Schwarzer Fetischismus statt Frauenpower

31.01.2013 - 08:50 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
Die Faszination des "schwarzen" Körpers - Kerry Washington in Django Unchained
Sony
Die Faszination des "schwarzen" Körpers - Kerry Washington in Django Unchained
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Quentin Tarantinos neuer Film sorgt für Diskussionen: Ist seine Darstellung der Sklaven rassistisch? Warum treten keine starken Frauenfiguren auf? Auch ich versuche mich an einer Erklärung.

Als ich nach Django Unchained aus dem Kino kam, hatte ich das Gefühl, ich müsste mich umgehend an den Schreibtisch setzen und eine dreibändige Abhandlung über den gesellschaftlichen und politischen Subtext dieses Films schreiben. Von Geschlechterrollen über „gerechte Gewalt“ bis hin zu Rassismus scheint Quentin Tarantino nahezu alle Themen abzudecken, die den denkenden Kinozuschauer heutzutage beschäftigen. Und so komme ich nicht umhin, wenigstens anzureißen, was meine Gedanken zu diesem Film sind.

Brünhild – Vom Kampfweib zur Jungfrau in Nöten
Während Tarantino uns mehrfach gezeigt hat, dass er die Eier hat, starke Frauen als Mittelpunkt seiner Filme zu inszenieren (Kill Bill: Volume 1, Death Proof – Todsicher), zeichnet sich Django Unchained vor allem durch die Abwesenheit der weiblichen Spezies aus. Sofa führt dies unter anderem auf den fehlenden Einfluss Tarantinos ehemaliger Cutterin Sally Menke zurück. Ich bin mir jedoch nicht so sicher, ob es sich hier wirklich um ein „Versäumnis“, oder nicht eher um ein bewusstes Statement handelt. Im Grunde gibt es nur zwei Frauenfiguren, die mir aufgefallen sind. Zum einen die maskierte Frau, gespielt von Zoë Bell, die mit einer Horde minderbemittelter, moralbefreiter Kerle, die wir heutzutage schlichtweg als Assis bezeichnen würden, in einer Hütte haust und entlaufene Sklaven ohne mit der Wimper zu zucken, den Hunden zum Fraß vorwirft. Für die Handlung spielt sie keine Rolle. Vielmehr ist sie ein personifiziertes Zitat, gehört Zoë Bell doch zu Quentin Tarantinos liebsten Stuntfrauen. Warum aber spukt diese vermummte Gestalt im Hintergrund mehrerer Szenen herum, ohne ein Wort zu sprechen oder eine wie auch immer geartete Bedeutung für die Geschichte zu entfalten?

Auch wenn Kerry Washington als Broomhilda mehr Screentime vergönnt ist, kann auch sie nicht mal im Ansatz mit den Damen aus Kill Bill: Volume 1 oder Death Proof – Todsicher mithalten. Umso erstaunlicher, wenn man die Herkunft ihres Namens bedenkt. Quentin Tarantino lässt Christoph Waltz im Film eine Version der Nibelungensage erzählen, in der Siegfried gegen Feuer und Drachen kämpft, um Brunhilde zu retten und zu erobern. In dem Nibelungenlied, dass ich im Detail im Deutsch-Leistungskurs durchkauen durfte, kämpft Siegfried jedoch gegen Brunhilde selbst, da diese nur einen Mann ehelichen möchte, der es physisch mit ihr aufnehmen kann. Brunhilde ist eine tatkräftige Frau, die als Kontrast zur höfischen Kriemhild dient. Von dieser Brunhilde, Brünnhild, Broomhilda oder wie auch immer wir sie nennen wollen, ist in Django Unchained nichts mehr zu sehen. Nicht nur, dass sie hier von ihrem Mann gerettet werden muss, statt sich selbst zu verteidigen, ihre fehlende Selbstbeherrschung führt auch noch fast zum Scheitern des Unterfangens und fordert etliche Menschenleben.

Der Fetischismus des schwarzen Körpers
Während Spike Lee sich erbost, in Django Unchained würde zu oft das böse N-Wort fallen, irritierte mich eher die wiederholte Betonung der schwarzen Körperlichkeit. Sklaven, auf deren entblößte Rücken erbarmungslos die Peitsche knallt. Mandingo-Kämpfer, die sich halbnackt durch Blut und Schweiß wälzen, um sich gegenseitig den Garaus zu machen. Auf die Spitze getrieben wird diese rassistische Faszination für den schwarzen Körper, wenn Jamie Foxx splitterfasernackt kopfüber von der Decke hängt. Samuel L. Jackson als Butler Stephen droht zu allem Übel auch noch mit Kastration. Den weißen Leuten, so erklärt er, würde dies stets als erste Hinrichtungsmethode in den Sinn kommen. An dieser Stelle lohnt es sich, einen Blick in die US-amerikanische Kulturgeschichte zu werfen. Der weiße Mann fühlte sich durch den schwarzen Mann schon immer sexuell bedroht. Während weiße Sklavenhalter nach Lust und Laune ihre Sklavinnen schwängerten, wurde ein Schwarzer für den Sex mit einer weißen Frau mit dem Tode bestraft, besser gesagt „gelyncht“. So dient die Kastration auch dazu, den weißen Sklavenhalter in seinen maskulinen Minderwertigkeitskomplexen zu beruhigen. Die „One-Drop-Theory“ besagte, ein einziger Tropfen schwarzes Blut würde die weiße Überlegenheit gefährden, weshalb eine Mischung der “Rassen” unbedingt zu vermeiden sei. Wer im Geschichtsunterricht aufgepasst hat, wird in dieser Vorstellung von der Verunreinigung des Blutes Parallelen zur nationalsozialistischen Ideologie entdecken. Doch dazu später mehr.

Fakt ist, dass Quentin Tarantino in Django Unchained dem schwarzen Körper mit einer auffälligen Faszination begegnet, die als Rassismus abzutun ein wenig zu einfach wäre. Wie schon in Bezug auf die Darstellung der Frauen, kann ich mir nicht vorstellen, dass der Regisseur hier eine diskriminierende Perspektive einnimmt. Wieder stellt sich die Frage: Was will uns der Quentin damit sagen?

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