Die Ankunft der Fantastic Four im Marvel Cinematic Universe überrascht mit einem Twist: Anstelle von Erde-616, auf der Iron Man und Co. beheimatet sind, lernen wir die Superheldenfamilie in einer anderen Dimension des Multiversums kennen: Erde-828. Hier ist die Geschichte der Menschheit anders verlaufen. Die Figuren finden sich in einer retro-futuristischen Welt wieder, die in den 1960er Jahren verankert ist.
Besonders auffällig: Zwischen unzähligen Wolkenkratzern ragt ein riesiges Raumschiff aus der Skyline von New York. Sobald sich die Fantastic Four an Bord der Excelsior begeben und in die unendlichen Weiten des Weltraums aufbrechen, wechselt Matt Shakmans Film auf die Überholspur und liefert die beste Marvel-Sequenz seit Jahren ab. Von so einem famosen Action-Set-Piece können die Avengers-Filme nur träumen.
Achtung, es folgen Spoiler!
Die Weltraumsequenz in The Fantastic Four: First Steps ist der mit Abstand beste Teil des Films
Kaum schlendern wir durch die Welt von The Fantastic Four: First Steps und entdecken deren Eigenheiten, kündigt sich ihr jähes Ende an: Der offenbar sehr hungrige Galactus (Ralph Ineson) will sich den blauen Planeten einverleiben. Das lässt seine Heroldin Silver Surfer (Julia Garner) zu Beginn des Films verlauten. Also machen sich die Fantastic Four auf den Weg ins All, um mit dem Planetenverschlinger zu verhandeln.
Voller Zuversicht rasen Reed Richards (Pedro Pascal), Sue Storm (Vanessa Kirby), Johnny Storm (Joseph Quinn) und Ben Grimm (Ebon Moss-Bachrach) durch die Dunkelheit des Weltraums und kommen schließlich bei einem idyllischen Planeten heraus, der urplötzlich vor ihren Augen in seine Einzelteile zerfällt. Eine gewaltige Maschine bohrt sich durch Ozeane und Kontinente, bis nichts mehr davon übrig ist.
Der Anblick dieser puren Zerstörungskraft wirft den Optimismus, mit dem die Fantastic Four ihre diplomatische Mission angetreten haben, aus der Bahn. Ab diesem Punkt begeben wir uns ins abgründige Terrain eines Sci-Fi-Horror-Films, der einem Gang ins interstellare Jenseits gleicht. Am Fuße eines Thrones kommen die Fantastic Four zum Stehen und blicken zu einer überlebensgroßen Gestalt hinauf: Galactus.
Es ist ein absolut ungeheuerlicher Moment. Winzig klein sind die Menschen im Angesicht des Weltenfressers, der zwischen dampfenden Geräten und schauerlichen Strukturen sitzt und mit tiefer, brummender Stimme das ungeborene Kind von Sue und Reed im Tausch gegen das Überleben der Erde verlangt. Als ihm die F4 dieses verwehren, beginnt eine atemlose Weltraumverfolgungsjagd in Überlichtgeschwindigkeit.
The Fantastic Four: First Steps liefert einen willkommenen Kontrast zu den leblosen Avengers-Schlachten
Matt Shakman inszeniert diese Passage, die in einer Geburt in Schwerelosigkeit kulminiert, als galaktischen Rausch zwischen den unheimlichen Räumen eines Alien-Films und der wuchtigen Bewegung des Docking-Manövers in Interstellar. Obwohl er die filmische Brillanz seiner Vorbilder nicht erreicht, schafft er eine Sequenz, die von Minute zu Minute an Intensität gewinnt und in immer abenteuerlichere Bilderwelten entführt.
Es ist ein Quantensprung gegenüber dem oft ideenlosen, leerem Spektakel anderer MCU-Filme, bei denen es nur darum geht, so viele Figuren wie möglich in undefinierbaren CGI-Bildern zu vereinen. Dann wartet man auf einen Hero-Shot, der völlig unbeholfen aus trister Action entstehen soll. Eines der bisher frustrierendsten Beispiele ist die Endschlacht in Avengers: Endgame, die vollständig in grauem Matsch untergeht.
Was der epochalste Marvel-Film aller Zeiten hätte werden können, entpuppte sich als mühselige Abfolge von Figurenauftritten, die der rudimentärsten Dramaturgie folgt, damit Captain America Thors Hammer aufheben und Tony Stark die Worte "Ich bin Iron Man" sagen kann. Von der Dynamik, mit der Shakman durch den Weltraum braust und die Fantastic Four zu Galactus lotst, könnte Endgame nicht weiter entfernt sein.
Die Regisseure Anthony Russo und Joe Russo, die auch die nächsten beiden Avengers-Films ins Kino bringen, lassen ein Gespür für Aufbau, Setting und Figuren vermissen. Ihre größte Leistung in Endgame ist logistischer Natur: Wie vereint man dermaßen viele Stars mit vollen Terminkalendern vor einem Greenscreen? The Fantastic Four: First Steps beweist jedoch, dass ein packender Moment auch ganz anders entstehen kann.
Matt Shakman vermag es, eine MCU-Figur wie Galacuts aufzubauen und effektiv in Szene zu setzen
Der Gleichgültigkeit von Endgame setzt Shakman ein levelartiges Set-Piece entgegen, das geschickt Gebrauch von den Eigenschaften der Figuren macht. Allein die Kontraste auf Seiten der Gegenspielenden sorgt für Spannung: Silver Surfer verfolgt die Excelsior, als würde sie im Windschatten des Raumschiffs auf kosmischen Wellen surfen, während sich Galactus kaum bewegt und trotzdem vor Bedrohlichkeit strotzt.
Vom Aufbruch von der Erde über das Wandern durch gottverlassene Maschinenräume bis zur schwindelerregenden Verfolgungsjagd: Shakman lässt uns jede Station dieser Reise erleben und versteht es, wie man mit Größenverhältnissen und Geschwindigkeit spielt. Galactus mag nicht der am besten geschriebene Marvel-Schurke sein, aber wie ihn Shakman in Szene setzt, verleiht ihm eine beängstigende Präsenz.
Lange existiert er nur als Name in Verbindung mit dem, was er tut. Doch wie sieht jemand aus, der Planeten zum Frühstück verputzt, weil er so einen unstillbaren Hunger hat? Was treibt ihn an und wie stellt er das an? Shakman skizziert den Fiesling nicht nur mit Worten, sondern mit Bildern. Die zeigen zuerst eine Umgebung, die uns erahnen lässt, was für ein unfassbarer Koloss am Ende des Alls warten muss.
Und dann ist da die schiere Größe, die sogar IMAX-Leinwände zu sprengen droht. Selbst das bekannte Gesicht eines Hollywood-Stars wie Pedro Pascal ist plötzlich nicht mehr auszumachen, wenn er am Fuße des Titanen steht und hofft, den Nimmersatten vom Verzicht überzeugen zu können. Die Bilder sprechen eine eindeutige Sprache: Reed Richards und Co. sind komplett machtlos. Sie sind verloren.
The Fantastic Four: First Steps ist nicht so gut wie Interstellar und Alien, aber immerhin ein Anfang
Die Weltraumsequenz in The Fantastic Four: First Steps ist nicht nur für sich eine packende Achterbahnfahrt, die Galactus mit einem neugeborenen Baby das wohl zerbrechlichste Geschöpf überhaupt gegenüberstellt. Sie stützt auch den Rest des Films: Was die F4 da draußen gesehen und erlebt haben, lässt sie zu Recht schaudern, obgleich sie bei der Rückkehr zur Erde mit Unverständnis begrüßt werden.
Shakman nutzt für MCU-Verhältnisse überdurchschnittlich viele der Mittel, die ihm als Regisseur zur Verfügung stehen, um die Geschichte lebendig werden zu lassen, etwa das dichte Zusammenspiel mit Michael Giacchinos Musik. Vor allem aber gibt er uns das Gefühl, dass wir in etwas eintauchen, etwas entdecken, etwas erleben können – und eben nicht einfach nur der Abfolge uninspirierter Routinen in leblosen Studiohallen folgen.
Mehr zu The Fantastic Four: First Steps:
- Unser ausführlicher Film-Check zu The Fantastic Four: First Steps
- Silver Surfer & Galactus: Julia Garner und Ralph Ineson im Interview
- Vanessa Kirby spielt eine bahnbrechende Version von Sue Storm
Stellt man The Fantastic Four: First Steps direkt neben die Vorbilder Alien und Interstellar offenbart sich ein Graben, den Shakman nicht überbrücken kann. Der größere Blick auf das MCU provoziert dafür umso mehr die Frage, warum wir es hier – in einem Blockbuster-Franchise mit 37 (!) Filmen – mit der Ausnahme und nicht der Regel zu tun haben. Solche Sequenzen sollte es bei Marvel am laufenden Band geben.
The Fantastic Four: First Steps läuft seit dem 24. Juli 2025 im Kino.