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Skurille Schwarz-Weiß-Geburtstagsgrüße für Jim Jarmusch

22.01.2017 - 15:35 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
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Pandora Films
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Wir läuten das neue Jahr mit der Würdigung einer Ikone des Indiegenres ein, Jim Jarmusch. Mit seinem Hang zur eindrucksvoller Bildsprache,  Poetisierung der Banalität und seiner Liebe zu Schwarz-Weiß-Kreationen erhält der Amerikaner zu seinem 64. Geburtstag Grüße der besonderen Art.

Der erste Monat vom neuen Jahr ist schon fast vorbei. Der Schreibzusammenschluss Textgeschenke zum Geburtstag verschickt im Januar 2017 seine individuellen Geburtstagsgrüße via Geburtstagskarte an Jim Jarmusch.


Nonkonformist über Permanent Vacation (1980)

Leila: Where have you been? I haven't seen you since Thursday.
Allie: Walking, just walking around. I can't seem to sleep at night, not in this city.
Leila: Doesn't seem like you sleep at all.

Allie: Well, I have my dreams while I'm awake.

Menschenmassen reiben die warmen, müden Körper wie lebloses Fleisch aneinander, nebeneinander marschierend, als sei der exorbitant steigende Drang den amerikanischen Traum in seiner ganzen Bedeutungslosigkeit einzuatmen, verdeutlicht durch das nie endende Konsumverhalten jener Getriebener, nicht etwas, dessen falsches Gesicht in den Hinterhöfen jener Städte seine Maske verliert. Klaustrophobisch erdrückend stapeln sich die Wohnblocks der Schattenkinder jener Gesellschaft, weit entfernt von den Panoramaaufnahmen begehrter Reiseziele der Touristen, die alles sehen, außer dem wirklichen Abbild einer Stadt.

Charlie Parker bis zum Maximum aufgedreht, folgt Allie, von Erziehungsheimen und Jugendgefängnissen erzogen, da von den eigenen Eltern verlassen, dem Leben eines nicht mehr mit jenen Träumen einer amerikanischen Gesellschaft konformen Vagabunden. Immer auf der Flucht vor dem Leben, parallel zu denen, die leben könnten, doch getrieben das Bild der leblos, konsumierenden Masse vervollständigen, wandert Allie umher um zu suchen, was zu finden unmöglich scheint. Umgeben von nichts und nichtigen Gestalten, den nie endenden Silhouetten bis weit in den Himmel herausragender Hochhäuser, um auch den letzten von Hoffnung verlassenden Außenseiter in seine Zelle zu sperren und dem stummen Protest in Form von Graffitis, mit denen verzweifelt versucht wird, die große Leere mit ein klein wenig Inhalt zu füllen, weiter voran zu treiben.

Vielleicht ist Allie nicht bedeutend, kein wichtiger Baustein einer leistungsorientierten Gesellschaft und mitnichten für das Kino von einer solchen Relevanz wie es der weitaus geradliniger laufende Teil der amerikanischen Kultur wäre. Man schaut nicht gerne hin, wenn man uns die Schattenseiten aufdrückt, uns zwingt einmal über den Tellerrand hinauszusehen und uns daran zu erinnern versucht, dass jeder wirtschaftlich noch so erfolgreiche Teil der Gesellschaft vor allem deswegen erfolgreich ist, weil es immer auch diejenigen gibt, die genau deswegen nicht dort stehen, wohin sie sich bestenfalls (noch) träumen. Jarmusch zeigt in seinem Debüt die viel zu oft schon viel zu schön dargestellte Fratze hinter der grässlich grinsenden Doppelmoral New Yorks, die wiederum nur eines von vielen Beispiel moderner Großstädte ist, die seit Jahrzehnten die Spaltung in eine Zwei-Klassen-Gesellschaft weiter vorantreibt.

Doch auch diese Klasse lebt, auch Allie lebt. In den Klängen von Charlie Parker, in den Graffitis, den leeren Ruinen, den kleinen Momenten der Freude, die ihm das Leben beschert. Denn wo weder eine Vergangenheit, noch eine Zukunft ist, da bleibt nicht mehr als die Gegenwart in der er lebt, der Fiebertraum in dem er täglich zu überleben versucht.

„Permanent Vacation“ also.
Immer auf Reisen, nie zuhause, nie gebunden, immer frei und doch immer irgendwie gefangen.

Was siehst du?

Den Kommentar zum Film findet ihr auch hier.


Amarawish über Mystery Train (1989)

Mitzuko: Jun... why do you always have such a sad face? Are you unhappy?



Jun: I'm very happy. That's just the way my face is.

Während ich so im Zug Richtung Wien sitze, meinen Stapel an Zeitschriften durchforste, der mir mehr oder weniger aufgeschwatzt wurde und munter, aber leise zu Elvis’ „Blue Moon “ mit summe, dessen Geist ich in diesem Moment klar vor mir sitzen sehe, schweifen meine Gedanken ab. Ich frage mich, ob es nicht die Monotonie der Zugfahrt selbst ist an der Jarmusch damals gefallen fand und sein Talent Alltäglichem etwas Poetisches anzuhaften einsetzte, um uns mit Mystery Train zu zeigen, wie seltsam, grotesk oder gar mysteriös, aber unterhaltend so manche Ausflüge in ihrer Schlichtheit sein können.

Wie bei Jesse und Celine aus Before Sunrise gibt es schicksalhafte Begegnungen und auch jene, die im Moment eine Bedeutung finden, sie später jedoch wieder verlieren und dann nur noch in der Erinnerung präsent sind. Gerade wenn man alleine reist ergeben sich hin und wieder solche Augenblicke, die es vielleicht nie gegeben hätte, wenn man weniger aufmerksam für seine Umgebung gewesen wäre.

Zugfahrten gehörten lange Zeit zu meinem Alltag, jetzt sind sie nur hin und wieder von Nöten, aber ehrlicherweise, fehlen sie mir nicht. Zu lange war ich mehrmals pro Woche, später monatlich gezwungen diese Fortbewegung zu wählen, und auch wenn es anfangs was für sich hatte, so verlor sie im Zuge der Notwendigkeit und der in der Stille geborenen Gewohnheit ihre Faszination. Selbst diese vermeintlich schicksalhaften Begegnungen konnten sie nicht für immer aufgewertet lassen, denn auch die verflogen im Nebel der Zeit und verloren irgendwann jegliche Bedeutung und sogar ihre Sinnhaftigkeit.

Vielleicht hat es aber damit zu tun, dass die Zugfahrt aufgrund ihrer Art weniger entspannend und mehr als eine Pflicht wirkte. Wenn ich daran zurückdenke, wie vergnüglich die Fahrt nach Asti war, wie sinnlos und doch so belustigend die Gespräche mit meinen Reisekameraden und wie erschreckend der Moment der anderen Zugbegegnung auf den Gleisen war, ja selten habe ich so oft in älteren Waggons gesessen und gehofft, dass der Abstand zwischen den beiden Zügen ausreicht.

Und doch steckt in mir dieser Gedanke, wie es denn wäre, wenn man einmal ohne Ziel in den Zug steigt und das Leben einfach passieren lässt. Wohin würden mich die Situationen führen? Welche Menschen würde ich treffen, welche Erlebnisse würden sich einprägen und welche nicht?

So wie Jarmusch bin ich gern Beobachter, zeichne das auf, was Menschen zu Menschen macht und überspiele Gewohnheiten, die ich mehr hinderlich als förderlich für mich erachte. Es ist eine Sache den selben Blick zu besitzen, aber eine gänzlich andere diesen auch filmisch zu interpretieren, zu nutzen und Geschichten wie aus dem Leben geschnitten darzustellen und zwar so, wie es die Langsamkeit erfordert, ebenso wie die Melancholie, die jedem Tag anhaften kann, auch wenn er noch so glücklich begonnen hat. Das I-Tüpfelchen ist dann wohl diesen Erzählungen Charme zu verleihen, sowie die damit verflochtenen Hintergründe, auch wenn es nur die Alltäglichkeit als Ausgangspunkt ist, die mit etwas mehr Würze erzählbar wird. Das ist etwas, was nun wirklich nicht jeder vermag.

Vielleicht führt mich mein Weg eines Tages nach Memphis und womöglich hätte auch eine meiner Begegnungen, ob menschlich oder sonderbar in ihrer Beschaffenheit Stoff für Jarmuschs Mystery Train liefern können. Wer weiß das schon.

In diesem Sinne, alles Gute zum 64., Jim Jarmusch!

Den Kommentar zum Film findet ihr auch hier.


Laudania über Night on Earth (1991)

Paris Driver: Don't blind people usually wear dark glasses? -
Blind Woman: Do they? I've never seen a blind person.

Dieser Film bleibt mir weniger deshalb in Erinnerung, weil er ein grandioses Jim Jarmusch-Meisterwerk ist, sondern weil ih ihn in zahllosen Englischstunden sehen musste, wie viele andere Schüler sicherlich auch. Das macht nichts, denn es gibt wahrscheinlich Schlimmeres. Und dieser Film hat mich schließlich zu Jim Jarmusch überhaupt erst gebracht.

Man lernt eben auch mal nützliche Dinge in der Schule. Nun, das ist meine ganz persönliche Anekdote, die ich immer mit diesem Film verbinde und dem, was er mir letztendlich beschert hat. Deshalb habe ich mich für diesen Film entschieden. Was Jim selbst dazu sagen würde, dass seine Film im Unterricht gezeigt werden, bleibt dahingestellt.

Danke, dass du so tolle Filme machst. Filme, die nicht Mainstream und nicht vollkommen abgedreht sind. Filme, die man sich in allen Lebenslagen ansehen kann. Filme, die ein Mittelmaß sind zwischen den schweren Arthouse-Streifen und dem Popcornkino.

Alles Gute, lieber Jim Jarmusch!


FrancisYorkMorgan über Dead Man (1995)

Der Adler hat noch stets seine Zeit verschwendet, als er versuchte vom Raben zu lernen.

- - Dream Dead Redemption - -

Mein lieber Jim Jarmusch,

Ich bin kein Mensch der glaubwürdig ausgesprochenen Geburtstagswünsche. Daher: Alles Gute von mir. Aber eines wollte ich dir schon immer mal schreiben, mein lieber Jim! Ich habe mir deinen Film Dead Man für diese Aktion an Land gezogen.

Warum? Ich wollte ihn endlich vollends verstehen, besprechen, ihn bis ins Detail durchforsten, interpretieren, überinterpretieren, ein bisschen faseln und dich mal so richtig ehren Ehren. Du hast wahrlich einen Western geschaffen, der so schräg, schief, trist, traurig und experimentell daher kommt, dass es mir jedes mal wieder an Haken und Schlägen mangelt, ihn zu kommentieren. Dieses Filmkorn in Schwarzweiß, diese fahle Poesie darin, der Dreck und all das abgrundtiefe Leid. Ein unvergleichlich mystischer Western mein lieber Jim. Auch nach all den Jahren.

Übrigens habe ich versucht, in mein Unterbewusstsein zu dringen, um eine Analyse zu stemmen. Ein wirklich fabelhafter und sehenswerter Film, der so einige Ebenen bereit hält. Aber wem erzähle ich das. Hehe. Jedenfalls wollte ich mal anders an den Film gehen und spielte eine Runde "Red Dead Redemption". Ja Jim, das ist ein Videospiel. Eines, das zumindest in Ecken und Kanten deinen verruchten und surrealen Geist atmet. Nach etwa zwei Stunden in der Steppe fiel mir trotzdem nichts ein. Ein tolles Spiel, aber irgendwann war ich doch müde vom zocken und machte ein Nickerchen. Ich träumte von dir, Jim. Nichts schlimmes.

*Hüstel*

Aber in diesem Traum fand ich mich im Spiel wieder, bestand aus Polygonen, war überzogen von Texturen aus der PS360 Zeit, sah aber gut aus. Wie ein richtiger Cowboy. Ich starte in dem Spiel die fiktive und in meinem Kopf versteckte Nebenmission "The Head inside that Head" und ritt mit meinem Pferd zum Zielpunkt, vernichtete ein paar Räuber, raubte ein paar Räuber aus und redete mit ein paar Räubern. Doch dann traf ich dich im Spiel, Jim. Du warst gefesselt und die Aufgabe war eigentlich recht simpel. Es war als Minispiel aufgebaut und man musste vorsichtig deinen Kopf öffnen. Keine Sorge, Jim. Wie gesagt, das war nur ein Traum. Ein alkoholisch aufgebauschter. *Hüstel* Jedenfalls musste man per Pad ein Skalpell an der Schädeldecke entlang führen. Erst an der eigenen, dann an der, von dir. Das sah tatsächlich so eklig aus, wie es klingt. Am Ende dieser Mission, die Schädeldecken beiseite gelegt, musste man ein handelsübliches USB Kabel zwischen beide Köpfe klemmen, Zigarre rauchen, schales Bier aus einem Glas trinken, Daten transferieren und dir die richtigen Fragen zu Dead Man stellen. Ja, das klingt ehr nach den Easter Eggs in "Silent Hill", aber da bin ich wohl schwierig.

*Peng!*

Und in diesem Moment legte mir ein Familienmitglied ein schwarzweißes Kuscheltier auf's Gesicht und ich wachte auf, rätselte weiter in diesem grauen Monolith herum, wunderte mich, versank darin und habe dazu eigentlich nur eines zu sagen; `Mission failed´

Und was mach ich, wenn ich mit meinem kleinen Horizont an deinen Filmen scheitere, Jim? Ich nehme mein Pad und drücke `Neu starten´. Immer und immer wieder. Ein unkaputtbarer und unaufgeregt irrer Western.

Den Kommentar zum Film findet ihr auch
hier.


colorandi_causa über Only Lovers Left Alive (2013)

I just feel like all the sand is at the bottom of the hour glass or something.

„In der Ruhe liegt die Kraft“ heiß es ja bekanntlich. Und für kaum einen anderen Regisseur gilt das mehr als für unseren elegischen Melancholiker Jarmusch.

Mit Only Lovers Left Alive entmystifiziert er genau zum richtigen Zeitpunkt den Hype um Glitzer-Vampire und Blutrausch-Bösewichte, ohne sie ihrer Identität zu berauben, dafür aber ungemein menscheln zu lassen. Dabei sind Adam und Eve sehr wohl gegensätzliche Kräfte, die sich dadurch bekanntlich ja umso stärker anziehen. Während Adam hadernd die Isolation sucht, nachdem er zu viele interessante Menschen Kommen und Gehen sehen hat und sich deshalb an Erinnerungen haftet und die Postmodernität ebenso verflucht wie die „Zombies“ ihrer Zeit, ist Eve trotz ihrer 2000 Jahre auf dem Buckel stets im Hier und Jetzt verankert und ehrt sowohl das Vergangene als auch das Gegenwärtige ohne große Trauer.

Anhand seiner beiden Hauptcharaktere zeichnet Jarmusch ein Bild völliger Seelenverwandschaft, die schon fast so gut wie die oft erwähnte „spukhafte Fernwirkung“ funktioniert. Ihre Liebe ist ebenso schön wie ewig, still wie voneinander labend und lebend. Die beschaulichen Kulissen von Detroit und Tanger tragen ebenso zur Stimmung bei wie die schmuckhaften Szenerien mit ihren stilvollen Setpieces und einstimmenden Memorabilia. Überhaupt ist dies wohl eine der bezauberndsten Regie-Arbeiten unseres Autorenfilmers, welche in ruhigen, fast schon stehenden Sequenzen und poetischen Bildern sowohl atmosphärische Dichte evoziert, als auch ästhetisierender denn je daherkommt, was in diesem Falle ein Wuchtigkeit mit sich bringt, die durch seine leisen Töne und Jarmush-typischen Songs und Melodien im Gleichgewicht gehalten werden.

Natürlich darf auch hier nicht der lakonisch-trockene Humor zur kurz kommen und hier und da ein wenig über den aktuellen Zeitgeist scherzen. Das wäre ja nicht Jarmusch, den wir lieben, den ich liebe und der mich mit diesem Film über eine traumhaft-wünschenswerte Liebe in seinen Bann gezogen hat. Auch ganz ohne vampiristische Superkräfte.

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Lest mehr von uns im Februar:

Im kommenden Monat beschenken wir Benicio del Toro.

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Was haltet ihr von unserem Geburtstagskind Jim Jarmusch?

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