Von wegen unerträglich: Yellowstones Eiskönigin wurde scharf kritisiert, jetzt ist sie eine der besten Figuren der Serie

24.02.2024 - 11:30 Uhr
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Beth Dutton treibt uns in Yellowstone immer wieder an die Schmerzgrenze. Doch der größte Zwiespalt von Kelly Reillys Figur macht sie zugleich zum Fan-Liebling.

Wer Yellowstone schaut, weiß, dass es viele Gründe gibt, sich für die moderne Western-Serie zu begeistern. Einer davon trägt den Namen Beth. Egal, ob ihr die Geschichte der Familie Dutton gerade erst frisch bei Netflix entdeckt habt oder schon lange mitfiebert: Die von Kelly Reilly gespielte Beth Dutton ist eine Urgewalt. Und wie jede Urgewalt kann sie schrecklich und schön zugleich sein. Gerade das Schwanken zwischen den Polen einnehmender und abstoßender Charakterzeichnung macht sie (und damit die ganze Serie) so überzeugend.

Kelly Reilly bereichert den Yellowstone-Cast als Beth Dutton enorm

Seien wir ehrlich: Die Zahl der Frauen in der Yellowstone-Besetzung ist überschaubar. Jede von ihnen muss sich ihren Platz in Taylor Sheridans harter Männerwelt erkämpfen. Und keine kämpft beachtlicher als Beth Dutton. Mit Zähnen und Fäusten hat sie sich ihren Platz als zähstes Familienmitglied unter Patriarch John Dutton (Kevin Costner) hart erarbeitet.

Yellowstone: Tough, tougher, Beth

Das ist umso eindrucksvoller, weil Kelly Reillys Figur von HBO ursprünglich als unbrauchbar kritisiert wurde, bevor Serienschöpfer Taylor Sheridan sich mit Paramount einen anderen Heimatsender suchte. Reillys Darstellung von Beth in der ersten Folge sei zu schroff, unsympathisch und aggressiv, hieß es damals. Heute ist Beth Dutton einer der größten Fan-Lieblinge der Serie.

In ihrer Karriere spielte Kelly Reilly immer wieder die "Eiskönigin", also eine starke, wenn auch unnahbare Frauenfigur. Ihre kühle Caroline Bingley in Stolz und Vorurteil intrigierte herablassend gegen die Heldin und in Kenneth Branaghs A Haunting in Venice gab sie zuletzt die undurchschaubare Hausherrin. Insofern passt die radikale Beth Dutton aus Yellowstone perfekt in Reillys Rollenbild. Leicht hätte die toughe Bank-Expertin zum Abziehbild einer "Power-Frau" werden können, doch die britische Darstellerin holt mehr aus ihrer Beth Dutton heraus.

Yellowstones Beth Dutton empfängt und bereitet Schmerzen

Wie Kelly Reilly das Yellowstone-Personal mit ihren schlagfertigen Sprüchen immer wieder an die Wand nagelt, macht einen großen Reiz der Serie aus. Denn schärfer als Beths Verstand ist nur ihre Zunge. Oder wie Taylor Sheridan seine Hauptfigur auf den Punkt bringt: "Beth sagt das, was du gerne gesagt hättest".

Yellowstone: Kelly Reilly als Beth Dutton

Zugleich ist die ungeniert fluchende Beth Dutton aber auch eine gebeutelte Figur, die in Yellowstone körperlich und seelisch viel durchmachen muss. Diese Mischung aus Einstecken und Austeilen verleiht ihr eine verletzliche Stärke, die neben Kolleg:innen wie Michael Fassbender und Nicole Kidman nur wenige Stars so überzeugend darstellen können wie Kelly Reilly.

Ein gutes Beispiel ist eine Szene in der 9. Folge der 2. Staffel, in der Beth ihrer drangsalierten Schwägerin Monica (Kelsey Asbille) zu Hilfe eilt. Monica ist als zweite große Yellowstone-Frauenfigur sanftmütig und einnehmend, also der komplette Gegenentwurf zu Beth. In einem Geschäft wird der indigenen Frau von der Ladenbesitzerin sowie Polizisten unangenehm mitgespielt. Erst Beth kann sie aus der "freiwilligen Leibesvisitation" in der Umkleidekabine befreien. Kelly Reillys Figur schafft es dabei im selben Atemzug, die anwesenden Täter zur Schnecke zu machen und Monica aufzubauen. Denn in ihrer Härte gegen die einen blitzt die Einfühlsamkeit für die anderen auf. Im Innersten ist Beth eine Person, die gegen Ungerechtigkeit aufbegehrt.

Yellowstone: Beth & Rip

Immer wieder wird Beth handgreiflich oder muss selbst Prügel einstecken. Dazwischen vergisst Yellowstone nicht zu zeigen, dass Beths erkämpfte Unabhängigkeit ihrem persönlichen Glück aber auch Steine in den Weg legt. Selten ist unser Mitgefühl für die Figur größer als in den Momenten, in denen sie sich Ranch-Aufseher Rip Wheeler (Cole Hauser) nicht öffnen kann. Obwohl sie es so offenkundig will. Obwohl seine Bodenständigkeit ihre innere Furie zum Vorteil für beide Seiten bändigen könnte.

Die Balance zwischen Tyrannin und Sympathieträgerin macht Beth zur komplexesten Yellowstone-Figur

Kälte und Gefühl zu vereinen, ist also eine Kunst, die Kelly Reilly beherrscht. Es sind allerdings die Momente der Grenzüberschreitung, in denen ihre Beth endgültig zur schmerzhaft dreidimensionalen Figur reift. Denn jeder kann eine willensstarke Heldin lieben, aber was passiert, wenn diese Heldin zum mobbenden Bully wird?

Yellowstone: Jamie & Beth Dutton

Am besten zeigt sich diese qualvolle Ambivalenz in Beths giftigen Umgang mit ihrem Bruder Jamie (Wes Bentley). Ihn hasst sie wie kaum jemand anderen in Yellowstone. Wenn sie ihn mit Worten pulverisiert, bleibt einem regelmäßig der Atem weg. Die Feindschaft der zwei reicht zurück zu dem Moment in ihrer Kindheit, in dem Jamie seine schwangere Teenager-Schwester von einer Abtreibung überzeugte. Außerdem ist Beth angewidert von der Schwäche ihres Familienmitglieds, der als aalglatter Anwalt von allen Duttons am wenigsten ins Bild des modernen Cowboys passt.

Wenn Jamie Beth nach einem ihrer zahlreichen Zusammenstöße in bester Vin Diesel-Manier daran erinnert, dass sie immer noch eine "Familie" sind, hält die Schwester sarkastisch dagegen, dass "dieses Wort nicht zur Absolution berechtigt". Denn im Gefüge ihrer Familie hat Beth einen schwierigen Platz, der sich zum Beispiel dann zeigt, wenn sie Jamie auffordert, endlich "ein Mann" zu sein. Schließlich ist das eine Rolle, die sie zu ihrer eigenen Frustration in den Augen ihres Vaters nie einnehmen kann.

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Selbst wenn wir Jamie Dutton nicht leiden können und Beths Beweggründe für ihre konstanten Quälereien begreifen: Berechtigt sie das zur Grausamkeit? Nein. Wer Leid erfahren hat, bekommt dadurch nicht automatisch die Erlaubnis, es selbst auszuteilen. Hier wird Beths Stärke zugleich zu ihrer Schwäche. Und wir müssen uns selbst den Spiegel vorhalten und fragen, ob wir eine Figur bewundern dürfen, die häufig zu weit geht. Kann man so jemanden, selbst in einer fiktionalen Erzählung wie Yellowstone, anfeuern?

Game of Thrones' Cersei Lannister (Lena Headey) war zuletzt eine ähnlich eindrückliche Serien-Figur, die keine einfachen Empathie-Antworten bereithält. Abstoßend und anziehend zugleich ist es aber gerade diese Facette, die Beth Dutton so komplex, so realistisch, so menschlich macht. Und wir können uns in Yellowstone nur genüsslich in diesen furchtlosen Abgrund namens Beth Dutton begeben und den Zwiespalt zelebrieren.

Denn ja: Beth streitet sich gerne und nicht immer aus gutem Grund. Wenn sie einen Fremden dafür herunterputzt, der sie "Miss" nennt, will sie sich einfach nur auf Kosten anderer abreagieren. Sie liebt es, eine Szene zu machen und andere vor den Kopf zu stoßen. Das sind die Momente, in denen sie die Macht hat. Auch die Macht über uns Zuschauende.

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