Im musikalischen Krimi 8 Frauen von François Ozon, ein Denkmal für die jungen und reiferen Diven des französischen Kinos, nimmt Isabelle Huppert ihr Image ganz wunderbar auf die Schippe. Sie spielt neben der eisigen Catherine Deneuve und der sinnlichen Fanny Ardant eine giftige Langweilerin, zugeknöpft und humorlos wie die Mathelehrerin unserer Albträume. Im Laufe des Films aber wird die alte Jungfer entfesselt, ihr Haar gelöst, die Brille abgelegt und all die heimliche Leidenschaft, die sie jahrelang versteckt hielt, kommt zum Vorschein. Obwohl ihr Rollenspektrum viel weiter reicht, wird das Klischee der strengen Huppert wohl immer in einem Atemzug mit ihr genannt werden. Heute feiert die Muse internationaler Autorenfilmer ihren 60. Geburtstag.
Ihre Karriere begann Isabelle Huppert nach einer Schauspielausbildung im Theater und trotz ihres Erfolges im Filmgeschäft ist sie der Bühne treu geblieben. Sie spielte und spielt in Klassikern wie Maß für Maß, Orlando und Hedda Gabler, aber auch jüngeren Werken wie Quartett von Heiner Müller, das sie 2009 unter der Regie von Robert Wilson nach New York führte. Ob in Theater oder Film, in ihren Rollen beweist Isabelle Huppert immer wieder Mut zur Grenzüberschreitung. Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs, die mit einem verzehrenden Aufwand ihre bürgerliche Fassade aufrecht erhalten wollen, Figuren, deren Manie erst in ihrer verzweifelten Sucht nach Kontrolle und Ordnung ans Tageslicht tritt, finden sich oft in ihrer Filmografie.
1977 feierte sie ihren internationalen Durchbruch in Die Spitzenklöpplerin als leidenschaftslose Schönheit, die unbemerkt innerlich zerbricht. Der Sprung nach Hollywood (Heaven’s Gate – Das Tor zum Himmel) blieb nicht von Dauer, stattdessen arbeitete Isabelle Huppert mit den Größen des französischen Kinos, darunter der späte Jean-Luc Godard (Rette sich, wer kann (das Leben)) und vor allem Claude Chabrol, für dessen bitterböse bürgerliche Machtspielchen Huppert geboren scheint (Biester, Süßes Gift, Geheime Staatsaffären).
Mit der Crème de la Crème des internationalen Kinos arbeitet Isabelle Huppert seitdem. Für Michael Haneke gab sie Die Klavierspielerin, Brillante Mendoza konfrontierte sie in Captive mit der körperlichen Extremerfahrung einer Geiselnahme im Dschungel und Claire Denis schickte sie in White Material in einen von Krieg zerrütteten afrikanischen Staat. Unter ihrem zerbrechlichen Äußeren zeigt sich dabei häufig eine ungeahnte Stärke, mit der sie vielleicht nicht jede Extremsituation meistert, aber ihr Ringen mit dem Zusammenbruch ist sowieso der wahre Schauwert.
Umso entspannender ist die komödiantische Isabelle Huppert, die wir seltener zu sehen bekommen. Für Sang-soo Hong (noch so ein Festival-Darling!) verschlägt es sie in In einem fremden Land in einen südkoreanischen Urlaubsort. Da wirkt sie im Flirt mit einem angenehm trotteligen Bademeister befreit und lässt ihrem fabelhaften komödiantischen Timing freien Lauf. So präzise wie kaum eine andere Schauspielerin geht Isabelle Huppert ans Werk und es ist, ob sie nun in einer Tour de Force ihre Seele entblößt oder traurig einen Chanson von Françoise Hardy haucht, eine Augenweide, ihr dabei zuzusehen.