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Eine fantastische Reise

16.02.2015 - 20:00 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Die Berlinale 2015 bot erneut eine Vielzahl an unvergesslichen Erinnerungen.
Berlinale
Die Berlinale 2015 bot erneut eine Vielzahl an unvergesslichen Erinnerungen.
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Die Berlinale 2015 ist Geschichte. Insgesamt bin ich sehr zufrieden. Ich werfe nochmal einen Blick auf meine persönlichen Filmfestspiele von Berlin. Was waren meine Highlights? Worauf sollte man in nächster Zeit achten? Und auch etwas kritischere Dinge möchte ich ansprechen.

Die 65. Internationalen Filmfestspiele von Berlin liegen hinter uns. Der Alltag hat mich wieder erreicht. Aber die vergangene Berlinale komplett hinter mir lassen will ich noch nicht. Es gibt noch einiges aufzuarbeiten und zu reflektieren. Insgesamt bin ich sehr zufrieden mit meinen 34 Filmen. Natürlich war da nicht jeder Film großartig, aber man kann wohl ohne weiteres behauptes, dass dieses Jahr ein sehr gutes Programm zusammen gestellt wurde - und nicht nur im Wettbewerb! Es wird immer deutlicher, dass sich das südamerikanische Kino langsam aber sicher zu großer Bedeutung mausert. Dieses Jahr fiel dies ganz besonders am Beispiel von Chile auf, aber in den letzten Jahren zeigten auch Argentinien oder Brasilien, dass es dort viel zu erzählen und zu erkunden gibt. Deutschland war dieses Jahr im Wettbewerb hervorragend vertreten, wie ja auch der Bär für die Kameraarbeit von Sebastian Schipper's Victoria zeigt. Etwas enttäuscht bin ich dieses Jahr von den japanischen Beiträgen. Auch Südkorea konnte mich diesmal nicht wirklich begeistern. Der für mich schlechteste Film kam sogar aus diesem Land. Insgesamt habe ich Filme aus 17 verschiedenen Staaten gesehen.

Mir wird die international geprägte Stimmung des Filmfestivals etwas fehlen. Einfach ständig irgendwelche Fremdsprachen zu hören oder mit Leuten aus den verschiedensten Ländern in Kontakt zu kommen ist wirklich wundervoll. Sich mit ihnen über die Filme ihrer Heimatländern zu unterhalten eröffnet manchmal vollkommen neue Perspektiven. Filme können so schön ein Gefühl für die uns fremde Gesellschaft vermitteln, aber zusätzliches Hintergrundwissen macht alles nochmal viel verständlicher.

Für viele Berlinalegänger das Wichtigste ist oft die Frage, welcher Film den Wettbewerb gewonnen hat und wem die Goldenen und Silbernen Bären von der Internationalen Jury gegeben wurden. Ich persönlich finde diese Auszeichnungen oftmals problematisch und man sollte so etwas auch nicht überbewerten, da sie eventuell politische Beweggründe und "strategische" Entscheidungen beinhalten. Und schließlich besteht die Jury aus einer kleinen Gruppe von Leuten; jeder hat seine persönlichen Ansichten. Ich will an dieser Stelle nicht unbedingt eine Diskussion um die Frage beginnen, was Film soll und was ihn gut macht. Geschmackssache, oder? Trotzdem macht es Spaß über die Preise zu spekulieren und zu diskutieren.

Stefan verleiht seine eigenen Bären

Erstmal Glückwunsch von mir an alle Gewinner. Ich habe tatsächlich jedoch keinen einzigen der Preisträgerfilme gesehen. Oft waren es bewußte Entscheidungen, da ich nicht so viele Filme sehen möchte, die den Weg in die regulären Kinos sowieso finden werden. Außnahmen dazu sind natürlich Filme wie Knight of Cups von Terrence Malick oder die neuen Werke von Wim Wenders und Werner Herzog, da sie mich einfach zu sehr interessiert haben, um sie ignorieren zu können. Und enttäuscht hat mich dann auch keiner dieser Filme. Die Bärengewinner haben ihre Würdigung sicherlich hoch verdient. Nur wirklich beurteilen kann ich dies nicht, so lange ich die entsprechende Filme nicht gesehen habe. Aber da wird in den nächsten Monaten noch viel nachgeholt werden müssen.

Sehr gefreut hat mich der Preis für Charlotte Rampling, die ich schon fast vergöttere. Eher enttäuscht war ich natürlich, dass mein Favorit Eisenstein in Guanajuato von Peter Greenaway keinen Bären bekam. Zumindest Hauptdarsteller Elmer Bäck hätte es sicher verdient gehabt. Und an Victoria war bei dem Kamerapreis wohl kein Vorbeikommen - nach dem zu urteilen, was man so hört.

Ich habe im Wettbewerb 10 Filme (neun davon in der Konkurrenz) gesehen. Keiner von meinen Filmen hat einen Preis der Internationalen Jury um Darren Aronofsky bekommen können. Noch epischer: Es gab 19 Filme im Wettbewerb. Die Hauptpreise wurden an neun verschiedene Filme vergeben. Der einzige Film, der keinen Preis bekam und NICHT von mir gesehen wurde ist Sworn Virgin von Laura Bispuri. Warum habe ich den eigentlich nicht gesehen? Selbst in den Preisvergaben der diversen unabhängigen Jurys wurden meine Filme so gut wie überhaupt nicht ausgezeichnet. Die einzige Ausnahme bildet Zurich. Der Film von Sacha Polak konnte den Cicae Art Cinema Award bekommen. Was für ein schlechtes Händchen muss man haben, um bei der Filmauswahl so dermaßen daneben zu liegen? Naja, es war ja auch oft schon anders. Ich erinnere mich da gerne an den wundervollen La Teta Asustada - Eine Perle Ewigkeit vom diesjährigen Jurymitglied Claudia Llosa zurück. Oder auch an den sehr überraschend ausgezeichneten Feuerwerk am helllichten Tage vom letzten Jahr. Noch ein letztes Beispiel für ein glückliches Händchen wäre vielleicht The Act of Killing, der allerdings im Panorama gezeigt wurde. Ich hatte also auch schon oft viel Glück bei meiner Auswahl. Und im Vorfeld zu wissen, was gute oder schwache Filme sein könnten, ist natürlich (besonders in den Nebensektionen) nicht immer so einfach. Überraschungen und Enttäuschen gehören dazu und ich möchte dies auch nicht missen.

Ich würde gerne an dieser Stelle auch meine eigenen Bären verteilen. Weil in den anderen Sektionen der Berlinale ebenfalls gute Filme gezeigt werden, möchte ich meine persönliche Preisverleihung auf sämtliche von mir gesehenen Filme, mit Ausnahme der Retrospektive-Filme, ausweiten. Hier sind meine (natürlich ganz subjektiven) Entscheidungen:

  • Der Bär für den besten Hauptdarsteller: Elmer Bäck (Eisenstein in Guanajuato)
  • Der Bär für die beste künstlerische Gestaltung (Kamera/Schnitt/Musik/Set Design etc): Eisenstein in Guanajuato
  • Bester Dokumentarfilm: Jia Zhang-ke, a guy from Fenyang


Gerne hätte ich Knight of Cups einen Preis gegeben, aber es gab einfach keine Möglichkeit dazu. Nicht das Schauspiel oder das Drehbuch machen den neuesten Film von Terrence Malick so faszinierend. Selbst beim "Technikbär" hatte der Film einfach keine Chance, auch wenn die Kameraarbeit von Emmanuel Lubezki wieder einmal fantastisch ist. Natürlich könnte der Regiepreis an Malick gehen, aber ich fand Eisenstein in Guanajuato einfach so genial und unerwartet modern und anders, dass ich den Titel einfach an Peter Greenaway vergeben musste. Aber ich möchte hier auch nicht die schlechteren Filme vernachlässigen, deswegen gibt es von mir auch Goldene HimBären:

  • Die Goldene HimBäre für das schlechteste Drehbuch: Park Soo-jin (Ode to My Father)

Und nun? Was bleibt?

"Nach der Berlinale ist vor der Berlinale"? So ein Quatsch. Vielleicht gilt dies für die Programmgestalter des Festivals von 2016. Es soll ja Leute geben, die gehen nur zu den Filmfestspielen ins Kino und brauchen dann "eine Pause". Die missverstehen wohl die Berlinale als kulturelles Event, zu dem man gehen muss. Ganz im Gegegenteil: Die Berlinale zeigt dem geneigten Filmfreund, was er noch alles schauen muss. Es dient als Augen- und Türöffner. Jetzt beginnt für mich die Zeit der Aufarbeitung. Offensichtlich gilt dies zunächst für die Filme, die ich nicht geschaut habe, beispielsweise 45 Years, Victoria, The Look of Silence oder Taxi, um nur einige zu nennen. Aber gleichzeitig eröffnet solch ein Ereignis auch, was man bisher übersehen hat. Ich denke da insbesondere an die letzten Filme von Peter Greenaway. Klar, ich kenne einige seiner Werke wie beispielsweise Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber oder Die Bettlektüre, aber gerade die Produktionen der letzten Jahre, sind komplett an mir vorbeigegangen. Das muss schleunigst nachgeholt werden. Auch die Retrospektive-Sektion deckt immer wieder Lücken auf. Das gilt für mich am Beispiel von Kon Ichikawa, dem eine eher kleine Werkschau im Rahmes des Forums gewidmet war. Nicht jeder dieser Filme hatte mir gefallen, aber der Japaner hat über 80 Filme gedreht und einige Perlen sollten sich da definitiv finden lassen. Auch die Vorführung eines Filmes von Francesco Rosi zeigte mir, dass ich von einem der großen Meister des italienischen Nachkriegskinos bisher nur zwei Filme gesehen habe. Das darf so nicht bleiben.

Etwas Kritik muss auch sein!

Man kann sich inzwischen wirklich fragen, ob die Berlinale oder vielmehr ihr Programm nicht etwas zu groß geworden ist. Gefühlt kommt jedes Jahr eine neue Sektion dazu. Da gibt es neben den Hauptsparten (Wettbewerb, Forum, Panorama, Retrospektive) noch folgende Nebensektionen: Berlinale Shorts, Homage, Generation (KPlus und 14Plus), Perspektive Deutsches Kino, Kulinarisches Kino, NATIVe Berlinale (Filme mit aktuellen, indigenen Themen, also über Naturvölker, Indianer oder ähnlichem), das etwas unnütz erscheinende Berlinale Special mit der noch unnützer erscheinenden Unterkategorie Special Series (da nur die ersten ein oder zwei Folgen von neuen Fernsehserien präsentiert werden). Auch Forum (Forum Expanded) und Panorama (Dokumente) haben inzwischen ihre Unterkategorien. So langsam wird das ganze unübersichtlich. Seit diesem Jahr findet auch noch parallel zur Berlinale die Woche der Kritik  statt. So sinnvoll und interessant jede dieser Sektionen auch sein mag, sie machen in der Fülle einfach kaum noch Sinn. Hinzu kommt, dass vielleicht ein paar Filme zuviel in den einzelnen Sektionen gezeigt werden. Müssen jeweils rund 50 Produktionen in Forum und Panorama wirklich sein? Auf der anderen Seite hat so jeder Zuschauer wirklich die Möglichkeit seine Interessen noch freier ausleben zu können. Bei einer eingeschränkteren Vorauswahl wären sicherlich eine gewisse Anzahl an Filmen, die mir sehr gefallen haben, nicht ins Programm aufgenommen worden. Auch dass die Verkaufszahlen den Veranstaltern recht geben, spricht gegen eine Reduktion der Titel. Das Problem ist nur, dass man einfach immer mehr sehen will als man tatsächlich kann. Mit meinen 30 bis 35 Filmen pro Jahr will ich so viele Kategorien, Länder und Themen abdecken wie möglich (dieses Jahr hatte ich leider keine Generationen- oder Kurzfilme dabei). Die Ausgewogenheit und Verschiedenheit sind mir sehr wichtig. Natürlich kann man nie alles haben. Auch die Idee, manch einer Nebensektion einen eigenen Termin zu geben, ist wohl leider keine Option. Der Name Berlinale würde dann entweder fehlen (was den Verkaufszahlen erheblich schaden dürfte) oder seine Strahlkraft etwas einbüssen, da es das Produkt Berlinale dann verwässern könnte.

Etwas dass mir bei der Berlinale inzwischen etwas fehlt, ist eine differenziertere Auseinandersetzung mit dem Thema Film. Manchmal bekommt man den Eindruck, gewisse Leute wollen sich feiern lassen und dann gehen. Eine kritischere Auseinandersetzung mit der eigenen Verantwortung fehlt mir da manchmal. Klar, manche Filme werden ihrer Publicity wegen ins Programm genommen. Ist eigentlich auch kein Problem. Aber die Filme sollten nicht als Massenware präsentiert werden. Manchmal beschlich mich das Gefühl, dass der Moderator einer Diskussionsrunde den Film oder dessen Regisseur kaum kannte und einfach nicht gut vorbereitet war. Und ich meine ausdrücklich manchmal, bei weitem nicht immer! Allerdings wäre es selbstverständlich sehr teuer, wenn die Veranstalter für jede Vorführung jemand Professionelleres für eine wundervolle, informative Einführung abstellen müssten, würde dem Ganzen aber nochmal mehr Wert verleihen. Der Großteil der Zuschauer kennt in den meisten Fällen die Regisseure oder deren Werke, Themen und Absichten nicht. Man sollte sie bereits vor dem Film etwas mehr vorbereiten und die Filme einordnen. Aber vielleicht interessiert das auch keinen so wirklich?

Danke schön

Das war es jetzt tatsächlich meinerseits. Die Berlinale und mein begleitender Blog sind damit abgeschlossen. Es hat mir unglaublich viel Spass gemacht, auch wenn es etwas mehr Arbeit und noch weniger Schlaf als üblich bedeutet hat. Aber das Schreiben hat es mir noch mehr ermöglicht, mich mit den Filmen zu beschäftigen. Ich hoffe, dass ihr viel Spaß daran hattet und danke all denen, die mir nette Worte haben zukommen lassen. Das macht mich etwas stolz. Natürlich weiss ich, dass nicht alles perfekt war. Um 2Uhr nachts noch hervorragend verständliche Sätze zu formulieren und alle Tippfehler zu vermeiden stellte sich als größtes Problem dar. Ich hoffe, das fiel nicht negativ auf. Nochmals ein großes Danke schön und man liest sich...

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