Robert Pattinson und die asymmetrische Prostata

27.06.2012 - 08:49 UhrVor 12 Jahren aktualisiert
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Mit den Twilight-Filmen sicherte er sich seine Rente, nun spielt er unter der Regie von David Cronenberg. Warum Internet-Nerds das Talent von Robert Pattinson verkennen.

Nach vorn gebeugt, mit heruntergelassener Hose. Eric Packer kniet in seiner durch die Straßen von New York schwebenden Limousine. Eine verschwitzte Joggerin sitzt vor ihm, zwischen ihren Schenkeln presst sie eine Wasserflasche. Saftige Flutschgeräusche ummanteln das anregende Gespräch. Von hinten kommt der Doktor: Immer tiefer führt er seine Hand in Erics Anus. Eine asymmetrische Prostata habe er, lautet die Diagnose. Eric bleibt regungslos, wie immer. Auch im Moment rektaler Stimulierung zeichnet sein Gesicht nur tiefe Leere.

Ab nächster Woche wird dieser unfassbare Moment in unseren Kinos zu bestaunen sein. Dann startet Cosmopolis, der neue Film von David Cronenberg. Mit Robert Pattinson in der Rolle des entmenschlichten Börsenspekulanten Eric Packer. Eine Hauptrolle bei David Cronenberg, das kommt einem Ritterschlag gleich. Und ist selbst für erfahrene Schauspieler eine Herausforderung. Jeremy Irons etwa bezeichnete seine Darstellung der Mantle-Zwillinge in Die Unzertrennlichen mehrfach als die komplexeste Leistung seiner Karriere. Viggo Mortensen wiederum versprach bereits nach seiner ersten Zusammenarbeit mit dem Actor’s Director, künftig jede Rolle für ihn spielen zu wollen. Unter David Cronenberg reifen Darsteller zu Schauspielern, ob ein Peter Weller (Naked Lunch) oder James Spader (Crash). Und nun Robert Pattinson, das Twilight-Schnuckelchen, der Teenie-Schwarm. Mit aufgerissenem Arsch und halbrasiertem Kopf in Cosmopolis.

Die Internet-Nerds scheint das zu überraschen. Zur liebsten Beschäftigung von Filmmenschen, die ihr Leben gern online verbringen, gehörte in den letzten Jahren eine gleichermaßen ungefragte wie lautstarke Meinungsmache gegen das bei adoleszenten Feuchthöschen bekanntlich schwer populäre Twilight-Phänomen. Mit beispielloser Penetranz wettern mutmaßlich chronisch unterfingerte Filmfreunde gegen dessen Repräsentanten Kristen Stewart, Taylor Lautner und natürlich Robert Pattinson, der den Hype um Twilight in besonderem Maße personifiziert (Team Edward in Führung).

Die Negativfazits der Moviepilot-User bilden da freilich keine Ausnahme. „Normalerweise wischt man doch mit sowas den Boden“ oder „bei dem schlafen selbst die eingeschlafenen Füße noch mal ein“ heißt es da himmelschreiend originell in den Kommentaren über Pattinson, der „Kalkleiste“. Die wenigsten unter ihnen haben die Adaptionen der Romane von Stephenie Meyer, mit denen der heute 26jährige Brite weltweit zum Schwarm kleiner Mädchen avancierte, überhaupt gesehen. Anders als Benutzer RoosterCogburn, der immerhin frei Schnauze schreibt, was vermutlich viele denken: „Ja, auch ich habe versucht, mir Twilight anzusehen. Ich fand den ersten so kacke, dass ich keine weitere Fortsetzung sehen werde! Das lag aber nicht unbedingt an seiner Darstellung. Mehr daran, wie schwul die Rolle angelegt war.“. Und wie jeder weiß, kann es kaum etwas Schlimmeres geben als schwule Rollen.

Schaut man die Twilight-Filme ohne Tomaten auf den Augen, offenbart sich hingegen ein nicht unüberlegtes Darstellungskonzept. Ebenso wie auch Taylor Lautner versteht Robert Pattinson es darin, die von Vorlage und Umsetzung diktierte Begierde für männliche Objekte in eine Art passiv-aggressives Schauspiel zu übersetzen. Edward Cullen bleibt bis zuletzt eine romantische Idee, eine idealisierte Vorstellung vom Erretter weiblicher Unschuld. Folglich ist Robert Pattinson darum bemüht, eine Figur zu spielen, die überwiegend im Blick der Protagonistin (Kristen Stewart) existiert. Seine Interpretation des Vampirs als sanftmütige, leidvolle Kreatur, gespiegelt in femininen Sehnsüchten und Fantasien, scheint den vehementen Twilight-Nörglern nicht ganz aufzugehen. Sie klagen über das neue alte Bild des romantischen Blutsaugers, als habe Stephenie Meyer es überhaupt erst in die Welt gesetzt.

Es ist davon auszugehen, dass Robert Pattinsons diffizile Darstellung in den bislang vier Filmen der Serie ihn für die Rolle als Eric Packer in Cosmopolis empfohlen hat. Die Nähe der Figur zum ewige Leere verspürenden Vampir Edward Cullen ist um einiges augenfälliger als zu anderen seiner bisherigen Rollen, beispielsweise im üppigen Liebesmelodram Wasser für die Elefanten. Robert Pattinsons ganz eigene Attraktivität bei gleichzeitig betonter Ausdruckslosigkeit bildet das fiebrige Zentrum des neuen Films von David Cronenberg: Regungs- wie emotionslos vögelt und mordet er sich in Cosmopolis durch eine existenzielle Suche nach körperlichem Bewusstsein. Eine Rolle, die ihn mit großer Wahrscheinlichkeit an die Spitze der talentiertesten Jungstars Hollywoods befördern wird. Robert Pattinson, nur echt mit asymmetrischer Prostata.

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