Kritiker-Papst Roger Ebert feiert seinen 68. Geburtstag

19.06.2010 - 11:00 Uhr
Roger Ebert
Chicago Sun-Times
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Er gilt als die Kritiker-Legende schlechthin. Seine Kommentare sind ebenso spitzzüngig wie gnadenlos ehrlich. Roger Ebert hat den Beruf erst wirklich cool gemacht. Wir stellen ihn euch anlässlich seines 68. Geburtstags einmal näher vor.

Seit über vierzig Jahren ist er aktiv. Weder von schweren Schicksals-Schlägen, noch von schlechten Filmen lässt sich Roger Ebert davon abringen, seine Kritiken zu schreiben. Eine langlebige Fernseh-Serie, der Pulitzer Preis und viele weitere Auszeichnungen zeigen, dass die Worte von Roger Ebert enorme Beachtung verdienen. Denn schließlich verdankt ihm die Welt das einfache und doch bedeutungsvolle Daumen rauf, Daumen runter – zumindest im Bereich der Filmbewertung. Auch seinen Oscar-Vorhersagen schenkt die Welt höchste Beachtung.

Kritiker aus Berufung

Roger Ebert ist Kritiker von ganzem Herzen. Nicht selten ähneln seine Reviews regelrechten Aufsätzen, in denen er mit ziemlicher Wortgewalt seine Meinung vertritt. Dabei handelt es sich bisweilen um wahre Abrechnungen mit den filmischen Gräueltaten, die dem Publikum zugemutet werden. Sein Ruf kommt nicht von irgendwo. Seine Worte sind ebenso wohl durchdacht wie auch äußerst scharfzüngig. Schlechte Filme bombardiert der Mann mit einer Schlagfertigkeit, die sich gewaschen hat.

Aber Roger Ebert ist kein verbitterter alter Mann, der von einem Elfenbein-Turm mit dem Daumen wedelt. Vor dem Beginn seiner professionellen Karriere als Schreiber nutzte er sein Talent, um neben dem Studium für Fanzines zu arbeiten. Statt für den Kunst-Film engagiert sich der junge Roger Ebert also für die Sci-Fi- und Fantasy-Welt der Geeks. Nach seinem Abschluss findet er 1966 ein Engagement bei der Chicago Sun-Times. Im Jahr darauf übernimmt er dort die Aufgabe des Film-Kritikers. Seine wöchentliche Kolumne erscheint noch heute dort.

Roger Ebert und der Trash

Vom Beruf des Journalisten gönnt sich Roger Ebert vor allem in den 70er Jahren skurrile Ablenkung. Für Russ Meyer verfasst er die Drehbücher zu Im tiefen Tal der Superhexen, Drüber, drunter und drauf und Blumen ohne Duft, drei weiteren Filmen mit toughen Frauen, großen Oberweiten und jeder Menge Humor. Auch der grandios gescheiterte Sex Pistols-Film Who Killed Bambi? darf sich mit einem Skript von Roger Ebert rühmen. Der Film geht aber wie die Band den Bach runter. 1975 wird ihm als erster Film-Kritiker überhaupt der Pulitzer Preis verliehen.

Zu diesem Zeitpunkt waren einige seiner Artikel schon selbst zu Kult-Status gelangt. So wie sein Verriss von Die Nacht der lebenden Toten. In der Doku Midnight Movies: From the Margin to the Mainstream verteidigt Roger Ebert seine harschen Worte höchst persönlich. Schließlich sah er den Zombie-Schocker in einer Vorstellung mit lauter verängstigten Kindern. Die fehlende Alters-Freigabe machte es möglich.

Hart und herzlich im Umgang

Populären Trends ordnet sich der Kritiker schon gar nicht unter. Einen Film wie Predator lobt er als gelungene Action-Unterhaltung, Stirb langsam oder Blue Velvet von David Lynch dagegen müssen sich bei ihm warm anziehen. Auch unpassenden Darstellungen wie mordende Kinder in RoboCop 2 oder jüngst Kick-Ass schlägt Roger Ebert den Hammer der Moral kräftig um die Ohren. Dabei ist es immer wieder überraschend, wie breit sein Geschmack gefächert ist – den von Trash bis Arthaus, bis zum Kunsthorror wie dem jüngst heiß diskutierten Human Centipede – Der menschliche Tausendfüßler haben alle Filme grundsätzlich eine Chance bei ihm. Er verreißt nicht nach Genres oder Anspruch sondern schlicht dann, wenn ihm ein Film nicht gefällt.

Umgekehrt schwärmt er auch in den höchsten Tönen von Filmen die ihn begeistern und viele kleinere Filme, hätten wohl niemals ein Publikum in den USA gefunden, wenn nicht Ebert und sein langjähriger TV-Partner Gene Siskel sich für die Werke engagiert und sie in ihrer landesweiten Show At the movies besprochen hätten.

Größtes Kennzeichnen seiner Bewertungen sind neben den mehrfach ausgezeichneten Texten auch die später entstandenen vier Sterne. Diese prangen natürlich einem Brandmal gleich über einem Film, stehen aber nicht selten im starken Kontrast zum Inhalt seiner Kritiken. Und nicht nur das macht sie zu einer beliebten Zielscheibe vieler Anfeindungen oder böse gemeinter Kommentare. Denen weiß Roger Ebert aber immer etwas passendes entgegen zusetzten.

Zum Beispiel als der Möchtegern-Komiker Rob Schneider dem Kritiker Patrick Goldstein vorwarf, ohne Pulitzer-Auszeichnung nicht qualifiziert genug zu sein, über seinen Streifen Deuce Bigalow: European Gigolo zu urteilen. Die Antwort von Roger Ebert ließ nicht lange auf sich warten. Mit einem Pulitzer in der Tasche sagte der kurz und knapp: Your Movie Sucks. Später nutzte Roger Ebert eine freundliche Geste von Rob Schneider, um öffentlich zu erklären, dass er immer noch ein klare Linie zwischen dem Produkt und der Person darin sehe. Ohne Beleidigung gibt es halt keinen echten Grund, selber eine los zu treten. Das zeigt, dass der Mann seinen Beruf professionell und keineswegs überheblich und arrogant managt.

Amerikas Lieblings-Fernsehkritiker

Neben den Bestseller-Listen erobert Roger Ebert seit Mitte der 70er Jahre auch die Mattscheibe. Zusammen mit seinem Kollegen Gene Siskel beschreitet er die Sendung Sneak Previews. Darin besprechen beide die wöchentlichen Neustarts. Der wachsende Erfolg führt zur Umbenennung in At The Movies, das landesweit ausgestrahlt wird. Bei ihren unterschiedlichen Ansichten entwickeln sich nicht selten kleine Wort-Duelle, die hinter den Kameras ordentlich weiter gehen. Trotzdem bleiben sich die beiden bis zum Tode von Gene Siskel 1999 treu. In ihrer Show feiert auch bald das legendäre Bewertungs-System Daumen rauf, Daumen runter Premiere. Und nicht selten gibt es gleich zwei davon, egal, in welche Richtunng. Unzählige ihrer gemeinsamen Besprechungen sind heute im Internet zu bewundern. Wir haben hier einmal eine lockere Outtake-Sammlung für euch.



Die schweren Jahre

Vom Tode seines langjährigen Moderation-Partners lässt sich Roger Ebert nicht unterkriegen. Er macht zunächst mit Gästen weiter, bekommt mit Richard Roeper schließlich neue Unterstützung. Aber das Schicksal hält einen weiteren Schlag für ihn bereit. Roger Ebert erkrankt an Schilddrüsen-Krebs. Der Verlauf führt schließlich zum Verlust seines Unterkiefers und seines Sprach-Vermögens. Seither lebt der Kritiker mit einer Prothese, die ihm ein ewiges Lächeln beschert und einem Sprach-Programm, das seine Worte klanglich umsetzt. Tapfer beschreitet er jedoch das Leben, das ihm noch vergönnt ist und kommentiert sein Schicksal gewohnt humorvoll: “I’m a pretty boy no more”.

Immer noch kein bisschen Müde

Immer noch schreibt Roger Ebert unermüdlich wie kein anderer. Mittlerweile hält er auch seine politischen Ansichten nicht mehr versteckt – gerade über seinen Twitter-Account gibt er oft und gerne Einblick in seine Ansichten abseits des Films. Als lebenslanger Liberaler übte er jüngst Kritik an Sarah Palin und zieht über die republikanische Bewegung der sogenannten Tea Party her. Deren Mitglieder bezeichnet er ziemlich verächtlich als Teapees.

Selbst schwer gezeichnet und im hohem Alter äußert Roger Ebert immer noch unverblümt seine Meinung – polarisiert Fanboys und Gamer – und beweist gleichzeitig eine Tugend, die vielen Jüngeren abgeht: Er ist diskussionsbereit und fähig sich den Meinungen anderer zu stellen – ja sogar einzugestehen, wenn er mal falsch lag.

Hoffen wir, dass Roger Ebert noch mehr Geburtstage feiern können wird. Wir wünschen ihm alles gute und freuen uns auf seine nächsten Kritiken.

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Kollege Batzman hat sich vor einer Weile ebenfalls Roger Ebert gewidmet, seinen Text “I love Roger” findet ihr bei den Fünf Filmfreunden

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