Jahresrückblick – Die besten Filme 2013

18.12.2013 - 08:50 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
Frankenweenie
Disney
Frankenweenie
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Dem Tadel folgt das Lob. Angesichts der ausgesucht schönen Erlebnisse dieses Filmjahres fällt das natürlich nicht schwer. Wolfskinder, Schoßhündchen und Bilder, die fehlen – Mr. Vincent Vega hat auch sie gekürt, die besten Filme 2013.

Liebe Moviepilot-Gemeinde! Letzte Woche ging es um die Filme, die mir in diesem Jahr eher weniger gefallen haben. Heute aber soll es um die Filme gehen, die das Kino – oder leider auch nur das Heimkino – zu einem besseren Ort machten. Und welch schöne Filme das sind. Einige von ihnen auch voller Hässlichkeit, aus der überraschende Schönheit erwächst. Einige von ihnen leicht und zart. Einige schwer und ruppig. Einige von ihnen klar wie Haupt-, einige unscheinbar wie Neben- und einige verzweigt und erhaben wie Bot-generierte Schachtelsätze. Die zu zerlegen und –teilen, (neu) zu ordnen und zu formen, zu ergründen und zu deuten eine gewinnbringende, erkenntnisreiche Aufgabe sein kann. Aber wozu über Satzgefüge schreiben, wenn es sich doch über schöne Filme schreiben lässt. Gern auch nach dem Elaboration Likelihood Model. Oder postfreudianisch protestantisch und pseudointellektuell erregt, wie es in den Kommentaren hieß. Hauptsache eben: mit Liebe. Und nichts außer Liebe haben diese Filme verdient.

„Zuviel des Guten ist wundervoll“
Mit seiner kaltschnäuzigen, manchmal auch arg schluderigen inszenatorischen Ökonomie erschien Regisseur Steven Soderbergh im Vorfeld als denkbar ungeeignete Wahl für ein Biopic über Liberace, diesen großen, vielleicht sogar größten US-amerikanischen Entertainer des 20. Jahrhunderts. Sein Film aber, und das ist ein sinnvoller Ansatz, erzählt in erster Linie eine Geschichte über Liberaces Liebhaber Scott Thorson, in zweiter eine über deren Abhängigkeitsverhältnis, in dritter eine über queere Codes. Und eben auch eine Geschichte vollends über Camp, aber – dann doch – Soderbergh-typisch ganz ohne Campiness, genau die richtige Harmonisierung. Begnadet gespielt von Michael Douglas und vor allem Matt Damon, dem schönsten Filmpaar des Jahres. Die HBO-Produktion mag sich natürlich auch am Strass, Glitter und Pelz ergötzen, und mit Rob Lowe als Schönheitschirurgen eine unfassbare (!) Rolle auf die (erstaunlicherweise deutschen) Kinoleinwände loslassen, aber: Sie stellt ihren Protagonisten nie aus, besteht gleichermaßen als sentimentales Liebesmelodram wie nüchterne Rekonstruktion einer bizarren Unterhaltungsindustrie, die ihre schillernden Helden der eigenen Inszenierung überantwortet. I love to give the people a good time. […] I hate my life sometimes, I really do.

Tanzende Kindsköpfe und ein Silberstreif Glück
Anders, aber kaum weniger queer ist (längst auch) das Kino von Adam Sandler. Schon einmal, nein zweimal, widmete sich diese Kolumne bekanntlich dessen später Comedy-Grandezza. In Kindsköpfe 2, komisch und warmherzig, vor allem aber eine wahre Alternative für die US-Komödie, finden dessen zwanglose Heiterkeiten erst im Verzicht auf vordergründiges Erzählen ganz zu sich selbst. Dem Kritiker- und Publikumsliebling Silver Linings hingegen, überdies mit beinahe sämtlichen Funkelpreisen und Ehrungen der Branche gewürdigt, gelang es 2013 sogar noch eindrucksvoller, die Befindlichkeiten der amerikanischen Mittelschicht mit deren märchenhaften Fantasien von Aufstieg und Anerkennung zu versöhnen: Wie Bradley Cooper und Jennifer Lawrence, das nun mindestens zweitschönste Filmpaar des Jahres, sich hier tonnenschwer beladen, screwballesk entblößen und schließlich final ins pure Glück tänzeln, ist beinahe zu schön, um wahr zu sein. Erst in diesem, mitunter ja doch ein wenig missverstandenen, Schluss allerdings vollzieht der Film seinen sanften Bruch: Beide lösen nicht das Klischee der sich nach diffusen Regeln ins Normative zurückspielenden Liebenden ein, sondern tanzen planlos vergnügt gegen ebendiese an.

In Oslo, am 31. August
Von der Bewältigung des Scheiterns erzählt auch Oslo, 31. August. Welch Geschick eines Films, seine Figur gleich zu Beginn in den Suizidversuch zu treiben: Freitod durch Ertrinken, an jenem Tag, der dem drogensüchtigen Anders nach monatelangem Aufenthalt in einer Entzugsklinik erstmals neue Freiheit gewährt. Diese Figur, obwohl (dankenswerterweise) nie vordergründig, nie auf zweckdienliche Handlungsaktion hin funktionalisiert, scheint sich mit dem Eingangsbild von selbst zu erschließen. Der Film lässt sie leben. Es ist eine der interessantesten Figuren des Kinojahres, auch in der Art, wie Regisseur Joachim Trier sie in einem Umfeld positioniert, das nicht billig kontrastierend von Figuren ungleich glückseligerer Lebensentwürfe bewandert ist, sondern einfach ziemlich gewöhnlicher. Die unausgesprochene Unentschiedenheit des Protagonisten, Anschluss an ein Früher zu finden oder den Ruin mit einem letzten großen Schuss zu besiegeln, arbeitet der Film in zahlreichen, schlicht meisterlichen Momenten vorsichtig heraus. Die Coming-of-Age-Geschichte eines erwachsenen Mannes in Oslo, am 31. August, diesem so schmerzlich fragilen Sommertag.

Ein Musterbeispiel animierten Erzählens
So ehrenwert der nachgereichte deutsche Kinostart von Der Mohnblumenberg in diesem Jahr auch gewesen ist, so sehr muss gleichzeitig die bloße Heimkino-Auswertung vieler anderer asiatischer Filme bedauert werden. Ame & Yuki – Die Wolfskinder, im sanft verhandelten Zwiespalt von Tradition und Moderne besagtem Ghibli-Anime – ebenso eine Manga-Adaption – nicht unähnlich, hätte die große Leinwand sogar noch mehr gebraucht: Die Produktion des Studios Chizu, von Regisseur Mamoru Hosoda eigens für den Film ins Leben gerufen, ist ein Musterbeispiel animierten Erzählens ohne ökonomische Einschränkungen, nie nur mit Blick auf eine bestimmte Zielgruppe inszeniert, ganz selbstverständlich als gezeichnetes Familienmelodram entworfen. Aber auch ein Film, der die Notwendigkeit des Anime als Geschichtenquell des ästhetisch anderweitig vielleicht Unvereinbaren bestätigt: An keinem Moment bringt das Übernatürliche die allzu geerdeten Nöte der Mutter und ihrer Wolfskinder um deren Plausibilität, und es ist erstaunlich, wie der Film phantastische Initiationsriten in einen letztlich beinahe gewöhnlichen Alltagsrealismus einebnet. Großes Kino, wenn auch hierzulande lediglich auf DVD und Blu-ray.

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