Was macht ein Genre? In erster Linie bietet es uns feste Strukturen, die dabei helfen, uns für einen Film zu entscheiden oder eben nicht. Das ist der Grund dafür, warum das Hollywood-Kino, als es in den 20er Jahren in sein Goldenes Zeitalter als Filmindustrie überging, die Nutzung von Genres für sich entdeckte. Genres sind eine wunderbare Grundlage für die effiziente und schnelle Herstellung von Filmen. Auf Remakes und Sequels trifft das ebenfalls zu, obwohl deren Ruf weitaus schlechter ist. Anlässlich des Kinostarts des koreanischen Remakes Das Hausmädchen blicken wir auf die großen Filmindustrien in Asien, die nicht nur “Opfer” von amerikanischen Remakes werden, sondern selbst fleißig auf die Kopiertaste drücken.
Sarkar ist der neue Pate
Die Grenze zwischen Plagiat, Inspiration und Remake ist nicht nur in Indien fließend. Doch kaum eine Filmindustrie auf der Welt gleicht heute in ihren Produktionsmechanismen dermaßen dem klassischen Hollywood-Kino der 20er bis 50er Jahre. Nicht zufällig ist auch dort ausgerechnet das Musical ein so beliebtes Genres. Dabei führte die fließbandartige Produktion von Filmen zu einer endlosen Liste von Bollywood-Remakes erfolgreicher Hollywood-Filme, die nicht einmal den Stempel “Klassiker” tragen müssen. Deren Herkunft wird selten ausgewiesen. Es gibt Remakes von Dan – Mitten im Leben!, Ehemänner und Ehefrauen, Das Beste kommt zum Schluss, Bruce Allmächtig, Eine Frage der Ehre und einigen anderen. Manchmal sind die indischen Remakes so gut, dass sie allein bestehen. Das ist etwa bei Ram Gopal Varmas Der Pate-Hommage Sarkar der Fall, in der Amitabh Bachchan den Gangsterboss mimt.
In China drehen sie Remakes
Vor etwas mehr als zehn Jahren verdiente das Hongkong-Kino ebenfalls den Titel “Industrie”, beförderte die damalige Kronkolonie zu Bestzeiten schließlich um die 200 Filme jährlich in die Welt und vor allem auf illegale VideoCDs. Diese Zeiten sind längst vorbei. Es sagt jedoch einiges aus, dass Connected von Benny Chan das erste offizielle Hongkong-Remake eines amerikanischen Films war. Der Actioner stammt nämlich aus dem Jahr 2008 und basiert auf Final Call – Wenn er auflegt, muss sie sterben. Zuvor liefen die Remakes made in Hong Kong eher unter der Beschreibung “Plagiat”. So gab es mit Ransom Express eines von Lola rennt, nur eben ohne all die interessanten Elemente des Originals. The Hunted Hunter klaut bei Auf der Flucht. Und Wild Search schickt Yun-Fat Chow auf die ausgetretenen Story-Pfade von Der einzige Zeuge.
Nach dem Niedergang des Hongkong-Kinos und dem Aufstieg der Volksrepublik China läuft der Hase im fernen Osten nicht anders, höchstens ein bisschen seltener. Ganz aktuell kann Andy Lau nach einem Unfall plötzlich hören, was seine Kollegin Li Gong denkt. Klingt bekannt? Klar, der Film heißt schließlich What Women Want. Bei der letztjährigen Berlinale wurde der neue Streifen von Yimou Zhang (Hero) vorgestellt. Der ist eine chinesische Variante von Blood Simple von den Coen-Brüdern. Demnächst gibt es außerdem eine Neufassung des modernen Hongkong-Klassikers A Chinese Ghost Story – Verführung aus dem Reich der Toten unter der Regie von Wilson Yip (Ip Man). Eigentlich undenkbar ist das nach dem tragischen Selbstmord von Original-Hauptdarsteller und Filmikone Leslie Cheung vor ein paar Jahren. Eigentlich.
A Better Korean Tomorrow
Das Hongkong-Kino ist aber nicht nur selbst sehr gut darin, anderer Leute Ideen neu aufzusetzen. Selbst der Heroic Bloodshed-Klassiker City Wolf – A Better Tomorrow von John Woo hat vor kurzem ein koreanisches Remake namens A Better Tomorrow erfahren. Die Deutschen dürfen sich aber auch geehrt fühlen. Jetzt oder nie – Zeit ist Geld von Lars Büchel über ein paar Omas, die zu Bankräubern werden, wurde ebenfalls für die koreanischen Kinos adaptiert. Der schöne Titel: Twilight Gangsters.
Das Hausmädchen, der am Donnerstag in den deutschen Kinos anläuft, hat Sang-soo Im inszeniert. Der löst in seiner Heimat gerne mal Kontroversen aus, zuletzt mit The President’s Last Bang, der nur geschnitten in die Kinos kam. Für seinen neuen Film hat sich der Regisseur einen echten Klassiker des koreanischen Kinos ausgesucht, den aus dem Jahr 1960 stammenden Das Hausmädchen von Ki-young Kim. Der wird gern und häufig in den Bestenlisten der koreanischen Filmgeschichte ganz oben genannt. Gegen Remakes ist also auch oder gerade in Asien kein Film gefeit. Aber wann und wo war das überhaupt mal so?