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Eine Frau ist eine Frau ist eine Frau

08.02.2015 - 03:11 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Das Objekt der Begierde: Tickets für die Berlinale
Stefan Ishii
Das Objekt der Begierde: Tickets für die Berlinale
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Heute standen drei Filme für mich im Zeichen der Weiblichkeit. Allerdings aus ganz unterschiedlichen Perspektiven. Außerdem sah ich einen äußerst schrägen Kunstfilm. Abschließend gehe ich heute näher auf die Ticketbeschaffung ein.

Nach einer äußerst kurzen Nacht bin ich um 7 Uhr bereits wieder aus dem Haus, um mich für weitere Tickets anzustellen. Glücklicherweise war seit 6:30 Uhr eine Bekannte bereits vor den Kassen, die um 10 Uhr öffnen, da sie gerne Karten für die Premiere von Wim Wenders' Every Thing Will Be Fine bekommen wollte. So konnte ich mit jemandem quatschen, während wir die noch verbleibenden 2 Stunden bis zum Verkaufsbeginn warten mussten. Als wir dann endlich 5 nach 10 an der Reihe waren, gab es jedoch (natürlich) keine Tickets für den Film mehr. Ich wollte sowieso für diese Vorstellung keine, da ich den Film wie immer im Wettbewerb einen Tag später sehen werde. Für meine Vorführung hab ich problemlos meine Karte bekommen. Wenn man gut vorbereitet ist, hat der geübte Berlinalegänger bereits eine Alternative parat, falls der Wunschfilm mal tatsächlich nicht mehr verfügbar sein sollte. So auch meine Bekannte. Doch unverständlicherweise war auch dieser bereits sofort ausverkauft. Das war wirklich sehr bitter. Und so musste sie leider ohne Tickets nach fast vier Stunden Schlangestehen wieder nach Hause. Ich habe alle meine Karten bekommen. Am Ende des heutigen Blogs werde ich mal etwas auf das Ticketkaufen eingehen. Doch kommen wir zunächst mal zu den heutigen Filmen, die sich insbesondere durch weibliche Hauptfiguren auszeichneten.

Herzogsche Wüstenmärchen

Mein erster Film heute war die Wettbewerbswiederholung von Queen of the Desert. Niemand außer Werner Herzog hätte die Geschichte so verfilmt. Er erzählt die Geschichte von Gertrude Bell, der "weiblichen Lawrence von Arabien", mit einem herrlich ironischen Augenzwinkern. Er zauberte einen Film, der sich niemals selbst zu ernst nimmt. Dies ist natürlich nicht jedermanns Sache; das Pärchen neben mir hatte wohl relativ wenig Spass. Ich wurde jedoch wirklich vorzüglich unterhalten. Es handelt sich hier nunmal um einen Werner-Herzog-Film, bei dem stellenweise auch Erinnerungen an seine Dokumentarfilme (z.B. Begegnungen am Ende der Welt und insbesondere Fata Morgana) aufkamen. Ich hätte ewig dem Wind über den Dünen zuschauen können. Aber das Beste an dem Film sind eindeutig die herzogesken Zeilen, die den Film kommentieren. Herrlich!

Nach Nobody Wants the Night gab es also wieder eine starke Frau als zentrale Figur im Wettbewerb. Nicole Kidmans Charakter versteht es vorzüglich mit Männer um zu gehen. Ihre Präsenz überstrahlt sämtliche Männer in diesem Film. Egal ob nun James Franco, Robert Pattinson oder Damian Lewis: Sie alle machen ihre Sache wirklich gut. Gertrude Bell erscheint durchgehend unerreichbar für die Männerwelt. Fantastisch. Etwas befremdlich wirkte auf mich jedoch das ausgesprochen junge Gesicht der Kidman. Die letzten Operationen sind entweder sehr gut gelungen oder die Tricktechnik half nach. In jedem Fall überzeugte sie mich in diesem Film mal wieder. Sehr gut gespielt...

Traurig- und Menschlichkeit in Istanbul

In dem türkischen Drama Until I Lose My Breath (Nefesim Kesilene Kadar) von Emine Emel Balci werden wir für 94 Minuten mit dem harten Leben Seraps konfrontiert. Serap ist eine junge Frau in Istanbul, die stark sein muss, weil sie in einer schwierigen Situation gefangen ist. Sie muss hart arbeiten und hat die naive Hoffnung, ihrem Elend zu entkommen. Dabei klammert sie sich an den Vater und ignoriert die Realität. Sie wird zuweilen zu Taten getrieben, die nicht notwendigerweise gut sind. Doch gut und schlecht sind nunmal zwei Seiten menschlicher Wesen. Serap handelt einfach aus einem Bedürfnis heraus. Esme Madra verkörpert Serap unglaublich gut. Von ihrer Figur geht eine sehr starke Traurigkeit aus. Der Fokus der Kamera bleibt den ganzen Film über auf der Hauptfigur. Sie bleibt ihr stets sehr nah. Doch auch weitere weibliche Charaktere befinden sich in Konfliktsituationen und der Film zeichnet ein pessimistisches Bild.

Until I Lose my Breath ist eine türkisch-deutsche Koproduktion. Die junge Regisseurin Balci kommt aus dem Dokumentarfilm. Ihre Werke beschäftigen sich zumeist mit Frauen als zentrale Themen. Dies ist ihr erster Spielfilm.

Trauerbewältigung in heftigen Bildern

In Zurich von Sacha Polak setzte ich große Hoffnungen, da mich ihr Debütfilm Hemel auf der Berlinale 2012 absolut begeisterte. Und auch die zweite Regiearbeit der 1982 in Amsterdem geborenen Polak konnte mich überzeugen. In den letzten Jahren habe ich mehrere starke Filme aus Holland entdeckt. Beispiele dafür sind neben Hemel Brownian Movement von Nanouk Leopold, Code Blue von Urszula Antoniak und ganz besonders Can Go Through Skin von Esther Rots. Eines ist allen Filmen gemein: Sie alle stammen von weiblichen Regisseurinnen und haben gebrochene Frauen als zentrale Charaktere.

Polaks Filme sind geradezu hypnotisierend. Niemals konnte ich in Zurich die Augen von der Leinwand abwenden, selbst wenn der Film stellenweise wirklich nur schwer zu ertragen war. Wir beschäftigen uns hier mit einem Trauerprozess. Der sprunghafte Handlungsverlauf und die eingeschobenen Erinnerungsfetzen der Hauptfigur geben der Handlungs- und Charakterentwicklung eine starke Dynamik. Nur nach und nach kann man das Geschehen aufschlüsseln. Ähnlich wie in Until I Lose my Breath bleibt die Kamera hier stets sehr nah an der Protagonistin Nina. Und in einem noch viel größeren Ausmaß liefert die Darstellerin eine fantastische Leistung ab. Um so beeindruckender, wenn man weiß, dass Wende Snijders keine professionelle Schauspielerin ist. Tatsächlich ist dieser Film der erste Kontakt der Sängerin mit dieser Kunstform. Sie ist einfach unglaublich. Der Begriff "Naturgewalt" kann in diesem Kontext durchaus verwendet werden. Zurich ist der für mich bisher beste Film der Berlinale 2015.

Der verbotene Raum

Im Forum sind die Filme stilistisch zumeist eher zurückgeschraubt, wenn nicht gar minimalistisch. Ganz anders der neueste Beitrag vom Kanadier Guy Maddin: The Forbidden Room ist ein überbordender Fantasietraum. Er schuf zusammen mit Ko-Regisseur Evan Johnson etwas Experimentelles und Verrücktes. Der Ansatz für die Entstehung dieses Filmes war die Idee, verloren gegangene Stummfilme in irgendeiner Form wieder zu Leben zu erwecken. Dabei kamen eine Reihen namhafter Schauspieler in Kurzauftritten zusammen: Ob Udo Kier, Geraldine Chaplin, Mathieu Amalric oder Charlotte Rampling. Aus kurzen Inhaltsangaben wurden mehrere Geschichten entwickelt, die sich dann im Laufe der Zeit zu einem Konstrukt aus Kunst, Fantasie und Wahnsinn verwoben. Die wabernden Bilder erinnern an das Grindhouse-Projekt von Tarantino und Rodriguez. Den Film zu bewerten fällt allerdings ziemlich schwer. Ist das noch Film? Natürlich ist die Antwort ja, aber mit herkömmlichen Bewertungssystemen kommt man hier nicht weit. Maddin war schon häufig mit eigensinnigen Filmen im Forum vertreten (z.B. Brand Upon the Brain! oder My Winnipeg), aber The Forbidden Room setzt seinem Werk nochmal einen drauf.

Wie kommt man eigentlich an Berlinaletickets?

Irgendwie hält sich doch das Gerücht, an Karten für Berlinalefilme zu kommen, sei schwierig oder gar für Normalsterbliche unmöglich. Das ist offensichtlich Quatsch. Auch, dass die Berlinale etwas Elitäres oder Abgehobenes sei, halte ich für ausgemachten Unfug. Da wird wohl Cannes mit Berlin verwechselt. Die Berlinale ist tatsächlich das wohl zuschauerfreundlichste der großen internationalen Filmfestivals. Jeder kann "ganz einfach" Karten kaufen. Natürlich gibt es die große Eröffnungsveranstaltung oder die Preisverleihung, für die man an keine Tickets kommen kann. Und für Premierenveranstaltungen im Wettbewerb muss man sich schon nachts vor die Ticketschalter legen (ich mache das übrigens nie, da ich eher Interesse an anderen Vorführungen habe). Aber ich brauche in den meisten Fällen wenig Sorge haben, nicht meine gewünschten Filme zu sehen. Alles eine Frage von Planung und Übersicht.

Vor 2 Tagen versprach ich, mal etwas über das Prozedere des Kartenkaufens für die Berlinale zu schreiben. Auf den ersten Blick ist es tatsächlich etwas kompliziert. Es ist grundsätzlich nämlich so, dass die Filme immer erst drei Tage vor Veranstaltungstermin verkauft werden. Das bedeutet natürlich, dass man sich quasi jeden Tag auf's Neue anstellen muss, will man für alle Tage Tickets bekommen. Okay, das ist etwas anstregend, gehört aber nunmal dazu; notwendiges Übel und so... Soweit so gut. Von der 3-Tage-Regel gibt es jedoch die ein oder andere Ausnahme. Und da wird's dann kompliziert. Für Wettbewerbswiederholungen muss man sich auch an dem Tag anstellen, an denen die Karten für die Premiere in den Verkauf gehen. Das betrifft jedoch nur einen kleinen Teil der Wettbewerbswiederholungen, da eine nicht unerheblich Zahl an solchen Vorführungen im Friedrichstadtpalast stattfinden. Und für wirklich sämtliche Filme, egal ob nun Wettbewerb, Panorama oder Special, im riesigen Friedrichstadtpalast gibt es alle Tickets bereits am ersten Verkaufstermin (also am Montag vor dem Berlinalebeginn). In diesem Saal, der eigentlich kein Kino ist und mit Sitzen ausgestattet ist, die man getrost als Holzklasse bezeichnen kann, passen schätzungsweise so an die 1500 Zuschauer. An solche Tickets zu kommen, ist in den allermeisten Fällen überhaupt kein Problem. Am ersten Verkaufstag sind zusätzlich noch weitere Ausnahmen vollständig zu erwerben. Dies betrifft die Vorführungen der Sektion Kulinarisches Kino (in der ich übrigens noch nie war), den Veranstaltungen im Rahmen der Kiezkinoreihe (die Einbindung kleinerer Kinos finde ich sehr lobenswert) sowie alle Filme, die am sogenannten Berlinale-Kinotag laufen. Das ist typischerweise der letzte Sonntag, sprich ein Tag nach den Preisverleihungen. An diesem Tag sind übrigens auch sämtliche Filme erheblich günstiger zu bekommen. Mit 6 Euro statt den sonst üblichen 10 bis 13 ist man dann dabei. Und hey, wenn das nicht zuschauerfreundlich ist, dann weiß ich's auch nicht. Noch günstiger sind lediglich die Vorführungen in den Generationen-Sparten: Die Karten für Kinder- und Jugendfilme gibt es schon für 4€.

Es wurde doch heute tatsächlich noch später als gestern. Morgen geht's weiter auf der Berlinale. Zum Glück stehen nur drei Filme an. Bis dann...


Tageszusammenfassung


Meine bisherigen Blogeinträge zur Berlinale:

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