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Szenen des Jahres in der Rückschau

31.12.2015 - 16:40 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
The Barricade Boys
Universal Pictures International Germany GmbH
The Barricade Boys
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Es gibt diverse, ach was, abermillionen Personen die ihre persönlichen Filmhighlights des Jahres in Listen oder Artikel packen. Dabei beschränkt sich die Auswahl in den meisten Fällen doch auf ca. 20 Filme plus-minus und verliert nach der fünften Aufzählung merklich an Reiz. Um aus dieser Riege auszubrechen und trotzdem ein gewisses Maß an Selbstreflektion durchführen zu können, sollen hier die achtsamen 8 Szenen des Jahres vorgestellt werden (ja der Ausdruck macht wenig Sinn, klingt aber einigermaßen einprägsam). Dabei muss nicht unbedingt der Film als ganzes ein Meisterwerk sein, sondern eben nur die beschriebene Szene. Außerdem beschränkt sich die Auswahl nicht auf das Jahr 2015 als Produktionsjahr sondern als Erstsichtungsjahr.

A girl sits in a car with a boy and a cat at night - A Girl Walks Home Alone At Night

Hier ist es schwer zu verstehen, was das Ende dieses Films so speziell macht. Eigentlich ist die Inszenierung in ihrem Aufbau einfach zu konzipieren, dennoch stimmen Stimmung, Timing, Figuren und Musik in dem gesamten Film vollkommen überein. Dies gipfelt gerade in der Ruhe der letzten Einstellungen und in den Augen der Katze auf der kalten Rückbank. Einfach mal ansehen.

One shot de los muertos - James Bond 007 - Spectre

Jeder der Sam Mendes neusten Streich verfolgt hat, kann nachvollziehen welche Stärken oder Schwächen er in der Ausführung seiner Mission offenbart hat. *hust*Auf jeden Fall mehr Stärken als Sam Smith in seiner 20 Minuten Mission*hust*. Das stärkste an diesem Agentenfamiliendrama war allerdings die Filmeröffnung, die Plansequenz am Tag der Toten. Mendes deutet hier an, was er in der Vergangenheit auch über die Länge ganzer Filme geschafft hat, mitreisende, fantastische Inszenierung mit interessanten Inhalten zu füllen. Zugegeben ist der Inhalt nicht sonderlich intelligent, verglichen mit American Beauty oder Road to Perdition, allerdings war allein die Idee mit dem Hubschrauber und der kurze Spaziergang durch die Menschenmassen und über die Dächer ein kreativer Höhepunkt des gesamten Skripts und der allgemeinen Regieleistung.

Look down - Les Misérables

Die Farbgebung im Film und die Szenenbilder sind wundervoll gestaltet, dies trifft gerade bei der Eröffnungsszene zu. Hinzu kommt das vermutlich beste Stück des Musicals, welches später auch noch von den Bettlern und einem jungen, sehr charismatischen Jungen gesungen wird. Look down.

Orgelpfeifen und Gedärme - Kingsman: The Secret Service

Kingsman überzeugt in der Kirche durch seine absolute Wucht, die Kombination von Hektik in den Handlungen der Charaktere und ruhige Stringenz in der Kameraführung. Colin Firth vereint die Eleganz seiner Rom-Com-Auftritte mit neu gewonnener Coolness und den Ideen von Matthew Vaughn. Dabei wird der Kopf des Zuschauers durch eine Mixtur aus Abschreckung durch die Gewaltdarstellung und Spaß durch die Inszenierung gesprengt. Die Rechtfertigung durch das Drehbuch zur Durchführung dieser Gewaltorgie ist überflüssig, glättet aber die Wogen des gutmenschlichen Gemüts schon im Vornherein und ist folglich akzeptabel.

Reich an Fantasie - Das Reich der Sonne

Dieser Film stammt auch nicht aus 2015, nun ja, Eindruck hinterließ er trotzdem, vor allem weil er ein Rückblick in die Zeiten eines Spielbergs bietet, in denen er jungen Darstellern vertraut hat einen ganzen Film zu tragen und sein Gespür für positiven Kitsch noch nicht vollkommen verloren hat. Zwar schwächelt der Film teilweise genau daran, dass Militarismus zu sehr die Faszination des Hauptdarstellers ausmacht, dennoch schmiegt sich Bales Verlangen nach dem Fliegen und das ständige salutieren in einer gewissen Art an die Konfliktgeschwängerte Atmosphäre des Settings an. Der Film bietet drei unabhängige Höhepunkte. Der erste findet seinen Platz relativ zu Beginn des Films und zeigt die Großartigkeit des Films. Dabei sitzt der Protagonist in einem angestürzten Kampfflugzeugwrack und bedient die Mechaniken des Cockpits, in seiner Fantasie befindet er sich jedoch in den höchsten Höhen der Troposphäre. Diese Vorstellung wird vom Regisseur perfekt eingefangen, denn er wählt den Kamerawinkel so, dass kein Grund mehr zu sehen ist und schwenkt dabei so um das Fluggerät herum, als befände sich der Flugjäger tatsächlich in der Luft. Die Genialität der Szene wird bewusst, als ein Spielzeugsegelflugzeug wie eine feindliche Flugeinheit vor dem Fadenkreuz Jungen auftaucht, welches der Hauptdarsteller Minuten zuvor in die Luft geworfen hat. Hier werden jugendliche Fantasie und kindliche Verharmlosung perfekt für den Zuschauer aufbereitet und dargeboten. Sollte man den Film noch nie gesehen haben, darf man sich im weiteren Verlauf noch auf einen ergreifenden Abschied von Kamikazepiloten und einen faszinierend nebensächlichen Abwurf von Little Boy freuen. Der Film bietet zwar auch einige Schwachstellen, kann dies aber durch heute fast nicht mehr vorhandene und nur durch Spielberg geschaffene Kulissen (Menschenmassen in asiatischen Städten á la Tempel des Todes) und eben genannte Stärken durchstarten.

Auschwitz und Humor, eine tödliche Kombination? - Schindlers Liste

Zu diesem Film sagt man am besten wenig, da man sonst falsche Worte findet, dennoch sollen zwei Aspekte herausgehoben werden. Zum einen die Szene im KZ Auschwitz, als den jüdischen Gefangenen klar wird, dass alle Geschichten die sie vor einiger Zeit über diesen Ort aufgeschnappt, und die sie zum Teil aus logischem Denken und zum Teil aus Angst heraus als unwahr verdrängt haben, wahr sind. Es wird hier völlig ohne Sprache gearbeitet und allein durch rohes Bild und rohe Darbietung der Darsteller eine erdrückend graue Atmosphäre der Angst geschaffen, welche durch die eigenen Gedanken und die Tatsache, dass diese Szene genauso stattgefunden haben kann, noch tiefer in den eigenen Verstand eindringt.

Ein anderer vollkommen gegensätzlicher Aspekt stellt der Humor im Film dar. Steven Spielberg schafft es trotz der Gefahr der gesamten Welt eine Zielscheibe für die Beendigung seiner Kariere zu schaffen einen Film über den Nationalsozialismus und der Ermordung von Juden zu drehen, der auch den Humor nicht vermissen lässt. Dabei ist es ein wesentlich schwierigeres Unterfangen ein ernsthaftes erdrückendes Drama mit Humoreinschlägen zu drehen als eine Komödie über Nazis (dies ist schon vielen Filmemachen mit Bravur gelungen). Dem ein oder anderen mag vielleicht das Lachen im Halse stecken bleiben, wenn die Exekution eines Gefangenen daran scheitert, dass Amon Goeth seine Waffe 10 mal hintereinander nicht abfeuern kann, dennoch muss anerkannt werden, dass die gleiche Szene in einem fiktiven Szenario oder ohne den historischen Hintergrund wesentlich uneingeschränkter funktionieren würde.

Little Animal - American Psycho

Nach zwei Nennungen von Steven Spielberg kommt nun Christian Bale zu seiner zweiten Erwähnung. Diesmal befindet er sich mehrere Tausend Kilometer weiter im Westen (oder Osten, je nach Airline) und ist ca. 20 Jahre gealtert. Zudem legt er nun Wert auf sein Äußeres. Er schafft 1000 stomach-crunshes, nutzt Gesichtslotion ohne Alkohol, denn dadurch trocknet die Haut aus und lässt einen alt aussehen (was ist schon schlimmer als alt auszusehen), und hat eine Vorliebe für Huey Lewis and the News und andere „sehr gute Musik“. Sein Appartement hat alles was sich ein Yuppie in seinen 20ern wünschen kann, riesige Betten, mehrere Bäder mit allerlei Kosmetikprodukten, eine Ansammlung an Kunstobjekten und Musik und natürlich ein Waffenarsenal an Äxten, Messern, Nagelpistolen und Sägen, welche in keinem guten Haushalt fehlen dürfen. Und ist sein Tag mal wieder schlecht verlaufen, sagen wir Willem Dafoe geht ihm durch Umfragen auf die Nerven oder Jared Leto fliegt einfach so nach London, obwohl seine Visitenkarte deutlich mehr rechteckig ist als die eigene, dann hat er immer noch genug Geld um sich mit „sehr guten Freunden“ über „tiefgreifende“ und „gesellschaftlich bedeutende“ Themen zu unterhalten.


Speeches and Emotions - Star Wars: Episode VII - Das Erwachen der Macht !Spoiler!

Schwieriger noch als über Nazis und Juden zu schreiben ist es Star Wars angemessen zu behandeln. Nach nur einer Sichtung fällt dies schwer, daher sollen nur zwei Momente kurz erwähnt werden. Die Rede von General Hux gleich einer unfassbaren Leistung an Schauspiel und macht Spaß. Die Szene in der Rey das Lichtschwert ergreift und die Musik einsetzt war der schönste Kinomoment seit dem Beginn des Vorspanns.

Viel Spaß im Kinojahr 2016 und bleibt achtsam, möglicherweise verpasst ihr sonst gute Filme.

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