Kameralegende Michael Ballhaus feiert seinen 75.

05.08.2010 - 08:50 Uhr
Michael Ballhaus
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In Deutschland machte er sich mit den Filmen von Rainer Werner Fassbinder einen Namen. Dann zog er aus, um Hollywood mit seiner Kunst zu erobern. Heute feiert Deutschlands Kameralegende Michael Ballhaus seinen 75. Geburtstag.

Zufälle spielen im Leben nicht selten eine entscheidende Rolle. Was wäre beispielsweise aus Michael Ballhaus geworden, wenn er damals nicht auf Rainer Werner Fassbinder gestoßen wäre? Wahrscheinlich hätte er es trotzdem zu einem guten Kameramann gebracht, aber ob er derart erfolgreich den Neuen Deutschen Film und das Hollywoodkino der vergangenen 30 Jahre mitgeprägt hätte? Wer weiß… Anlässlich seines 75. Wiegenfestes wollen wir Euch den hierzulande noch immer viel zu unbekannten Michael Ballhaus einmal näher vorstellen.

Das Talent liegt in der Wiege
Als Michael Ballhaus 1935 in Berlin das Licht der Welt erblickt, ist ihm eine Karriere in der Schauspielwelt praktisch vorbestimmt. Seine Eltern sind Theaterschauspieler, sein Onkel und seine Tante ebenfalls. Aber wie wir wissen, zieht es den jungen Knirps trotz seiner Gene nicht vor die Kamera. Nach dem Abitur und der anschließenden Ausbildung zum Fotografen bringt ihn ein einschneidendes Erlebnis auf den richtigen Weg: Michael Ballhaus wohnt den Dreharbeiten des Films Lola Montez von Max Ophüls bei. Die Kameraarbeit des Franzosen Christian Matras fasziniert den 20-jährigen derart, dass er beschließt, diesen Beruf selbst zu ergreifen. Er heuert beim Südwestfunk als Kameraassistent an und dreht einige Jahre fürs Fernsehen, bevor 1968 der erste Kinofilm ansteht: eine Komödie mit Dieter Hallervorden.

Zwei deutsche Filmgrößen finden zueinander
Über den gemeinsamen Bekannten Ulli Lommel lernt Michael Ballhaus kurz darauf den bereits als Regisseur etablierten Rainer Werner Fassbinder kennen. Ihr erster gemeinsamer Film wird das Westerndrama Whity, dem Michael Ballhaus eine in den bisherigen Filmen von Rainer Werner Fassbinder nie dagewesene handwerkliche Souveränität verpasst: Er sorgt für eine gleichmäßige Beleuchtung, verleiht den Räumen Tiefe und lässt die Figuren lebendiger wirken. Obwohl sich die beiden Kreativköpfe hier und da heftig fetzen, erstreckt sich ihre Zusammenarbeit bis zum Jahr 1979 und dem Drama Die Ehe der Maria Braun über insgesamt 17 Filme, mit denen das Duo die Bewegung des Neuen Deutschen Films maßgeblich beeinflusst. Die Zusammenarbeit der beiden endet während den Vorbereitungen zu Berlin Alexanderplatz, als die kreative Freiheit mal wieder zwischen ihnen steht, die der Diktator Rainer Werner Fassbinder seinem Kameramann grundsätzlich verwehrt. Über die Filme danach sollte Michael Ballhaus später sagen: “Ich weiß noch, was das für ein Aufatmen war für mich, was für ein Gefühl der plötzlichen Freiheit, dass plötzlich nicht mehr der schon verinnerlichte Zwang der Fassbinderschen Ästhetik hinter jedem Bild stand, sondern dass man wirklich die Kamera in die Hand genommen hat und den Film einfach aus der Hüfte gedreht hat.”

Ruhm auch in Hollywood
Diese neugewonnene Freiheit nutzt Michael Ballhaus aus. Der Deutsche wagt den Sprung über den großen Teich und empfiehlt sich über einige Independentproduktionen für größere Aufgaben. Diese bieten sich, als dem zu diesem Zeitpunkt bereits renommierten Starregisseur Martin Scorsese eine besondere Kamerafahrt im Film Reckless von James Foley neugierig macht: eine dramatische Kreisfahrt um ein Liebespaar, ausgeführt von Michael Ballhaus. Die beiden tun sich für die Komödie Die Zeit nach Mitternacht zusammen und werden durch die Erfahrungen beim Dreh zu lebenslangen Freunden. Budget und Zeitmangel setzen Martin Scorsese gehörig unter Druck, aber Michael Ballhaus liefert ihm alle verlangten Einstellungen. Eine neue fruchtbare Gemeinschaft war geboren, die bis zur letzten Kameraarbeit von Michael Ballhaus gehalten hat, dem oscargekrönten Meisterwerk Departed – Unter Feinden. Dazwischen fabrizieren die beiden die Meilensteine Die letzte Versuchung Christi, GoodFellas – Drei Jahrzehnte in der Mafia, Zeit der Unschuld und Gangs of New York. Nebenbei steht Michael Ballhaus für Volker Schlöndorff bei Tod eines Handlungsreisenden hinter der Kamera, rückt Bram Stoker’s Dracula von Francis Ford Coppola ins rechte Licht und sorgt mit Robert Redford (Quiz Show – Der Skandal, Die Legende von Bagger Vance), Mike Nichols (Mit Aller Macht), Barry Levinson (Sleepers) und Wolfgang Petersen (Outbreak – Lautlose Killer, Air Force One) für Furore.

Ein unverkennbarer Stil
All diese Filme hat Michael Ballhaus durch seine künstlerische Handschrift teilweise mehr geprägt als der jeweilige Regisseur. Der Ballhaus-Stil zeichnet sich insbesondere durch seine ausgeklügelten Kreisfahrten um Menschen und Objekte, seine mit Spiegelungen und Augentäuschungen arbeitende Dramaturgie und seine sorgfältige Lichtsetzung aus. Stellvertretend für die Genialität von Michael Ballhaus sei an dieser Stelle die Kamerafahrt um die auf einem Piano liegende und singende Michelle Pfeiffer in Die Fabelhaften Baker Boys genannt.

Was die Zukunft bringen wird
Nach dem Motto “Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist” hat sich Michael Ballhaus nach dem Erfolg von Departed – Unter Feinden aus Hollywood verabschiedet und seine Zelte wieder in Berlin aufgeschlagen. In Zukunft will er seine Kenntnisse und Erfahrungen an Filmhochschulen an den Nachwuchs weitergeben und sich auch der Regie und Produktion von Filmen widmen. Und natürlich hoffen wir, dass uns Michael Ballhaus auch hinter der Kamera erhalten bleibt.

Zur Feier des Tages singt Michelle Pfeiffer in der berühmten Szene aus Die Fabelhaften Baker Boys unserem Geburtstagskind Michael Ballhaus ein Ständchen. Achtet schön auf die Kamerafahrt…

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