Eines der gruseligsten Filmmonster kehrt nach langer Zeit zurück, aber das Warten hat sich wirklich nicht gelohnt

24.01.2025 - 17:31 UhrVor 2 Monaten aktualisiert
Wolf Man
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Mit Der Unsichtbare hat Horror-Experte Leigh Whannell bereits ein ikonisches Universal-Monster erfolgreich zu neuem Leben erweckt. Seine Wolf Man-Neuinterpretation fällt dafür umso enttäuschender aus.

Vor ein paar Jahren noch war Universal ganz darauf versessen, aus den Filmmonstern in seinem Fundus ein Cinematic Universe nach dem Vorbild von Marvel und Co. zu bauen. Angeführt von Tom Cruise und der Mumie sollten miteinander verwobene Filme entstehen, die die größten Horror-Legenden auf der Leinwand zusammenbrachten. Doch schon der Startschuss scheiterte und führte zu einem kompletten Reset.

In Zusammenarbeit mit der Horror-Schmiede Blumhouse verabschiedete sich Universal von jeglichem Franchise-Gedanken und gab seine Monster zur Wiederbelebung frei. Gleich der erste Versuch war ein Erfolg: Der Unsichtbare von Leigh Whannell entpuppte sich als zeitgeistiges Update des Schauerklassikers und ging mit jeder Einstellung unter die Haut. Wolf Man kann dieses Kunststück leider nicht wiederholen.

Von Ryan Gosling zu Christopher Abbott: Der Wolf Man wütet ab sofort in der Gegenwart

Ursprünglich angekündigt mit Ryan Gosling in der Hauptrolle, hat sich Wolf Man in den vergangenen Jahren mehrmals gewandelt. Waren es zuerst medienfixierte Filme wie Nightcrawler und Network, die das Reboot inspirierten, haben wir es jetzt mit einem Albtraum in den Wäldern von Oregon zu tun. Von der Zivilisation ist weit und breit keine Spur zu entdecken, von aufwühlenden Nachrichtensendungen erst recht nicht.

Hier könnt ihr den Trailer zu Wolf Man schauen:

Wolf Man - Trailer (Deutsch) HD
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Nur eine Sache ist geblieben: Der neue Wolf Man spielt in der Gegenwart und entfernt sich damit von klassischen Interpretationen des Stoffs, die von altmodischen Kulissen zehren, etwa Joe Johnstons Version von 2010. Genauso wie bei Der Unsichtbare sucht Regisseur und Co-Autor Whannell das Grauen im Hier und Jetzt – bei einer wohlhabenden Familie aus der Stadt, die sich mehr und mehr von sich selbst entfremdet.

Als der Schriftsteller Blake Lovell (Christopher Abbott) das abgelegene Haus seines Vaters erbt, will er einen Neustart wagen. Die Beziehung zu seiner Frau Charlotte (Julia Garner) könnte kaum distanzierter sein. Gegenüber seiner Tochter Ginger (Matilda Firth) verliert er oft sein Temperament. Raus aus San Francisco, rein in die Natur: Der Ortswechsel soll neue Nähe schaffen, doch es folgt die pure Dunkelheit.

In Oregon erwartet die Lovells das Grauen, bevor sie ihr Gepäck ausladen können. Genau genommen schaffen sie es mit ihrem Wagen nicht einmal bis zum Grundstück des verstorbenen Vaters. Grund dafür ist eine seltsame Kreatur, die plötzlich mitten auf der Straße steht und Blake zum halsbrecherischen Ausweichmanöver zwingt, das in einer Jurassic Park-Gedächtnissequenz endet – der Wagen landet in einem Baum.

Ächzendes Metall, knackende Äste: Jeden Augenblick könnte die Familie in den Tod stürzen, während sich im Rückspiegel ein Ungeheuer mit furchteinflößender Fratze nähert – der T-Rex sozusagen. Ab diesem Punkt entfaltet sich Wolf Man als Überlebenskampf. Whannell nutzt die folgende Nacht, um von dem Zerfall zu erzählen, der auf einen anfangs unscheinbaren, schlussendlich aber schicksalhaften Kratzer folgt.

Wolf Man könnte das perfekte Gegenstück zu Der Unsichtbare sind, aber er ist deutlich schwächer

Die Tragik, die in Wolf Man schlummert, bietet sich als Gegenstück zu Der Unsichtbare an. Vor fünf Jahren musste Elisabeth Moss einer toxischen Beziehung entkommen. Ihr Mann, auf der Oberfläche ein vernünftiger Wissenschaftler, entpuppte sich als Psychopath und Manipulator, der weder vor Gaslighting noch Gewalt zurückschreckte. Wolf Man rückt dagegen ein zerbrechliches Männlichkeitsbild ins Zentrum.

Von seinem Vater hat Blake nur Härte und Disziplin gelernt. Bereits im Prolog des Films, der 30 Jahre in der Vergangenheit angesiedelt ist, marschiert er als Kind mit einem Gewehr in der Hand durch den Wald – auf der Suche nach seinem Abendessen. In den heimischen vier Wänden herrscht ein trostloses Militärregime, das ihn bis heute verfolgt. Auf keinen Fall will Blake so werden wie sein eigenbrötlerischer Vater.

Umso schockierender ist die Erkenntnis, dass er sich nach der Berührung mit der Bestie nicht mehr unter Kontrolle hat. Die Verwandlung, das Kernstück eines jeden Werwolf-Films, verbindet Whannell mit einer in der Theorie unfassbar traurigen Geschichte: Bei dem Versuch, seine Familie wieder zusammenzubringen, verliert Blake sein Vermögen zur Kommunikation und wird zur animalischen Gefahr für die, die er liebt.

Immer wieder versetzt uns die Kamera in seine Perspektive und zeigt, wie ihm das Gespür für den zwischenmenschlichen Kontakt komplett abhandenkommt. Farben verändern sich, Worte ergeben keinen Sinn mehr und jedes noch so unscheinbare Geräusch terrorisiert ihn in Form eines unerträglichen Hämmerns in seinem Kopf. Er ist anwesend und abwesend zugleich. Und seine Triebe verbannen ihn in ewige Einsamkeit.

Whannell gelingt es allerdings nicht, diesen tragischen Kern in seinem Film zum Ausdruck zu bringen. Rund 100 Minuten lang scheucht uns die Kamera von einem undefinierbaren Ort voller Finsternis zum nächsten und schafft – selbst mit der gesamten Ikonografie des Werwolf-Mythos im Rücken – kein einziges denkwürdiges Bild. Julia Garner und Christopher Abbott sind verloren in einer nichtssagenden Inszenierung.

Trotz spannender Themen enttäuscht Wolf Man als furchtbar dröge inszeniertes Horror-Update

Sogar der spannende Kniff, den Film als Countdown bis zum Morgengrauen, aufzuziehen, bleibt über weite Strecken wirkungslos. Er versichert lediglich, dass dieses planlose Hin und Her irgendwann ein Ende findet, aber zuerst müssen wir obligatorische Jump-Scares und eine unbeholfene Abhandlung der Familienkonflikte über uns ergehen lassen. Als wolle der Film mit seinem eigenen Biest nicht in Kontakt kommen.

Transformationen und sich verbreitende Krankheiten sind in Post-Pandemie-Zeiten kein uninteressantes Thema, besonders mit den vielfältigen Möglichkeiten eines Genrefilms, der Ängste und Gefahren bewusst übersteigern kann. Aber genauso wie die Fragilität des (Wolf-)Mannes im Mittelpunkt der Geschichte bleibt Whannell überraschend zahnlos, wenn es um die Isolation des Protagonisten von seiner Familie geht.

Gerade nach Der Unsichtbare, bei dem man nur auf Zehenspitzen durchs Kino schleichen wollte, aus Angst, dass man ertappt wird, ist dieser planlos orchestrierte Wolf Man eine riesige Enttäuschung. Whannell hat sich überlegt, wie er den Stoff modernisieren kann, aber bei der Umsetzung fehlen ihm Gespür, Einfallsreichtum und vor allem eines: die Überzeugungskraft. Hat sich die neue Universal-Monster-Ära schon erschöpft?

Wolf Man läuft seit dem 23. Januar 2025 in den deutschen Kinos.

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