weiß, dass es diese Regeln gibt, aber trotzdem stehen sie nicht fest.

Letztendlich geht es beim Oscar zwar um Qualität, aber auch um Geschmacksentscheidungen. Weil diese grundsätzlich nicht unbedingt auf einen Nenner zu bringen sind, braucht die Academy gewisse Regeln, um überhaupt handlungsfähig zu bleiben. Vielleicht wollen wir aber auch nur Ordnung sehen, wo in Wirklichkeit Chaos herrscht. Gewisse Tendenzen haben sich über die Jahre aber dennoch unstreitbar abgezeichnet.

Du hattest genug
Gestern haben wir euch einen Einblick in die Welt der Oscar-Dauergäste gegeben, die entweder immer wieder nominiert wurden oder möglichst oft gewonnen haben. Aber nein, halt, letzteres stimmt nicht so ganz. Filme mal ausgenommen, sind drei Oscars das Maximum, das ein Schauspieler oder Regisseur erreichen kann. Zwei Ausnahmen gibt es von dieser Regel (von John Williams und Walt Disney einmal abgesehen): Katharine Hepburn und John Ford mit jeweils vier Oscars. Die Grenze, bei der sich alles einpendelt und die auch von den Großen des Business scheinbar niemals übertreten wird, scheinen drei Academy Awards zu sein.

Eine derartige Kandidatin ist dieses Jahr wieder dabei. Meryl Streep hat bereits zwei Oscars erhalten, bei 17 Nominierungen. Ob sie die kritische Dreier-Grenze dieses Jahr erreicht, ist fraglich, denn sogar zu mehr als zwei Oscars haben es nur wenige geschafft. Harvey Weinstein erinnerte mit einer doch frechen Werbung für die Academy-Jury daran, dass der letzte Oscar-Sieg für Meryl Streep schon 29 Jahre her ist und es nun doch mal wieder Zeit sei. Wahrscheinlich soll diese Beschränkung der Fairness gegenüber jüngeren und weniger bekannten Schauspielern dienen. Sie sollen auch ihre Chance bekommen. Dann stellt sich aber die Frage, warum Dauergäste wie Meryl Streep immer wieder nominiert werden, wenn sie am Ende sowieso keinen Oscar mit nach Hause nehmen dürfen. Sollten sie dann nicht lieber komplett Platz machen?

And the Oscar goes to…what exactly?
Das hier ist eigentlich weniger eine Regel, als die gebilligte Missachtung von Regeln. Oft werden Schauspieler, Regisseure oder selbst Filme nicht für ihre Leistung im jeweiligen Jahr belohnt, sondern bekommen im Nachhinein noch eine Ehrung hinterhergeworfen, die die Academy in Vorjahren vergass. So erging es, schon oft erwähnt, Der Herr der Ringe: Die Rückkehr des Königs, der nur für die Leistung der Serie insgesamt gegen Lost in Translation und Mystic River gewann. Solcherlei Eskapaden sind allgemein bekannt und werden toleriert, zum Beispiel von Jeremy Irons. Der bedankte sich 1990 für seinen Oscar zum Besten Hauptdarsteller nicht bei seiner Die Affäre der Sunny von B. -Regisseurin Barbet Schroeder, sondern bei David Cronenberg.

Cronenberg dirigierte ihn im Vorjahr in einer Doppelrolle in Dead Ringers, einem Film, der zwar überbordend positive Kritiken erntete, aber keinerlei Oscar-Nominierungen abbekam. Wenn ein Versäumnis nachgeholt werden muss, dann kommt es nicht unbedingt auf den Film an. Das trifft natürlich auch auf das Jahr 2006 zu, in dem Departed – Unter Feinden gewann. Den Kaminsims von Martin Scorsese zierte bis dato noch keine Oscar-Statuette, ein für die Academy kaum zu rechtfertigender Zustand. Auch wenn Departed: Unter Feinden nicht der allerbeste Film von Martin Scorsese ist, wurde er zum Anlass einer Ehrung für sein Lebenswerk genommen.

Weniger ist ganz und gar nicht mehr
Dies sollte offensichtlich sein: Du kannst nicht nominieren, was du nicht wahrnimmst. Zwar passiert es oft genug, dass die Jurymitglieder gern auch ungesehene Filme hoch bewerten, aber grundsätzlich gilt, dass ein Film erstmal auf dem Radar erscheinen muss. Das bedeutet einerseits, dass ein Film ordentlich auf die PR-Pauke hauen muss, um eine Chance zu haben. Andererseits hilft es auch, wenn ein Schauspieler oder Regisseur sehr, sehr viele Filme gemacht hat. Dann fällt er einfach besser auf. Und das muss er, schließlich sind Academy-Mitglieder vielbeschäftigte Leute. Dieses Jahr hat sich diese Regel umgekehrt. Der relativ unbekannte Demián Bichir wurde für den relativ unbekannten Film A Better Life zum Besten Hauptdarsteller nominiert, während der omnipräsente Michael Fassbender (wahlweise auch Ryan Gosling) außen vor gelassen wurde. Was gleich eine weitere Regel beschreibt: Abwechslung muss auch immer mal wieder sein (auch wenn Démian Bichir seine Nominierung möglicherweise verdient hat).

Die Evergreens unter den Themen
Die inhaltlichen Kriterien habe ich lieber in einen Unterpunkt gepackt, denn es gibt einfach zu viele. Generell kann festgehalten werden, dass der filmische Anspruch gern hinter dem Thema des Films zurückstehen darf. Geschichte, insbesondere die des Zweiten Weltkriegs, ist immer beliebt bei der Academy. Außerdem kann es nicht schaden, wenn die Darsteller eigentlich hübsch sind und für den Film auf hässlich getrimmt werden, sterben oder geistig/körperlich behinderte Figuren spielen. Schwere, immer noch heiß diskutierte Krankheiten wie AIDS oder Krebs werden auch immer wieder gern gesehen, zum Beispiel in Philadelphia (was nichts über dessen Qualität aussagen soll). Das wirkt auf die Academy-Jury wie eine Art Angelköder.

Fallen euch noch ungeschriebene Oscar-Regeln ein?

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