Plädoyer für den Macker im deutschen Kino

11.08.2011 - 08:50 Uhr
In Resturlaub sucht der Protagonist Trost bei seinem besten Freund.
Sony
In Resturlaub sucht der Protagonist Trost bei seinem besten Freund.
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Wieso sind amerikanische Kinohelden Cowboys, FBI-Agenten und Bad Boys und die Helden der deutschen Leinwand Kindergärtner und Grundschullehrer? Der Mann im deutschen Film steckt in einer Identitätskrise!

“Gib mir mal die Salzstreuerin!” – “Vorsicht auf dem BürgerInnensteig!” – “Ich trag das mal eben in meine Terminplanerin ein.” Versuche der weiblichen Emanzipation dieser Art schießen ziemlich am Ziel vorbei. Die Damen verschaffen sich keinen Respekt, sondern verlieren ihn. “Wie peinlich”, denkt Mann und lächelt süffisant.

Was gibt’s denn da zu lachen? Wie uns der neue deutsche Film zeigt, ist der deutsche Mann in seiner Emanzipation keinen Schritt weiter. Da mag jetzt der eine oder andere Angehörige der männlichen Spezies fragend die Augenbrauen heben. “Emanzipation? Ich? Wieso’n das?”

Ein paar Jahre zurück – Männer in der Krise
Letztes Wochenende gedachten wir Nicholas Ray anlässlich seines – theoretisch – 100. Geburtstages. In seinen Filmen widmete sich der Regisseur mehrfach der Krise des mittelständischen Mannes in der amerikanischen Gesellschaft der 50er Jahre. Diese Krise entstand unter anderem dadurch, dass Frauen während des Krieges vermehrt in die Arbeitswelt eingetreten waren, sich plötzlich selbst versorgen konnten und somit nicht länger in Abhängigkeit von ihren Männern lebten. Da fragte sich der Mann: “Was macht mich denn noch aus, wenn ich nicht länger der Ernährer bin?” In Eine Handvoll Hoffnung wird ein Familienvater durch diese Identitätskrise bis in die Psychose getrieben.

Kein Schwanz ist so hart wie das Leben
Es wurde nicht leichter für den Mann, weder in den USA noch in Deutschland: Die Anti-Babypille schenkte uns seine sexuelle Revolution und längst lagert in den Samenbanken weltweit genug Genmaterial, um den heterosexuellen Zeugungsakt für obsolet zu erklären. Wir haben eine deutsche Bundeskanzlerin und Frauen werden in den meisten Berufsgruppen “bei gleicher Qualifikation bevorzugt”. Was nun? Dem Mann bleibt nur noch das Gefühl, ein Vollidiot zu sein , wie uns gleichnamiger Film eindrucksvoll zeigt. Er ist ratlos in Anbetracht der Frage, die Herbert Grönemeyer stellvertretend für alle deutschen Männer formulierte: “Wann ist ein Mann ein Mann?”

So wundert es uns nicht, dass sich auch die Kunst, in diesem Fall das Kino, dieser Frage zu widmen beginnt: Keinohrhasen, Männerherzen und die neuesten Werke What a Man und Resturlaub – alle diese Filme widmen sich der Frage, was den Mann heutzutage eigentlich zu einem solchen macht.

Der Mann des 21. Jahrhunderts ist eigentlich eine Frau
Witziger Weise macht der Mann genau denselben grundlegenden Emanzipationsfehler wie die Frau: Um sich zu emanzipieren, verhält er sich genauso wie die Gruppe, von der er sich abheben will. Anstatt sich dessen zu besinnen, was genuin männlich ist, versucht er, durch die Offenbarung seiner weiblichen Seite, Eindruck zu schinden. In Keinohrhasen wird Til Schweiger als ehemaliger Frauenheld ein monogamer Kindergärter. Wahnsinnig sexy… Die Moral von Männerherzen ist, dass jeder Mann nur mit einer Frau an seiner Seite glücklich werden kann. In What a Man überzeugt Matthias Schweighöfer als Grundschullehrer nicht durch das Fällen eines Baumes, sondern weil er so gut zuhören kann. Und in Resturlaub reist ein Mann, Maximilian Brückner, auf der Flucht vor seiner heiratswütigen Freundin einmal um die Welt, nur um am Ende demütig zu Kreuze zu kriechen.

Und das soll männlich sein? Ich weiß ja nicht. Warum kann sich Nora Tschirner denn nicht in den bösen Ludo aus Keinohrhasen verknallen, wenn dieser noch Boulevardjournalist ist, und mit ihm eine moderne offene Beziehung eingehen? Warum können die Kerle aus Männerherzen nicht am Ende des Films in der Eckkneipe sitzen, über die Überflüssigkeit von Frauen diskutieren und sich dabei rülpsend und furzend besaufen? Warum gibt es bald Männerherzen – und die ganz, ganz große Liebe statt Rambo im Spreewald mit Til Schweiger als ehemaligem Grenzsoldaten, der in Selbstjustiz die SED-Elite kalt macht?

Die Steigerung sind übrigens Filme wie Kokowääh und Rubbeldiekatz, für den kürzlich der Trailer erschien. Hier nimmt der Mann nicht nur weibliche Eigenschaften, sondern auch die Rolle der Frau selbst an: Til Schweiger wird Mutter während Matthias Schweighöfer in Fick-Mich-Stiefeln die Beine breit macht. Das soll der deutsche Mann von heute sein?

Transgender, political correctness und der längst überfällige Männerbeauftragte
Einige von euch sind schon beim Lesen von ihren Stühlen aufgesprungen, erbost über so viel Klischee. Männer dürfen auch weich sein! Warum überhaupt einen Unterschied zwischen Mann und Frau machen? Es lebe die Unisex-Toilette! Mein zwinkerndes Auge ist euch hoffentlich nicht entgangen. Fakt ist: Wenn es im deutschen Film um das Thema Männlichkeit geht, wie uns Titel wie Männerherzen und What a Man eindeutig suggerieren, dann geht es weniger stereotyp männlich als eher weiblich zu. Lustig ist das allemal: Frau schaut Mann ja gerne dabei zu, wie er sich zum Affen macht. Dann fühlt sie sich überlegen und emanzipiert. Und das männliche Publikum? Das ist froh, dass sich andere Kerle noch schrecklicher blamieren als sie selbst. Fremdschämen dient hier der Stärkung des eigenen Selbstbewusstseins. Aber warum muss das männliche Selbstbewusstsein überhaupt gestärkt werden? Da sind wir wieder am Ausgangspunkt unserer Überlegungen angelangt.

Ich plädiere für den Männerbeauftragten. Wenn Mann wieder Mann sein darf, dann ist die Bühne frei für einen deutschen Cowboys und Aliens, der Apotheose der Männlichkeit. Und Til Schweiger, Matthias Schweighöfer und Maximilian Brückner können endlich schweigend in den Sonnenuntergang reiten…

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