The Royal Tenenbaums - Ein Hausbesuch

14.07.2011 - 08:50 Uhr
The Royal Tenenbaums
Touchstone Pictures
The Royal Tenenbaums
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Gestörte Familie? Funktioniert! Wer sich für The Royal Tenenbaums entscheidet, wird von Wes Anderson zu einem Hausbesuch eingeladen, der mehr mit einer Wildwasserfahrt gemeinsam hat als mit einem gemütlichen Flanieren durch das Anwesen im Empire-Stil.

Gleich zu Beginn von Die Royal Tenenbaums stellen sich die Familienoberhäupter vor. Obwohl, eigentlich kann nur von einem Oberhaupt gesprochen werden. Etheline Tenenbaum (Anjelica Huston) hat sich, nachdem ihr Mann Royal Tenenbaum (Gene Hackman) seinen Kindern ihre Trennung erklärt (sprich: vor den Latz geknallt) hat, um Haus und Erziehung gekümmert. Wie ernst sie diese Aufgabe nahm, zeigt sich in den erfolgreichen Karrieren, die Chas (Ben Stiller), Margot (Gwyneth Paltrow) und Richie (Luke Wilson) seit ihrer Kindheit gemacht haben. Chas, schon früh finanziell eigenständig aufgrund eines Patents für die Aufzucht von Dalmatiner-Mäusen, hat als Mathegenie seinen Platz in der Finanzbranche gefunden und ist selbst Vater von zwei Söhnen. Margot, die Adoptivtochter (wird von Royal immer als “Das ist meine Adoptivtochter” vorgestellt) ist die Gewinnerin eines 50.000 Dollar Preisgeldes für ein Theaterstück, welches sie in der neunten Klasse geschrieben hat. Die erfolgreiche Dramatikerin ist mit dem Neurologen Raleigh St. Clair (Bill Murray) verheiratet. Richie zu guter Letzt ist ein gefeiertes Tenniswunderkind und lebt nach seinem Karriereende auf einem Kreuzfahrtschiff.

Der Erfolg der jungen Tenenbaums ist die entscheidende Voraussetzung, um die Geschichten ihres Scheiterns entwickeln zu können. So erfolgreich sie beruflich waren, so gnadenlos haben sie in ihrem Seelenleben versagt. Und wer ist Schuld? Royal Tenenbaum kommt einem da als erster in den Sinn. Der egomane Anwalt ohne jegliches Feingefühl scheint, seine Vaterschaft mit dem Zeugungsakt beendet zu haben. Aber – wie bei Egomanen so üblich – besitzt er einen ausgeprägten Kontrollzwang, weshalb er das Leben seiner Frau und Familie von seinem Diener Pagoda (Kumar Pallana) überwachen lässt. So kommt ihm zu Ohren, dass seine immer-noch-Ehefrau nach 22 Jahren nun tatsächlich die Scheidung einreichen will und eine ernste Beziehung mit ihrem Buchhalter Henry Sherman (Danny Glover) eingegangen ist. Im Angesicht des bevorstehenden Verlusts seiner Ehefrau und weil er gerade sowieso aus seinem Hotelzimmer rausgeschmissen wurde, das er seit der Trennung bewohnt, entscheidet sich Royal Tenenbaum zu handeln. Handeln heißt in diesem Fall das Vortäuschen von Magenkrebs. Er lässt sich an medizinisches Gerät anschließen, befüllt Pillendosen mit TicTacs und lässt falsche Ärzte auftreten.

Die sich zuspitzende Handlung bleibt von hier ab den Interessierten überlassen. Wie in einem Ensemblefilm üblich, geschehen die wesentlichen Dinge natürlich auf zwischenmenschlicher Ebene. Und trotzdem handelt es sich keineswegs um einen Film, in dem einfach nur möglichst interessante Charaktere zusammengewürfelt wurden, um möglichst pointierte Dialoge zu sprechen und damit die Handlung zu ersetzen. Nein, Wes Anderson zeigt nur sehr deutlich, wie stark die Handlungen an die spezifische emotionale Disposition der jeweiligen Charaktere geknüpft sind.

Einigen Kritikern war Die Royal Tenenbaums nicht lustig genug für eine Komödie. Stimmt. Und zwar für Menschen, die in Genregrenzen denken. Womit wir bei der zweiten Stärke des Films wären, nämlich seine eigenständige Form. Man könnte jetzt artifiziell den Terminus einer epischen Ensemble-Depressions-Komödie bemühen und damit den gerade angesprochenen Fehler selbst begehen oder man nimmt den Film als eigenständiges Ereignis. Zu diesem Ereignis zählt natürlich auch Wes Andersons Bildsprache, die, ganz der spürbaren Theateraffinität geschuldet, großen Wert auf ein gut ausgestaltetes Set und eine konsequente Farbgestaltung legt. Der Soundtrack bildet eine Kompilation fein ausgesuchter Rock-Perlen von den 60er bis zu den 90er Jahren (u.a. mit Bob Dylan, Velvet Underground, The Clash, Ramones…).

Abschließend will ich nur sagen: Wer einen Profitennisspieler bei einem Nervenzusammenbruch während eines Finalmatches beobachten will, wer wissen will, warum Margot einen Holzfinger hat, warum Royal seine Enkel in Stehlen und Hundekampfwetten unterrichtet, wie Warzenschweinköpfe die Inneneinrichtung aufwerten und welche neuronale Erkrankung Dudley Heinsbergen hat, der darf sich dieses Meisterwerk nicht entgehen lassen.

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