Game of Thrones - Authentischer als viele Historien-Serien

24.06.2016 - 08:50 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Game of ThronesHBO
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Game of Thrones mag zwar keine Historien-Serie im eigentlichen Sinne sein, dennoch beweisen die Macher immer wieder ein erstaunliches Gespür für geschichtliche Zusammenhänge.

Wenn wir an Historien-Serien denken, fallen uns wahlweise feudal frisierte Frauen in ausladenden Trachten ein, grobschlächtige Recken in Leder oder schwülstige Dialoge, die irgendwo zwischen Shakespeare und Telenovela changieren. Woran wir nicht unbedingt gleich denken, sind feuerspeiende Drachen, wandelnde Tote und eine unüberwindbare Mauer aus Eis, die jeglichen Gesetzen der Physik trotzt. Dennoch ist es kein Geheimnis, dass Game of Thrones von der realen Geschichte mindestens ebenso stark inspiriert ist wie von klassischen Fantasy-Epen eines J.R.R. Tolkien. Es ließe sich sogar behaupten, dass Game of Thrones in Bezug auf seine Darstellung der historisch verbürgten Vergangenheit häufig sehr viel authentischer auftritt als die meisten waschechten Historien-Serien.

Über die Parallelen zwischen George R.R. Martins Lied von Eis und Feuer und der Geschichte Englands ist bereits viel geschrieben worden. So wurde während der Rosenkriege  etwa das Haus Lancaster durch das Haus York zu Fall gebracht - die Namensähnlichkeit zu Lannister und Stark ist evident. Wer mehr über diese Zusammenhänge erfahren will, der sollte sich folgendes Video ansehen:

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Nicht nur handlungstechnisch bedient sich Game of Thrones an der Geschichte. Da wären zudem die Schauplätze zu nennen, die allesamt das Echo vergangener Zeiten beschwören. Während die wehrhaften Burgen Parallelen zur Feudalherschaft des Hohen Mittelalters aufweisen, nehmen sich die Eisernen Inseln deutlich die Wikinger zum Vorbild, inklusive Langschiffen und immerwährenden Plünderungszügen. Dabei fällt auf, dass die Serie sich keiner bestimmten Epoche verschrieben hat, sondern sich querbeet an allen Zeiten und Kulturen bedient. Beispielsweise war England während des dunklen Zeitalters ebenfalls in sieben Königreiche zersplittert, die um die Vorherrschaft kämpften. Die massive Mauer aus Eis weckt Erinnerungen an den Hadrianswall, den die Römer im Norden Englands zum Schutz vor den Einfällen der barbarischen Pikten errichteten. Die endlosen Steppen von Essos und seine Bewohner, die nomadischen Dothraki, sind offensichtlich von den Steppenvölkern Zentralasiens wie den Hunnen und den Mongolen inspiriert, während die prunkvollen Stadtstaaten wie Braavos und Mereen zahlreiche Parallelen zu den rivalisierenden Handelsrepubliken im Italien der Renaissance aufweisen. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.

Auch ein Blick auf die Details verrät den Drang nach möglichst hoher Authentizität. So sind Waffen und Rüstungen stellenweise zwar etwas überzeichnet, doch selbst die exotischeren Varianten lassen sich oft mit der Realität in Einklang bringen. Das geschwungene Arakh der Dothraki etwa weist starke Ähnlichkeiten zu einer Hiebwaffe der alten Ägypter auf, dem sogenannten Chepesch , wo es allerdings eher eine rituelle Funktion erfüllte und zu Pferde wohl wenig nutzen würde - die Klinge ist dafür nämlich zur falschen Seite gebogen. Selbst eine so fantastische Substanz wie das Seefeuer geht auf eine geschichtlich verbürgte Vorlage zurück. Während der zweiten Belagerung Konstantinopels durch die Araber im Jahre 677 kam eine hoch brennbare Flüssigkeit zum Einsatz, die als Griechisches Feuer  bekannt ist und deren genaue Zusammensetzung die Wissenschaftler bis heute beschäftigt. Wahrscheinlich handelte es sich dabei um ein Gemisch aus Kiefernharz, Schwefel und anderen brennbaren Chemikalien. Wie das Seefeuer in Game of Thrones wurde auch das Griechische Feuer zur Vernichtung der gegnerischen Flotte angewandt und galt daher als eine der gefürchtetsten Waffen der mittelalterlichen Kriegsführung mit großem psychologischen Effekt.

Auch Magie und Religion deuten in Game of Thrones auf ein untergegangenes Weltbild hin, wie es nicht nur im Mittelalter vorherrschte. Seit Anbeginn der Zeiten waren Religion und Aberglaube unzertrennbar mit dem Leben der Menschen verbunden und stellten eine organische Verbindung zwischen Regeln und Traditionen dar, die den Alltag der Menschen maßgeblich bestimmte. In den unterschiedlichen Kulturen von Westeros und Essos gibt es daher ebenso wenig eine Trennung zwischen Magie und Religion, wie es sie im Mittelalter gab und wie in der Antike konkurrierten die verschiedensten Glaubensvorstellungen miteinander. Die Anhänger des Roten Gottes R'hllor zum Beispiel weisen große Ähnlichkeiten mit den Lehren Zarathustras  auf, einem persischen Gelehrten des ersten oder zweiten Jahrtausends vor Christus, der einen alles entscheidenden Kampf zwischen den Kräften der Dunkelheit und des Lichts vorhersagte, und der auch heute noch etwa 125.000 Anhänger hat.

All dies resultiert in einem überaus faszinierendem Geschichtsgemisch, das sich an Elementen aus tausenden von Jahren Menschheitsgeschichte bedient und sie auf spielerische Weise miteinander vermischt. Für viele - mich eingeschlossen - ist gerade diese Begeisterung für die reale Geschichte ein grundlegender Punkt, warum Game of Thrones so erfolgreich unsere Vorstellungskraft zu befeuern vermag. Gerade weil George R.R. Martin ebenso wie die Showrunner David Benioff und D.B. Weiss die Fantasy-Elemente in den Hintergrund treten lassen und sich stattdessen auf eine möglichst wirklichkeitsnahe Darstellung verlassen, erscheint uns das Gesehene so vertraut und so real. Wenn die Macher von Historien-Serien also sehen wollen, wie man eine realistische Welt erschafft, die nicht bloß schmückendes Beiwerk ist, sollten sie Game of Thrones schauen.

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