Panzer, Pauke, Pseudoernst – Batmans letzte Runde

25.07.2012 - 08:50 UhrVor 12 Jahren aktualisiert
The Dark Knight Rises
Warner Bros. Pictures
The Dark Knight Rises
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Mit The Dark Knight Rises führt Christopher Nolan seine Batman-Trilogie zu ihrem verdienten Abschluss. Mr. Vincent Vega über drögen Pseudoernst, bleierne Schwere und ewige Unsinnlichkeit im Nolanschen Laberrhabarber-Kino.

Auf dem Weg zur Berliner Pressevorführung von The Dark Knight Rises stehe ich am Alexanderplatz und starre auf etwa zwei Dutzend großer Plakatmotive, die den gesamten U-Bahnhof ausfüllen. Dort, wo sonst potthässliche Cappuccinoreklame oder auch einfach nur ein schnöder Netzplan die Wände veredelt, prangen derzeit eindrucksvolle Szenenphotos und Setbilder der vergangenen drei Batman-Filme von Christopher Nolan. Irgendwie, dachte ich mir, hatte The Dark Knight ja schon was. Das jeden Nerd von hier bis Buxtehude pleasende Meisterwerk war und ist es ganz gewiss nicht, aber als prahlerische, stahlharte Version des Batman-Mythos nicht ohne Reiz. Ein klein wenig Vorfreude beschlich mich also, ganz kurz, bevor ich mich für drei knapp Stunden von der Außenwelt verabschiedete.

Es wäre unaufrichtig, diesem Satz ein leider anzufügen, aber Grundgütiger: The Dark Knight Rises ist nicht nur der schwächste der drei jüngsten und ja summa summarum ohnehin recht überflüssigen Batman-Filme, sondern auch und vor allem für sich genommen ein ganz besonderer Murks. Und er offenbart geradezu musterdienlich, woran Christopher Nolans Vision des DC-Superhelden seit jeher krankt. Warum deren sonderbarer, von bleierner Schwere getragener Realismus in einem völligen Missverhältnis zum adaptierten Gegenstand steht. Wie entsprechend dünnflächig sich der Inszenierungsraum unter dieser eigenwilligen Vorstellung von Comic gestaltet. Und wie The Dark Knight Rises in seinen gezogenen Kreisen zu Batman Begins über jene aufgesetzte Ernsthaftigkeit stolpert, die Nolans von rätselhafter Actiondialektik, redeschwallartigen Endlosdialogen und dröger Humorlosigkeit bestimmte Batman-Filme nun gar zum ungewollt ulkigen Abschuss freigibt.

Die Lacher im Kino, die gingen zumeist auf Kosten von Batmans ultimativer Nemesis Bane, den der etwas klein geratene Tom Hardy mit nichtsdestotrotz Raum füllender Muckibuden-Präsenz, aber maskenbedingt ohne mimische Möglichkeiten verkörpert. Zu den allerblödesten Einfällen der Nolan-Filme zählte selbstredend die stimmliche Verfremdung des Titelhelden, die ihm mutmaßlich eine bedrohliche Aura verleihen und die Figur irrtümlicherweise wieder zu der ernsthafteren Interpretation eines Frank Miller zurückführen wollte. Die ohrenbetäubende Bass-Boost-Artikulation, mit der Bane in The Dark Knight Rises jeden seiner ehrfürchtig gedachten Auftritte zur Trash-Veranstaltung ummodelliert, haut einem allerdings nur noch Fragezeichen vor die Birne. Welch Glück, dass Comics nicht sprechen können. Und welch kruder Technizismus, mit dem Christopher Nolan da die Batman-Mythologie anzugehen meint. Das nun also soll die nach den ach so vorlagenuntreuen und albernen Adaptionen von Tim Burton und Joel Schumacher ultimative Batman-Filmserie sein?

Nolans Figurenansatz ist von Plakativität und beinahe verbittertem Ernst gekennzeichnet. Seine Bösewichte folgen allesamt dem gleichen spröden Muster des in der Motivation wirklichkeitsnahen Schurken, eines der Comicwelt entrissenen Psychopathen, dessen kriminelle Energie ihn zu Banküberfällen, Brandstiftung oder politischer Korrumpierung inspiriert. Sowohl Ra’s al Ghul als auch der Joker, Two Face und nun Bane interpretiert Nolan als bloße Terroristen, deren Handeln mit Haurucksymbolik an die ästhetischen Schreckensbilder unserer Gegenwart anknüpfen soll. Unter der Last seiner 9/11-Bezüge drohte The Dark Knight förmlich zu ersticken, und auch gleich die allererste Einstellung im neuen Batman-Film evoziert Nachrichtenbilder von Geiselnahmen – ehe Bane schließlich noch an der Börse Unruhe stiften darf: Finanzkrise Nolansche Art, irgendwas mit Kapitalismuskritik.

Batman selbst wird vom Film ähnlich wie im Vorgänger stückweise zur Nebenfigur degradiert, was weniger Screentime für Christian Bale bedeutet, also an und für sich keine so schlechte Sache ist. Von der emotionalen Abgründigkeit, dem komplexen Wechselverhältnis zwischen Bruce Wayne und dessen Alter Ego, wie es beispielsweise Tim Burton in Batmans Rückkehr verhandelte, war und ist Nolan ohnehin Lichtjahre entfernt. In einer besonders misslungenen Szene bricht sich die Oberflächlichkeit, mit der er den Titelhelden sowie Neuzugang Selina Kyle (alias Catwoman) herausragend missversteht, anschaulich Bahn: Auf einem Maskenball, bei dem es, anders als in Tim Burtons Inszenierung einer identischen Szene, keine Rolle zu spielen scheint, wer maskiert und wer unmaskiert ist (so wie die Maskerade, die Identitätsfrage, bei Nolan ja sowieso vollkommen in den Hintergrund gerät), flüstert die über den gesamten Film hinweg katastrophal undefinierte Selina Kyle ein paar alberne Anzüglichkeiten, nur um dann Bruce Waynes Autoschlüssel stehlen und davonbrausen zu dürfen. Mit Frauen kann und will Nolan wohl einfach nichts anfangen. Und so führt jede Emotion bei ihm zurück zum Vehikel, zur Maschineneleganz, zur bloßen und durch ständige Parallelmontagen entschleunigten Action. Zu dumpfen Nahkämpfen, unentschlossenen Ellipsen, geloopten Dröhnschleifen von Ein-Ton-Regler Hansi Hinterzimmer.

Regungen und Gefühle sind diesem Kino vollkommen fremd, so wie es in Filmen von Christopher Nolan keine Zwischenmenschlichkeit, keinen Sex und erst recht keinen Humor gibt. Wo plotverliebt ein Handlungsort nach dem anderen abgefrühstückt und Banaldialog an Banaldialog gereiht wird, damit dann irgendwann einmal irgendein tonnenschwerer Panzer über den Asphalt donnern darf. Die allgewaltige Fantasielosigkeit der Nolanschen Batman-Filme fügt sich wunderbar ein in die sich ununterbrochen selbst erklärenden Traumebenen aus Inception oder jene in die reine Wortrhetorik verdammte (Nicht-)Magie eines Prestige – Die Meister der Magie, mit der Christopher Nolans hochgefahrener Budenzauber bestens bedient ist.

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